: Frankreich plant neues Einwanderungsgesetz
von Lukas Nickel
07.12.2022 | 21:47 UhrEs ist ein Debakel für die französische Regierung: Von den 234 Geflüchteten auf dem Rettungsschiff Ocean Viking, das vor drei Wochen in Toulon ankam, mussten sie mehr als 100 Asylbewerber freilassen - obwohl die Asylbehörde ihre Anträge bereits abgelehnt hatte und die Geflüchteten abgeschoben werden sollten.
Der Grund: Vor drei Wochen legte die Ocean Viking im französischen Toulon an der Mittelmeerküste an. Das Schiff war mehrere Wochen auf See, nachdem es von der italienischen Regierung abgewiesen wurde. Die Geflüchteten wurden in einer "internationalen Wartezone" untergebracht, die sie nicht verlassen durften.
Doch weil die Anträge auf Verlängerung des Verbleibs in dieser Wartezone nicht rechtzeitig bearbeitet werden konnten, war die französische Justiz gezwungen, die Geflüchteten freizulassen. Hinzu kommen etwa 20 Jugendliche, die aus ihrer Herberge geflüchtet sind - Aufenthaltsort ungeklärt. 66 Geflüchtete haben letztendlich einen positiven Asylbescheid bekommen.
"Wir brauchen die Mittel, um illegale Einwanderung zu bekämpfen und gleichzeitig Arbeitsmigration zu fördern", gestand auch der französische Innenminister Gérald Darmanin vor der französischen Nationalversammlung ein.
Wir werden Konsequenzen ziehen aus dem, was wir mit der Ocean Viking erlebt haben, insbesondere in Bezug auf das Recht, das nicht unbedingt an diese Situation angepasst ist.
Wer in Frankreich arbeitet, darf bleiben; wer nicht, muss gehen
Die französische Regierung plant ein neues Einwanderungsgesetz, das derzeit im Parlament diskutiert und ab Januar offiziell vorgestellt werden soll.
Vorgesehen ist auf der einen Seite ein Sonderstatus für Arbeitsmigranten ohne offiziellen Aufenthaltstitel. Wer französisch spricht und eine Anstellungsgarantie vorweisen kann in einem Bereich, in dem Arbeitskräftemangel herrscht, soll ein Bleiberecht bekommen.
Gleichzeitig sollen Arbeitgeber härter bestraft werden, die Menschen illegal beschäftigen. Vor allem in ländlichen Gegenden fehlt es in Frankreich an Arbeitskräften - von Servicekräften in der Gastronomie bis hin zu Pflegekräften. Zahlen des Arbeitsministeriums zufolge fehlen gut 370.000 Arbeitskräfte in Frankreich, Tendenz steigend.
Sergey Lagodinsky äußert sich zum Thema Migration in der EU.
23.11.2022 | 04:58 minAuf der anderen Seite soll härter gegen Menschen vorgegangen werden, die sie sich unerlaubt in Frankreich aufhalten. Allen voran gehört dazu eine schnellere Abschiebung von Kriminellen und abgelehnten Asylbewerbern.
Mit dem neuen Gesetz soll der Rechtsweg gegen einen abgelehnten Antrag stark eingeschränkt und das Verfahren beschleunigt werden. Selbst Kinder und Jugendliche, die vor dem 13. Lebensjahr nach Frankreich gekommen sind und bisher Schutz vor einer Abschiebung genießen, sollen damit abgeschoben werden können. Die Punkte des Gesetzes im Überblick:
- Spezieller Aufenthaltsstatus für Migranten, die kein Aufenthaltsrecht haben, aber in Branchen mit Arbeitsmangel arbeiten
- Härtere Strafen für Firmen, die Migranten ohne Aufenthaltsrecht beschäftigen
- Schnellere Ausweisung von abgelehnten Asylbewerbern
- Leichtere Abschiebung von geflüchteten Kindern, die vor ihrem 13. Geburtstag nach Frankreich gekommen sind und bisher besonderen Schutz erhalten haben
Frankreichs Regierung im Spagat zwischen rechts und links
Die geplante Änderung stelle eine Stigmatisierung der Geflüchteten dar, schrieben 27 Nicht-Regierungsorganisationen Anfang November, darunter Amnesty International und Oxfam France. Auf Kritik stößt vor allem die Verringerung der Einspruchsmöglichkeiten gegen einen abgelehnten Asylantrag.
Wir verstehen, dass Prozesse effizienter werden müssen, aber das darf nicht zulasten der Grundrechte geschehen.
Marine Le Pen vom rechten Rassemblement National sprach dagegen von einem Kontrollverlust der Regierung: "Mit der Entscheidung, die Ocean Viking anlegen zu lassen, kann Macron niemandem mehr weis machen, der massiven und unkontrollierten Einwanderung ein Ende zu setzen".
Die französische Regierung steht vor einem Spagat zwischen einer Linken, die ihre Migrationspolitik als zu repressiv beurteilt und einer Rechten, für die das neue Gesetz Tür und Tor zur Masseneinwanderung aufmacht.
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