: Russland attackiert gezielt Gesundheitssystem

22.02.2023 | 10:55 Uhr
Es gibt Anzeichen dafür, dass Russland das ukrainische Gesundheitswesen vorsätzlich zum Ziel seines Angriffskrieges macht. Die Folgen sind drastisch.
Etwa ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges fordern Hunderte Attacken auf das Gesundheitswesen der Ukraine zusehends Tribut. Mehr als 700 Angriffe trafen seit der russischen Invasion vom 24. Februar 2022 Gesundheitseinrichtungen und deren Mitarbeiter. So geht es aus Daten hervor, die fünf Organisationen verifiziert haben, die in der Ukraine tätig sind.

Vorwurf: Gezielte Attacken

Auf ähnliche Weise hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 750 Angriffe und 101 Todesfälle dokumentiert. Von der Spitze des ukrainischen Gesundheitsministeriums hieß es jüngst, mehr als 1.200 Einrichtungen seien entweder direkt oder indirekt beschädigt worden. 173 Krankenhäuser seien nicht mehr zu retten.

Trotz immer häufigerer Strom- und Wasserausfälle werde "auf den Intensivstationen weitergearbeitet", zum Teil auch unter der Erde, so Celestine Schorlemer von 'Ärzte ohne Grenzen'.

28.11.2022 | 05:02 min
Der Bericht wirft Russland vor, das ukrainische Gesundheitswesen vorsätzlich und wahllos attackiert zu haben. Der Bericht definiert Attacken nicht bloß als Waffengewalt, sondern umfasst auch Bedrohungen, die darauf ausgerichtet waren, Ärzte dazu zu zwingen, in besetzten Gebieten weiter zu arbeiten.

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
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Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.

Analyse: Keine Zufälle sondern Muster

Aus der Stadt Cherson berichteten Anwohner, die Russen hätten bei ihrem Rückzug die meisten Krankenwagen mitgenommen. Bei der Einnahme Mariupols übernahmen die russischen Streitkräfte das letzte noch funktionierende Krankenhaus der Stadt. In Isjum durchschlugen Sprengsätze im März die Wände des Hauptkrankenhauses, zerfetzten die Verkabelung und zwangen Ärzte und Patienten in die Kellerräume. Das Jahr über sahen AP-Journalisten an unterschiedlichen Orten der Ukraine die Folgen von Angriffen auf Krankenhäuser, Rettungswagen und medizinisches Personal auch mit eigenen Augen.
Sie folgen bestimmten Mustern, und es sind diese Muster, die wichtig sind, nicht einmal die Zahl.
Pawlo Kowtoniuk, Denkfabrik Ukrainische Gesundheitsfürsorge
Das sagt Pawlo Kowtoniuk von der Denkfabrik Ukrainische Gesundheitsfürsorge, die zu den Gruppen gehört, die die Daten zu den Angriffen sammelten. Denn Muster bedeuteten, dass es sich wahrscheinlich um ein absichtliches Vorgehen, nicht um Zufälle oder Einzelfälle handele, sagt er.

Organisation sieht Paralellen zu Vorgehen in Syrien

Russland behauptet, die Ukraine habe ebenfalls Krankenhäuser in Gebieten angegriffen, die von den Truppen Moskaus besetzt gehalten werden oder wurden. Aber Kowtoniuk sagt, es gebe einen großen Unterschied zwischen der riesigen Zahl systematischer Angriffe, die dokumentiert worden sei - und dem, was er als Vorfälle beschrieb, die sich in einem Kampf ums Überleben im Zuge eines Krieges ereigneten.
Die internationale Menschenrechtsorganisation Physicians for Human Rights hat ausgedehnte Erfahrung in der Dokumentation von russischen Angriffen auf medizinische Einrichtungen in Syrien. Sie ist der Ansicht, der Krieg in der Ukraine stelle eine Fortsetzung der dort beobachteten Politik dar. Die Angriffe offenbarten ein ausgeprägtes Bewusstsein für die gesammelten Auswirkungen, die diese auf die Gesundheit der Zivilbevölkerung hätten, sagt Christian De Vos, Direktor für Forschung und Ermittlungen bei Physicians for Human Rights, der an dem Bericht beteiligt war.
Es ist Teil einer Destabilisierungstaktik, um Angst in der breiteren Bevölkerung zu säen.
Christian De Vos, Physicians for Human Rights
Kurzfristig haben die Angriffe viele Krankenhäuser gezwungen, zu schließen oder ihre Angebote stark zu reduzieren. In Isjum, das von ukrainischen Truppen im Herbst von den Besatzern befreit wurde, sind etwa 200 der vormals 500 Mitarbeiter wieder im Dienst.

HIV-Rate in Ukraine extrem hoch

So können Menschen, deren Arzneien während der sechsmonatigen Besatzung zur Neige gingen, ihre Vorräte dort wieder auffüllen - die Ukraine hat die zweithöchste Rate an HIV-Infektionen in Europa und Zentralasien und eine der höchsten Raten an medikamentenresistenter Tuberkulose. Doch seit dem russischen Einmarsch ist die Zahl der Menschen, die sich wegen dieser Erkrankungen behandeln lassen, stark zurückgegangen.
Dabei ist die Verfügbarkeit von Medikamenten dank zahlreicher Spenden nicht das Problem. Andrij Klepikow, der die Allianz für Öffentliche Gesundheit leitet, eine Organisation, die mit mobilen Kliniken Städte an den Frontlinien versorgt, lobt die Fähigkeit seines Landes, neu aufzuerstehen. Beim Gesundheitssystem gehe es nicht um Mauern, Gebäude oder gar Ausstattung. "Es geht um Menschen", sagt er. Er ist zuversichtlich:
Das ukrainische Militär ist bekannt für seine Stärke und Widerstandskraft, aber im Bereich der öffentlichen Gesundheit sind wir gleichermaßen stark und widerstandsfähig.
Andrij Klepikow, Leiter Allianz für Öffentliche Gesundheit
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Quelle: AP

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