: Kindergrundsicherung: Streit "Armutszeugnis"

04.03.2023 | 19:17 Uhr
Die Bundesregierung streitet um die Kindergrundsicherung. Der Präsident des Kinderschutzbundes Heinz Hilgers findet dabei die Rechnung von Finanzminister Lindner "zynisch".
Der Deutsche Kinderschutzbund mahnt vor der Kabinettsklausur der Ampel-Koalition auf Schloss Meseberg zur Eile bei der geplanten Kindergrundsicherung. Die Bundesregierung muss sich "schleunigst über ein gutes Modell der Kindergrundsicherung einigen, das sicherstellt, dass alle Familien das Existenzminimum haben für ihre Kinder", so der Präsident Heinz Hilger im ZDF.
Die Finanzierung der Kindergrundsicherung sei wichtig für die Zukunft Deutschlands. Insbesondere arme Kinder hätten im Bildungssystem keine Chance, so Hilgers, der auch für die SPD aktiv ist.
Die Kinderarmut von heute ist der Fachkräftemangel von morgen. Und der Fachkräftemangel von heute war die Kinderarmut von gestern.
Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes
Dass Deutschland ein so reiches Land sei, aber gleichzeitig eine so hohe Kinderarmut habe, sei ein "großes Armutszeugnis", so Hilgers. Er schätzt, dass je nach Statistik rund 25 Prozent der Kinder in Deutschland in Armut leben.

Paus: Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag festgeschrieben

Im Gästehaus der Bundesregierung will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ab Sonntag über mehrere strittige Themen sprechen, darunter auch die Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne).
Sie ist das wichtigste sozialpolitische Vorhaben dieser Regierung.
Lisa Paus, Familienministerin
Im Koalitionsvertrag sei festgeschrieben, die Kindergrundsicherung einzuführen: "Daran wird sich die Koalition messen lassen müssen", unterstrich die Familienministerin gegenüber "Welt am Sonntag".

Das beinhaltet der Vorschlag der Kindergrundsicherung

  • Ziel der Kindergrundsicherung ist, mehr Geld an Bedürftige auszuzahlen.
  • Außerdem sollen auch mehr Familien von der Unterstützung profitieren.
  • Den Vorschlag dazu hat Familienministerin Lisa Paus (Grüne) eingebracht.
  • Das bislang ausgezahlte Kindergeld soll damit der Vergangenheit angehören.
  • Stattdessen ist ein einkommensunabhängiger Garantiebetrag in gleicher Höhe geplant.
  • Für einkommensschwache Familien soll es einen Zusatzbetrag geben.
  • Alle Familienleistungen sollen gebündelt und digital beantragt werden können.
  • Finanzminister Christian Lindner (FDP) kritisiert den Vorschlag von Paus.

Lindner rechnet mit weniger Kosten als Familienministerin Paus

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 diverse Familienleistungen bündeln: vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit. In der Ampel-Koalition waren die Meinungen über die Reform zuletzt auseinandergegangen - etwa auch über die Höhe der Leistung.
Während Paus bei dem von ihr vorgelegten Konzept von Kosten in Höhe von zwölf Milliarden Euro ausgeht, rechnet Bundesfinanzminister Christian Lindner mit weniger Kosten für die Einführung.
In der Ampel-Koalition sei es unstrittig, dass es ein einfaches, digitales Verfahren geben solle, damit Familien das erhielten, was ihnen zustehe. "Ich rechne damit, dass hierfür zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt in einstelliger Milliardenhöhe benötigt werden", sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Ich finde das schrecklich", kritisiert Hilgers vom Kinderschutzbund. Die Bundesregierung und Finanzminister Christian Lindner hätten unter anderem bei den Einmalzahlungen viel Geld ausgegeben. "Auch sehr reiche Menschen haben sehr viel bekommen."
Ausgerechnet, wenn es um arme Kinder geht, da sagt er Stopp.
Heinz Hilgers, Kinderschutzbund-Präsident
Paus' Vorschlag zur Kindergrundsicherung hingegen findet er inhaltlich prinzipiell gut:
Also wir haben ja noch keine Zahlen über die Höhe, aber vom System her geht das in die richtige Richtung.
Heinz Hilgers, Kinderschutzbund-Präsident
Derzeit nehmen viele Familien die bereits bestehenden Unterstützungen nicht an, obwohl sie ihnen zustehen. Der Kinderzuschlag erreicht laut Hilgers nur ein Drittel der Familien und auch andere Möglichkeiten wie das Bildungs- und Teilnahmepaket würden nur von wenigen Familien in Anspruch genommen. "Das ist doch blanker Zynismus sich hinzustellen und sich zu freuen, als Finanzminister, dass nicht alle das in Anspruch nehmen", urteilt er.

Kinderhilfswerk warnt vor "Mogelpackung"

Unterdessen warnt der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, vor einer "Mogelpackung" bei der geplanten Kindergrundsicherung. Die Höhe der Leistung müsse das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben von Kindern und Jugendlichen abdecken, sagte Krüger der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Das wird mehr Geld kosten als bisher." Krüger verwies auf das durch die UN-Kinderrechtskonvention garantierte Recht auf soziale Sicherheit.
Zugleich sind Mehrkosten bei der Kindergrundsicherung eine notwendige Investition des Staates in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks
Es sei die Aufgabe des Staates, allen Kindern die für ihr gutes Aufwachsen notwendigen finanziellen Mittel zukommen zu lassen. Dabei dürfe es keine "faulen Kompromisse" geben.
Quelle: ZDF, dpa, epd

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