: Israel: Kabinett will Waffenrecht lockern

29.01.2023 | 10:24 Uhr
Nach den jüngsten Anschlägen in Ost-Jerusalem kündigt die israelische Regierung harte Maßnahmen an. Unter anderem sollen Zivilisten leichter an Waffenscheine kommen.
Nach zwei Terroranschlägen am Freitagabend und Samstagvormittag mit sieben Toten und mehreren Verletzten hat Israel eine Reihe von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Unter anderem soll die Erteilung von Waffenscheinen beschleunigt und ausgeweitet werden, "um Tausenden von zusätzlichen Bürgern das Tragen von Waffen zu ermöglichen", heißt es in einer am Sonntagmorgen veröffentlichten Erklärung des israelischen Sicherheitskabinetts.
Der rechtsextreme Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben Gvir, sagte vor den Beratungen des Sicherheitskabinetts:
Wenn Zivilisten Waffen haben, können sie sich verteidigen.
Itamar Ben Gvir, Minister für Innere Sicherheit
Ferner sollen Familien von Terroristen, die den Terrorismus unterstützen, die Ansprüche auf Sozialversicherung sowie weitere Leistungen entzogen werden. An einer Regierungssitzung am Sonntag solle zudem über einen Gesetzentwurf diskutiert werden, der vorsehe, den betreffenden Angehörigen ihre israelischen Ausweise zu entziehen.

Netanjahu: "Sind auf jedes Szenario vorbereitet"

Das Sicherheitskabinett kündigte im Anschluss an seine Sitzung von Samstagnacht zudem an, das Haus des Attentäters von Jerusalem umgehend zu versiegeln, bevor es abgerissen werde.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will noch diese Woche Maßnahmen zur Stärkung der Siedlungspolitik vorlegen. Ferner sollen die Sicherheitskräfte verstärkt, mehr Verhaftungen sowie Aktionen gegen illegale Waffen durchgeführt werden, so die Erklärung.
Wir streben keine Eskalation an, aber wir sind auf jedes Szenario vorbereitet.
Benjamin Netanjahu, israelischer Ministerpräsident
Nach dem Anschlag mit sieben Toten in einer Synagoge in Jerusalem hatte nach Angaben der israelischen Polizei am Samstag ein weiterer Angreifer in der Stadt zwei Menschen durch Schüsse verletzt. Ein Polizeisprecher bezeichnete den Vorfall, der sich in einem Palästinenser-Viertel in Ost-Jerusalem ereignete, als "Terroranschlag".
Die Terrororganisation Hamas rechtfertigte den Anschlag vor der Synagoge mit einer israelischen Razzia im Flüchtlingslager Dschenin. Dabei wurden am Donnerstag mindestens neun Palästinenser getötet, darunter acht bewaffnete Kämpfer und mindestens eine Zivilistin.

Ringen um geteiltes Jerusalem

Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich bei dem Attentäter vom Freitag in der israelischen Siedlung Neve Yaakov um einen 21-Jährigen aus Ost-Jerusalem. Er wurde auf der Flucht erschossen. Die Polizei nahm mindestens 42 Verdächtige - Verwandte und Nachbarn des Attentäters - fest. Was ihnen zur Last gelegt wird, war zunächst nicht bekannt.
Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. Neve Yaakov ist eine von mehreren jüdischen Siedlungen auf dem Gebiet von Ost-Jerusalem, die völkerrechtlich als illegal angesehen werden.
[Welcher Staat für die Palästinenser? Eine arte-Dokumentation geht dem nach]

Netanjahu: Gesetz nicht selbst in die Hand nehmen

Netanjahu forderte seine Landsleute erneut dazu auf, das Gesetz nicht selbst in die Hand zu nehmen, sondern die Armee, die Regierung und die Sicherheitskräfte ihre Arbeit machen zu lassen. Itamar Ben-Gvir hatte zuvor verlangt, Bürger "besser zu bewaffnen, um solche Anschläge zu vermeiden".
Ben-Gvir gilt als politischer Brandstifter und wurde bereits wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt.
Gegen die neue ultrarechte Regierung und ihre geplante Reformen im Justizsystem protestierten am Samstagabend wieder Zehntausende Menschen im ganzen Land. Demonstranten zündeten dabei zum Gedenken an die Terror-Opfer Kerzen an. Zudem hielten sie eine Schweigeminute für die Getöteten. Einige Beobachter warnen angesichts der geplanten Reform vor einem Ende der israelischen Demokratie.
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Quelle: dpa, Reuters, AFP, KNA

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