: Schutz durch Kirchenasyl in Gefahr

von Jutta Sonnewald
20.06.2023 | 06:00 Uhr
Der EU-Asyl-Kompromiss könnte Folgen für Kirchen und religiöse Gemeinschaften haben: Flüchtlingsorganisationen warnen vor der Abschaffung des Kirchenasyls durch die Hintertür.
Kirchenasyl in Bayern: Matratzen für junge Asylbewerber liegen auf dem Boden in der Pfarrei St. Otto in Cadolzburg (Archivfoto).Quelle: picture alliance / dpa
Ibrahim Alassaf hat heute noch Albträume und Angstzustände, wenn er an seine Inhaftierung in Bulgarien zurück denkt. Vor zwei Jahren ist der der 25-Jährige Syrer aus seiner Heimat geflohen - vor dem Krieg und aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung in die syrische Armee.
Über die Türkei gelangte er mit einem Freund nach Bulgarien. Die beiden jungen Männer wurden von bulgarischen Polizisten gefesselt und mit Stöcken geschlagen. Die Polizisten nahmen ihnen ihre Wertgegenstände ab und ihre Handys - die letzte Verbindung zur Familie.

Die Einigung der EU-Innenminister, das Asylrecht zu verschärfen, sorgt für Diskussionen. Vor allem die Grünen fordern Ausnahmen für schutzsuchende Familien mit Kindern.

09.06.2023 | 01:43 min

Geflüchteten droht Rückführung in Erstaufnahmeland

Etwa zwei Monate war Alassaf in bulgarischen Gefängnissen inhaftiert. Aus Angst vor einer Rückführung zurück nach Bulgarien fand er Schutz im Kirchenasyl in einer evangelischen Gemeinde in Regensburg. Der ruhige, schüchterne Mann erzählt:
Ich würde lieber nach Syrien zurück kehren, als wieder nach Bulgarien.
Ibrahim Alassaf aus Syrien
Alassaf ist einer von knapp 700 Menschen, die derzeit in Deutschland im Kirchenasyl Schutz suchen. Neunzig Prozent davon betreffen sogenannte Dublin-Fälle, denen eine Rückführung in ein europäisches Erstaufnahmeland droht, wo sie Gewalt erlebt haben und humanitär unzumutbare Lebensumstände. Zu diesen EU-Ländern gehören unter anderem Rumänien, Polen, Tschechien, die Slowakei und Bulgarien.

Die EU-Innenminister haben sich geeinigt. Das Asylverfahren in der EU soll wegen illegaler Migration verschärft werden. Die neuen Beschlüsse spalten die Grünen, auch in der Parteispitze.

09.06.2023 | 03:15 min

EU will Überstellfrist für Abschiebung verlängern

Meist nehmen Kirchen Geflüchtete für einige Wochen auf, maximal ein halbes Jahr. Danach wird Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Fast alle Betroffenen hätten sehr gute Chancen auf ein Bleiberecht, sagen Kirchenverbände.
Doch der Zugang zu Kirchenasyl könnte künftig in Deutschland stark erschwert bis unmöglich werden, warnen Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen. Der Grund: Die EU-Kommission plant die Überstellfrist für die Abschiebung von Flüchtlingen in ein anderes EU-Land von einem halben Jahr auf zwölf Monate verlängern, so der Vorschlag in der geplanten Reform des EU-Asylsystems.

Seit Jahren streitet die Europäische Union über die Reform des EU-Asylsystems, vor allem darüber, wie die Geflüchteten auf die europäischen Staaten verteilt werden, und wie die EU-Außengrenze gesichert werden kann, um illegale Zuwanderung einzudämmen.

06.06.2023 | 09:19 min

Wird Kirchenasyl durch die Hintertür abgeschafft?

Sollte das EU-Parlament und der Bundestag dem zustimmen, wäre das eine Abschaffung des Kirchenasyls durch die Hintertür, warnt Stephan Theo Reichel vom Verein "Matteo - Kirche und Asyl".
Schon jetzt sind sechs Monate Kirchenasyl eine enorme Belastung für die Betroffenen und die Kirchengemeinden. Menschen ein Jahr lang zu unterstützen, werden die wenigsten Kirchen durchhalten können. Es ist auch für die Betroffenen nicht zumutbar.
Stephan Theo Reichel, "Matteo - Kirche und Asyl e.V."

Kirchenasyl in Deutschland

Kirchengemeinden gewähren Geflüchteten zuweilen Schutz und vorübergehende Unterkunft, wenn sie von Abschiebung bedroht sind, aber humanitäre Gründe vorliegen, die eine Rückführung als unzumutbar erscheinen lassen. Das Kirchenasyl soll den Betroffenen Zeit schaffen für die Ausschöpfung aller Rechtsmittel. Es ist kein offiziell anerkanntes Instrument im deutschen Asylverfahren, sondern beruht auf der kirchlichen Tradition und dem moralischen und ethischen Engagement der Kirchen, Menschen in Not zu helfen.
Das befürchtet auch die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, ein organisatorischer Zusammenschluss der Kirchenbewegung in Deutschland.

Vielen Geflüchteten droht die Abschiebung - Kirchenasyl kann sie bisher schützen. Nun sorgen sich Verbände um ein mögliches Ende der Regelung.

20.06.2023 | 10:27 min

Kirchen in Sorge wegen "Brutalisierung" an EU-Außengrenzen

Die Vorstandsvorsitzende Dietlind Jochims ist zudem besorgt über eine "Brutalisierung" an den EU-Außengrenzen, wo nach Plänen der EU künftig Asylverfahren abgewickelt werden sollen.
Wir haben die Spuren der Hundebisse, die Narben von Schlägen der Grenzpolizei gesehen. Wir hören die Geschichten von den gewalttätigen Pushbacks.
Dietlind Jochims, Hamburger Pastorin.
Alassaf hat solche Gewalt in Bulgarien erlebt. Momentan ist er sicher im Kirchenasyl. Der junge Syrer hofft auf einen Schutzstatus in Deutschland. Dann würde er gerne Krankenpfleger werden.

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