: "Frage mich, ob das hier noch mein Land ist"

von Pierre Winkler
30.11.2023 | 06:41 Uhr
Der Präsident des jüdischen Sportverbands Makkabi erneuert die Vorwürfe gegen den FC Bayern im Umgang mit Antisemitismus. Darüber hinaus erzählt er von der Angst seiner Mitglieder.

Zu Antisemitismus u. Fremdenfeindlichkeit im Sport, zur Sicherheit von Jüdinnen u. Juden in Deutschland, über die Bedeutung des Sports für Integration u. Teilhabe an der Gesellschaft

30.11.2023 | 44:35 min
Als die Hamas am 7. Oktober einen Terrorangriff auf Israel startete, habe auch "eine Zäsur hier in Deutschland" stattgefunden, sagt Alon Meyer am Mittwochabend bei Markus Lanz. Meyer ist Präsident von Makkabi Deutschland, dem Dachverband für jüdische Sportvereine in Deutschland. Er sehe aktuell bedenkliche Tendenzen.

Makkabi-Chef: Spieler von jüdischen Vereinen Hass ausgesetzt

Vor allem auf Fußballplätzen quer durchs Land seien Mannschaften von jüdischen Vereinen Hass ausgesetzt, wie er es selten erlebt habe, berichtet Alon Meyer. Nach Spielen würden Sportler nicht nur beschimpft, sondern "handgreiflich angegriffen, sodass sie sich teilweise wirklich in den Kabinen verstecken müssen".
Dort müssten sie dann auf Polizeibeamte warten, sicher nach Hause zu gelangen. "Das ist der Zustand heute in Deutschland."

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12.11.2023 | 04:01 min
Er sei "ein großer Verfechter Deutschlands", sagt Meyer: "Ich liebe Schwarz-Rot-Gold, ich will mir das auch nicht nehmen lassen von irgendwelchen rechten wie linken Gruppen".

Alon Meyer: Schwer, noch an das Gute zu glauben

Aber seit dem 7. Oktober sei sein Glaube an Deutschland "ein Stück weit zusammengefallen". Es falle ihm schwer, "noch an das Gute zu glauben", so Meyer, wenn er sehe, "was auf unseren, auf meinen deutschen Straßen passiert".
Auf "angeblichen pro-palästinensischen Demonstrationen" würden "Hass und Hetze gegen Juden skandiert". "Das sind keine Muslime in meinen Augen", sagt der Makkabi-Präsident weiter. "Das sind Fundamentalisten, das sind Islamisten. Denn die Muslime, die ich kenne, und ich kenne sehr viele, die denken nicht so." Diese hätten aber Angst, öffentlich Stellung zu beziehen.

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12.11.2023 | 03:56 min

Kritik an FC Bayern im Fall Mazraoui

Auch in der Sportwelt sieht Meyer negative Beispiele. Noussair Mazraoui vom FC Bayern München habe bei Instagram Posts geteilt, in denen, wie Meyer es ausdrückt, "der endgültige und finale Sieg" den Palästinensern gewünscht werde.
Und was damit einhergehe, sei ziemlich klar: "Dass Israel von der Landkarte ausgelöscht wird." Der marokkanische Abwehrspieler gehört immer noch zum Kader der Münchner. Meyer nennt den Umgang des Vereins mit dem Fall als "unterste Schublade". "Man hat ihm Worte in den Mund gelegt, die er vielleicht gar nicht gesagt hat."

Der Nahost-Konflikt macht vor dem Fußball nicht halt. Zu dem Thema posteten einige Spieler problematische Statements. Nun reagierte der erste Bundesliga-Verein.

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FC Bayern spricht für Mazraoui

In einer offiziellen Stellungnahme des FC Bayern war Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen zitiert worden: "Noussair Mazraoui hat uns glaubwürdig versichert, dass er als friedliebender Mensch Terror und Krieg entschieden ablehnt. Er bedauert es, wenn seine Posts zu Irritationen geführt haben."
Diese Aussagen seien aber nicht von Mazraoui persönlich gekommen, er habe auch nichts in dieser Art auf seinen Social-Media-Kanälen gepostet, sagt Meyer: "Ich würde mich freuen, wenn auch der Spieler das selber auch so nach außen kommuniziert."

Meyer: "Da läuft etwas schief in unserer Gesellschaft"

Im Gegensatz zu den Bayern hatte der Bundesligist FSV Mainz 05 einen Spieler wegen eines antisemitischen Posts suspendiert. Anwar El Ghazi, Niederländer mit marokkanischen Wurzeln, ging dagegen juristisch vor, der Prozess soll noch in diesem Jahr beginnen.
Jetzt müsse Mainz 05 Angst haben, den Prozess zu verlieren, und dann El Ghazi eventuell bis zu seinem Vertragsende Gehalt zahlen, obwohl der Verein "dankenswerter Weise klare Kante gezeigt" habe, kritisiert Alton Meyer. "Da läuft etwas schief in unserer Gesellschaft."
Dabei mache er sich mittlerweile "ernsthaft Gedanken", ob er noch volles Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat haben könne
Ich frage mich seit dem 7. Oktober, ob das hier noch mein Land ist.
Alon Meyer, Makkabi-Präsident

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