: Schulleiterin: Kinder "verrohen" durch TikTok

von Pierre Winkler
05.05.2023 | 00:59 Uhr
Videos von Gewalttaten Jugendlicher machen immer mehr die Runde - auch auf Schulhöfen, berichtet eine Lehrerin bei "Lanz". CDU-Politikerin Prien will gegen die App TikTok vorgehen.

Sehen Sie hier die ganze Debatte bei Markus Lanz vom 4. Mai.

04.05.2023 | 75:38 min
Freudenberg und Heide - zwei besonders schlimme Fälle jugendlicher Gewalt haben in den vergangenen Monaten Deutschland aufgeschreckt. Beide Male spielte offenbar die Videoplattform TikTok eine Rolle. Jetzt werden Stimmen lauter, die ein härteres Vorgehen gegen die App fordern.

Prien fordert Debatte über TikTok

"Wenn in Amerika tatsächlich eine Debatte über ein Verbot von TikTok geführt wird, dann sollten wir zumindest eine Debatte darüber führen", sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) am Donnerstagabend bei Markus Lanz.
Ob es ein generelles Verbot oder eine zeitweise Abschaltung der App nach schwerwiegenden Fällen, "in denen man die Notbremse zieht": "Ich finde, die Debatte müssen wir dringend in Deutschland führen. Wir führen sie nicht", sagte Prien in der ZDF-Sendung.

Prien kritisiert Innenministerin Faeser

Die CDU-Politikerin griff in diesem Zusammenhang Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an: "Frau Faeser ist ja auch dazu befragt worden. Sie hat sehr schnell gesagt: 'Nein, das machen wir in Deutschland nicht'. Mit dem Argument: Na ja, keine Zensur und Meinungsfreiheit. Aber ich glaube, das hilft uns in der Debatte, wenn es um Kinder- und Jugendschutz geht, überhaupt nicht."
Faeser hatte gesagt, sie sehe in Deutschland keine Grundlage für ein Verbot. Derweil ist im US-Kongress ein Gesetz in Arbeit, das Präsident Joe Biden die Vollmachten für ein komplettes Verbot der App geben könnte. Dabei geht es vor allem um Fragen der Datensicherheit, weil TikTok zum aus China stammenden Bytedance-Konzern gehört.

Aus amerikanischer Sicht bedrohe Tiktok das US-Monopol bei Sozialen Medien, sagt Digitalexperte Markus Beckedahl.

24.03.2023 | 03:47 min

Gewalt gefilmt und auf TikTok verbreitet

Prien will TikTok in Deutschland aber eben auf Grundlage des Jugendschutzes möglicherweise einschränken. Bei der Tat in Freudenberg, an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, als zwei Mitschülerinnen die zwölfjährige Luise mit Messerstichen töteten, soll Berichten zufolge Mobbing über TikTok eine Rolle gespielt haben.
Und im schleswig-holsteinischen Heide schlugen und demütigten mehrere Mädchen im Alter von etwa 13 bis 17 Jahren eine 13-Jährige und machten davon ein Video, das sich vor allem über TikTok verbreitete.

Pädagogin beschreibt "Verrohung" von Kindern

Die Pädagogin Silke Müller, Leiterin der Waldschule Hatten im Landkreis Oldenburg, bestätigte aus ihrer Erfahrung vor Ort die Gefahren einer App wie TikTok. Dort würden Kinder und Jugendliche mit schockierenden Videos konfrontiert.
Ich spreche von Folter, das heißt Kastration eines Mannes, die nicht im OP-Saal stattfindet.
Silke Müller, Leiterin einer Waldschule
Sie spreche zudem "von 12-jährigen, 13-jährigen, 14-jährigen Kindern", die "völlig unvorbereitet" auf diese Bilder träfen.
Dabei beobachte sie eine zunehmende "Verrohung" der Kinder, "weil sie möglicherweise kaum noch Empathie spüren, wenn sie nicht selber betroffen sind". Es sei "total erschreckend", was sich "Kinder bis zum Ende anschauen können".

Prien für Absenkung der Strafmündigkeits-Grenze

Abgesehen von einem härteren Durchgreifen des Staates gegen TikTok brachte Prien auch eine Absenkung der Strafmündigkeits-Grenze in bestimmten Fällen ins Spiel.
"Bei Freudenberg ist es so gewesen, dass man im Nachhinein festgestellt hat, dass die beiden Täterinnen vorher gegoogelt haben, wie das mit der Strafmündigkeit aussieht", sagte sie.
Ich finde, das ist echt krass.
Karin Prien, CDU

Prien: Einzelfälle angucken

Prien forderte eine Analyse, "ob es nicht sinnvoll ist, sich im Einzelfall anzugucken, ob Jugendliche strafmündig sind, auch unterhalb der Grenze von 14 Jahren" und sprach von "pädagogischen Maßnahmen möglicherweise auch im strafrechtlichen Kontext".
Dabei müsse man vor allem "bei den 12- bis 14-Jährigen etwas genauer hinschauen". Wichtig sei Prien jedoch: "Natürlich rede ich nicht davon, Jugendliche ins Gefängnis zu stecken, damit sie da nicht wieder rauskommen", sagte sie.
Wir werden das sicherlich nicht nur mit dem Strafrecht lösen können.
Karin Prien, Bildungsministerin Schleswig-Holstein

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