: Wenn es an Erziehern und Kita-Plätzen mangelt

von Eva Schulz
01.10.2023 | 15:46 Uhr
Zu wenige Kitas, zu wenige Erzieher: Ein Problem, das vor der Wahl in Bayern vor allem Familien bedrückt. Welche Lösungen sich auch Beschäftige von der Politik wünschen.

Der Kneipentalk mit Eva Schulz in Nürnberg vor der Bayern-Wahl. An den Tischen sitzen junge Menschen aus dem Freistaat, die sich von der Politik zu wenig gehört fühlen.

25.09.2023 | 29:21 min
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen in Bayern 62.000 Kita-Plätze und 14.500 Erzieher und Erzieherinnen. Vermutlich ein Grund, weshalb das Thema Fachkräftemangel speziell in Kitas die Kneipenwahl vor der Wahl in Bayern gewonnen hat.
Die Regierung setze die falschen Prioritäten, meint Erzieherin Francesca Pohl: "Wir finanzieren Branchen, die eh schon massig Geld haben, aber da, wo es dringend nötig ist, Fachkräfte mit an Land ziehen, die Verdienste anzupassen - da wird wieder gespart."

Die Kneipenwahl in Bayern

Quelle: ZDF/DriveBeta
In einer urigen Kultkneipe in Nürnberg hat Podcasterin und Moderatorin Eva Schulz junge Menschen aus ganz Bayern eingeladen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Drei von iIhnen haben ihren Frust und ihre Geschichte mit an den Tresen gebracht.

Thema von Melanie: Flüchtlinge

Melanie aus Lenggries hat die Sorge, dass die Flüchtlingszahlen die Menschen überfordern: "Ich bin absolut dafür, nur es macht mir Angst, wie wir das bewerkstelligen sollen."

Thema von Markus: Diversität

Markus wurde als Drag Queen und Organisator einer Drag-Lesung für Kinder extrem angefeindet. Selbst Hubert Aiwanger von den Freien Wählern sprach von "Kindeswohlgefährdung". Ein diverses und offeneres Bayern mit einem Queer-Aktionsplan, so seine Forderung an die Politik.

Thema von Francesca: Fachkräftemangel in Kitas

Francesca aus Erlangen ist stellvertretende Kita-Leiterin und mit gerade mal 26 erschöpft: "Der Fachkräftemangel wird auf dem Rücken aller ausgetragen." Immer wieder müsse ihre Kita früher schließen, weil Personal fehle.

Das Ergebnis der Kneipenwahl

Das Konzept der "Kneipenwahl" vor der Bayern-Wahl: Das Kneipenpublikum entscheidet, welches Thema am drängendsten ist und stimmt ab. Am Ende gewinnt Francesca: Die Mehrheit findet in Bayern am Wichtigsten: Fachkräftemangel in Sorgeberufen wie Kita oder Pflege.

Junge Familien fühlen sich allein gelassen

Die CSU mit ihrem traditionellen Rollenverständnis von Familie stellt in Bayern seit mehr als einem halben Jahrhundert den Ministerpräsidenten. Das konservative Rollenmodell, dass die Mutter ganztags die Kinder betreut, ist auch in Bayern ein Auslaufmodell.
Und für junge Familien kommen gleich mehrere Probleme zusammen: Die Familien können sich Wohnraum kaum noch leisten, in den Ballungsgebieten explodieren die Mieten. Außerdem ist Bayern ist eines der Bundesländer, das die Betreuungskosten in den Kitas nicht abgeschafft hat. Vielerorts steigen die Elternbeiträge wegen der hohen Energiekosten. Immerhin gibt es seit 2018 das Familiengeld für Kleinkinder von 250 Euro im Monat.

Überlastete Erzieher kündigen - Kitas dicht

Im Landkreis Starnberg, einem der reichsten Landkreise Deutschlands, seien wegen Personalmangels 230 Krippen- und 210 Kindergartenplätze nicht vermittelbar, sagt Landrat Stefan (CSU). Doch die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) hat erst kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben, die feststellt, dass der Betreuungsbedarf in Bayern in spätestens fünf Jahren gelöst sei.
Für die betroffenen Eltern wie Rebecca Albat klingt das wie Hohn. Gerade hat die Kita ihres Sohnes in Starnberg vorübergehend dicht gemacht. Der Grund: Die völlig überlasteten Erzieherinnen haben einfach gekündigt. Rebecca ist als Unternehmensberaterin dringend auf einen Kita-Platz angewiesen. Der Staat verlange von den Eltern, dass "wir unseren Job umschmeißen", klagt auch eine alleinerziehende Mutter aus Erlangen.

Vorbereitung der Kinder auf die Schule oft schwierig

Auch Kinder leiden unter chronischem Personalmangel in den bayerischen Kitas. Francesca erzählt, dass sie manchmal kaum noch auf deren Bedürfnisse eingehen könne. Hinzu kämen viele Kinder von Flüchtlingen, die auf die Schule vorbereitet werden müssen.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat kürzlich vorgeschlagen, dass Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen nicht in die Schule dürften. Das hieße aber: mehr Kinder statt Entlastung für Erzieherinnen wie Francesca.

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27.09.2023 | 06:31 min

Was nicht nur Erzieher von der Politik fordern

Francesca liebt ihren Beruf und will ihn weiter ausüben, bis sie umfällt, wie sie sagt. Dabei ist sie gerade mal 26. Eine Vier-Tage-Woche, flexibler eingesetztes Personal, Quereinsteiger aus anderen pädagogischen Berufen, Fachkräfte aus dem Ausland - auf ihrer Reise durch Bayern hat Eva Schulz junge Leute getroffen, die schnelle Förderkonzepte und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel fordern. Ansonsten werden Francesca und weite Teile der Gesellschaft an ihre Grenzen gebracht.

Bei der letzten Landtagswahl in Bayern ...

... wählten im Jahr 2018 24,5 Prozent der 18- bis 24-Jährigen die CSU und 26 Prozent der Altersgruppe die Grünen. Aber die größte Gruppe bei den jungen Menschen waren die Nichtwähler mit 34,4 Prozent.

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