: Oberst Wüstner: Bundeswehr steht "nackt" da

von Torben Schröder
20.01.2023 | 01:31 Uhr
Oberst André Wüstner kritisiert den Zustand der Bundeswehr bei "maybrit illner" mit harten Worten: Die Truppe stehe "nackt" da. Er fordert ein Handeln von der Politik.
Spät am Abend setzt Oberst André Wüstner zur Grundsatzkritik an. "Es ist noch nicht verstanden worden, dass wir in eine Art Kriegswirtschaft müssen", sagt der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes in der ZDF-Sendung "maybrit illner".
Ja, Deutschland unterstützt die Ukraine massiv und sollte das auch weiterhin tun, stellt Generalsekretär Kevin Kühnert (SPD) fest. Auch die mögliche Lieferung von Leopard-Panzern sei zu befürworten, findet die CDU-Außenpolitikerin Serap Güler. Aber wie sieht die Perspektive aus im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine?

Wüstner: Die Politik ist zu langsam

Wüstner rechnet damit, dass dieser auch in zwei Jahren noch nicht vorbei ist. Er wirbt intensiv dafür, die Rüstungskapazitäten hochzufahren. In der Bundeswehr sei man grundsätzlich überzeugt, der Ukraine helfen zu müssen. Aber: "Wir sind mehr oder weniger nackt." Wüstner betont:
Die Lage in der Bundeswehr ist prekär, sie ist so schwierig wie noch nie zuvor.
André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands

Nach den Statements des deutschen und des US-amerikanischen Verteidigungsministers schätzt Oberst a.D. Richter das weitere Vorgehen der Nato-Partner bei Waffenlieferungen ein.

19.01.2023
Und: "Alles, was wir abgeben, muss endlich wieder neu zugeliefert werden. Da fehlen Verträge, da ist Politik zu langsam."
Kühnert wirft die Frage ein, wie es in der Bevölkerung ankommt, einerseits von der aus Russland Richtung Deutschland gerichteten Aggressivität und andererseits von sich leerenden deutschen Waffendepots zu hören.
Güler bemängelt, dass die Hauptfrage nach der geopolitischen Dimension nicht gestellt werde: "Was passiert, wenn die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnt?"

Leopard-Panzer als Wunderwaffe?

Beim Verteidigungsminister-Treffen in Ramstein am Freitag müsse daher neben den Lieferungen - am besten auch von Kampfpanzern im Verbund - das Hochfahren der Kapazitäten der Rüstungsindustrie eine wichtige Rolle spielen, fordert Güler. Zumal, wie Kühnert anmerkt, der Leopard-Panzer "auch nicht die Wunderwaffe ist, die den Krieg entscheiden wird".
"Nein, das ist kein Game-Changer", pflichtet der Militärexperte Carlo Masala bei. Masala blickt auf das Tempo bei der Einrichtung von LNG-Terminals. In militärischen Fragen aber agiere die Bundesrepublik wie in Friedenszeiten. Es sei versäumt worden, Gespräche mit der Industrie zu führen und Verträge abzuschließen.
Verteidigungspolitisch haben wir keine Zeitenwende.
Carlo Masala
Zwar liefere Deutschland viel, aber das komme so kaum rüber: "Das Problem ist, dass vom Tag eins an die strategische Kommunikation dieser Regierung grottenschlecht ist."

Ziele Deutschlands in der Ukraine unklar

"Mir ist immer noch nicht klar: Was ist das Ziel und das Interesse Deutschlands in diesem Krieg?", sagt die "Zeit"-Journalistin Anna Sauerbrey. Russland ganz aus der Ukraine herausdrängen oder eine neue Kontaktlinie nach Friedensschluss?
Kühnert spricht sich für Ersteres aus, weil es den Zielen der Ukraine entspricht. Doch wenn die Konferenz in Ramstein schief geht, "haben wir einen Scherbenhaufen in der Allianz und Putin wird sich die Hände reiben", sagt der Publizist Thomas Kleine-Brockhoff. Es brauche Lieferungen, die eine Frühjahrsoffensive der Ukraine ermöglichen.

Brockhoff: Signal an Putin senden

Es werde auch um die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie gehen. Und um die Verlässlichkeit deutscher Außenpolitik.
Deutschland darf nicht die Verhinderungsmacht sein.
Thomas Kleine-Brockhoff, Publizist
Der Westen müsse ein entschiedenes Signal an Putin senden, so Kleine-Brockhoff. Leopard-Panzer können dabei, wie Wüstner betont, nur ein Teil des großen Puzzles sein. "Und angenommen, wir gehen all in – was ist, wenn das nicht reicht? Das fehlt mir noch in der Debatte."

Kühnert: Pistorius habe "am besten in Profil gepasst"

Dass mit Pistorius nun keine Geschlechterparität mehr im Bundeskabinett herrscht, "tut uns weh", sagt Kühnert. Das bleibe das Ziel der Sozialdemokratie. Nun sei es um eine Einzelentscheidung gegangen: "Es ist der ausgewählt worden, der jetzt verfügbar war und am besten in das Profil gepasst hat."
Güler spricht von einem parteiübergreifend anerkannten, neuen Minister, der gute Voraussetzungen mitbringe. Auch wenn sie sich eine Frau gewünscht hätte.
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