: Erpresst die "Letzte Generation" die Städte?

17.03.2023 | 10:44 Uhr
Mit Briefen und Ultimaten droht die "Letzte Generation" Städten mit neuen Protestaktionen - sollten ihre Klimaforderungen nicht unterstützt werden. Ist das Erpressung oder legitim?
Droht einigen Städten: KlimaprotestQuelle: dpa
Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben in Briefen diversen Städten Ultimaten gestellt. Wer weitere Straßenblockaden mit festgeklebten Aktivisten vermeiden will, soll sich öffentlich hinter ihre Ziele für eine radikale Klimawende stellen. Einige Städte reagierten empört, so etwa Hamburg, Berlin und Köln.
Ihnen droht die Gruppe mit "maximaler Störung der öffentlichen Ordnung". Andere verhandelten mit den jungen Leuten und erreichten einen Proteststopp. Darf man das? Oder macht sich der Staat erpressbar?

Aktivisten und Regierende hatten sich zuletzt geeinigt, dass unter anderem in Tübingen keine Aktionen mehr stattfinden werden.

15.03.2023 | 01:53 min

Grünen-Bürgermeister unterstützt Forderungen der "Letzten Generation"

"Bei einer Erpressung müsste man ja etwas tun, was einem widerstrebt, was der eigenen Position widerstrebt oder zum eigenen Schaden führt, und all das ist hier nicht der Fall", sagte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) Anfang März in der ARD.
Wir haben hier einen gemeinsamen Nenner, und der heißt Klimaschutz.
Belit Onay, Oberbürgermeister Hannover
Onay war der erste, der einen Deal mit der "Letzten Generation" einging und ihre Forderungen in einem Brief an die Bundestagsfraktionen aufnahm. Nun hat die Stadt wieder Ruhe vor den "Klimaklebern" - Marburg und Tübingen folgten.

Bevölkerung begrüßt teils Deals mit Klimaaktivisten

Vereinbarungen zwischen Städten und den Klimaaktivisten werden auch zu Teilen in der Bevölkerung unterstützt. So begrüßen 55 Prozent der Befragten im aktuellen ZDF-Politbarometer solche Einigungen, 41 Prozent halten sie für nicht richtig.
Politbarometer vom 17.03.2023 zu Deals von Städten mit Klima-Aktivisten der "Letzten Generation"Quelle: ZDF
Nach Angaben der Klimagruppe laufen mit weiteren Kommunen Gespräche. Erstmals sitzen die Aktivisten nicht nur bei Sturm, Regen oder Sonnenschein mit festgeklebten Händen an Kreuzungen oder Autobahnauffahrten, sondern am Tisch politischer Entscheider.
Auf Twitter schreibt die Gruppe dazu: "Es ist erfreulich, dass immer mehr Politiker:innen, unabhängig von der Bewertung unserer Protestform, verstehen, dass unsere inhaltlichen Anliegen von existenzieller Wichtigkeit sind und wir für das Gemeinwohl protestieren."
Tweet der "Letzten Generation"

Städtebund lehnt Verhandlungen mit "Letzter Generation" ab

Viele sind trotzdem von den Störungen der "Letzten Generation" genervt. Eine Farbattacke auf das Grundgesetz-Kunstwerk in Berlin brachte ihnen zuletzt sogar einen Vergleich mit den Taliban ein. Wenn sie für Ende April zu "Widerstand in Berlin" aufrufen, ächzen manche schon jetzt.
Bundesjustizminister Marco Buschmann lehnt Verhandlungen ab, auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, hält nichts davon.
Regelmäßig handelt es sich bei dem Vorgehen um Straftaten wie Nötigung, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Sachbeschädigungen.
Gerd Landsberg, Deutscher Städte- und Gemeindebund
Es sei "nicht üblich, dass man Straftäterinnen oder Straftätern durch politische Zusagen entgegenkommt", sagte Landsberg.

Rechtsexperte: Aktivisten-Forderungen keine Erpressung oder Nötigung

Also, lässt sich die Politik erpressen? Der Erfurter Rechtsprofessor Tim Wihl winkt ab. Um Erpressung handele es sich nicht, weil dies eine Geldforderung voraussetze, sagte Wihl. Auch eine Nötigung der Stadtoberen sieht er nicht in den Straßenblockaden - oder der Drohung damit.

Sie setzen auf Provokation: Die "Letzte Generation" will die Politik mit ihren radikalen Aktionen zu mehr Klimaschutz bewegen. Doch diese will sich nicht zwingen lassen.

12.03.2023
Zum einen sei der ausgeübte Druck nicht so groß, dass Oberbürgermeister auf Forderungen eingehen müssten. "Das ist immer noch eine freie Entscheidung", sagte Wihl. Zum anderen sei es "fraglich, ob das Mittel verwerflich ist". Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den 1980er und 1990er Jahren sei klar: "Auch robuste Blockadeaktionen fallen unter das Versammlungsrecht."
Andere Juristen sehen das sehr anders - die Staatsanwaltschaft Hamburg wertete den Brief der Aktivisten an die Stadt als mögliche Nötigung von Verfassungsorganen. Gerichte im ganzen Land haben "Klimakleber" wegen Nötigung verurteilt. Wihl sagt: Abwarten. Das letzte Wort habe das Bundesverfassungsgericht.
Quelle: Schmitt-Roschmann, dpa

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