: "Wie soll ich das schaffen ohne Burnout?"
Tobias ist gerade in eine neue Stadt gezogen. Wegen der Arbeit. Denn an seiner alten Uni war nicht klar, wie es für ihn nach der Promotion weitergeht. Die Perspektive hat gefehlt.
Jetzt promoviert Tobias, der eigentlich anders heißt, in Wirtschaftswissenschaften an einer anderen deutschen Uni. Sein Vertrag dort ist auf drei Jahre befristet. Die Zukunftssorgen sind mit umgezogen in die neue Stadt:
Du hast unglaublich viel Leistungsdruck, eine riesige Unsicherheit während der Promotion.
Nur zwei Kollegen arbeiten unbefristet
Tobias beklagt ein System von Kettenverträgen an deutschen Hochschulen. Chefs und Chefinnen hätten es in der Hand, ob man nach den drei Jahren weiter an der Uni beschäftigt bleiben könne. Laut Bildungsministerium sind viele Verträge an Unis befristet. Mindestens jeder dritte davon hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr.
Immer mehr Studierende gelten als arm oder armutsgefährdet. Vor allem junge Menschen aus einkommensschwachen Familien scheuen daher oft vor einem Studium zurück.
11.07.2023 | 09:22 min"Ich kenne überhaupt nur zwei Kollegen, die unbefristet beschäftigt sind", sagt Tobias. Zuletzt seien Freunde von ihm, exzellente Wissenschaftler, in die Wirtschaft gewechselt. Dahinter stehe auch die Sorge, eine Familie ernähren oder Kredite abbezahlen zu können.
Ampel reformiert Regeln bei Zeitverträgen
Um die Jobs an Unis verlässlicher und attraktiver zu machen, hat das Bundeskabinett am Mittwoch eine Reform des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beschlossen. Künftig sollen:
- der erste Arbeitsvertrag vor der Promotion mindestens drei Jahre dauern,
- der Vertrag nach der Promotion mindestens zwei Jahre dauern und
- Post-Docs nicht mehr sechs, sondern vier Jahre befristet werden.
Post-Doc beschreibt die Phase zwischen Promotion und Habilitation, also nach dem Doktor und vor der Professur. Dort soll es künftig ein "4+2"-Modell geben.
Ein auf vier Jahre befristeter Post-Doc-Vertrag soll nur noch dann um weitere zwei Jahre befristet verlängert werden dürfen, wenn es eine verbindliche Zusage gibt, dass die Stelle anschließend unbefristetet wird. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält die Reform für eine Verbesserung:
Attraktive Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind ein entscheidender Faktor dafür, im Wettbewerb um die klügsten Köpfe talentierte junge Menschen für Wissenschaft und Forschung zu gewinnen.
Die Zahl der Bafög-Empfänger ist zurückgegangen. Eine Reform, vom Kabinett auf den Weg gebracht, soll das nun ändern. Bafög soll insgesamt einfacher und attraktiver werden.
06.03.2024 | 01:46 minMassive Kritik von Gewerkschaften
Gewerkschaften und Studierendenvertreter sehen das anders. Von einer "Verschlechterung der aktuellen Situation" spricht Sonja Bolenius vom Deutschen Gewerkschaftsbund.
Das 4+2-Modell werde in der Praxis dazu führen, dass viele nun versuchen würden, ihre Habilitation oder vergleichbare wissenschaftliche Leistungen in vier Jahren zu schaffen. Sie sagt ZDFheute:
Das aber ist völlig unrealistisch und wird den Druck nur erhöhen, ohne ernsthaft Impulse für eine veränderte Personalpolitik von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu setzen.
Der DGB fordert stattdessen Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre und Forschung und unbefristete Beschäftigung nach der Promotion. Insgesamt bleibe die Reform hinter dem zurück, was die Ampel im Koalitionsvertrag vereinbart habe.
Seit 2021 gibt es in Berlin keine Exmatrikulation mehr. Nach antisemitischer Gewalt unter Studenten der FU Berlin soll sie nun wieder eingeführt werden. Das stößt auch auf Kritik.
26.03.2024 | 02:43 minWarum die Reform den Druck nicht mindert
Auch Tobias geht nicht davon aus, dass sich durch die Reform etwas an seiner Situation verbessere. Im Gegenteil. Tobias will nach der Dissertation habilitieren und dann an der Uni arbeiten. Das 4+2-Modell erhöhe aber nur den Druck, anstatt ihn zu beseitigen.
Wie soll ich meine Habilitation in vier Jahren schaffen ohne einen Burnout?
Er könne die Anforderungen an die Stelle einer Professur in der Kürze dieser Zeit nicht erfüllen, sagt er. Einem Freund gehe es ganz ähnlich. "Der wird jetzt Professor im Ausland. Er hat keine Lust mehr auf das deutsche System."