FAQ

: Das steckt hinter der "Reichsbürger"-Razzia

22.03.2023 | 15:13 Uhr
Wieder eine Razzia bei "Reichsbürgern", ein Polizist wird durch Schüsse verletzt: Wie radikal ist die Szene - und wie gewaltbereit?
Bei einer Durchsuchung in der "Reichsbürger"-Szene am Mittwoch wurde ein Polizist durch einen Schuss verletzt. Bereits im Oktober wurden bei einer der größten Razzien mehrere Reichsbürger festgenommen. Wie hängen die Ereignisse zusammen, was steckt hinter dem Begriff "Reichsbürger" und wie gehen die Sicherheitsbehörden vor? Ein Überblick:

Wie hängen die Razzien im Dezember 2022 mit den Durchsuchungen jetzt zusammen?

Mobiltelefone, Festplatten oder schriftliche Unterlagen - die Gegenstände, die bei den Razzien im Dezember sichergestellt wurden, seien wahrscheinlich ausgewertet worden, sagt ZDF-Rechtsexperte Christoph Schneider. "Da werden sich neue Indizien ergeben haben. Indizien, die dazu führen, dass weitere Ermittlungen nötig sind." Deshalb wurde dann am Mittwoch unter anderem die Wohnung eines Mannes in Reutlingen durchsucht.
Er wurde zunächst nicht als Tatverdächtiger eingeordnet, sondern im Zusammenhang mit der "Reichsbürger"-Szene als jemand mit einer Waffenerlaubnis. Das ist seit diesem Mittwoch anders: Jetzt wird er verdächtigt, bei der Durchsuchung auf einen Polizisten geschossen zu haben.

Welche Konsequenzen drohen den "Reichsbürgern" und dem Tatverdächtigen?

Bei den Durchsuchungen im Dezember waren 25 Personen festgenommen worden, gegen 30 wird ermittelt, am Mittwoch sind fünf weitere Beschuldigte hinzugekommen. Einigen von ihnen droht unter anderem eine Anklage wegen einer schweren staatsgefährdenden Straftat, erläutert Rechtsexperte Schneider. Das ist ein Strafrahmen, der im oberen Bereich angesiedelt ist.
Dem seit Mittwoch Tatverdächtigen drohe eine Anklage wegen versuchten Mordes, weil er auf einen Polizeibeamten geschossen haben soll. Das kann mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden, ordnet Schneider ein.

Welchem Gedankengut hängen Reichsbürger und ähnliche Gruppierungen an?

Rechtsextremismus-Forscher Miro Dittrich spricht bei ZDFheute live von einem "verschwörungsideologischen Souveränismus" - darunter fielen "Reichsbürger" und sogenannte Selbstverwalter; auch zur Q-Anon-Bewegung gebe es Verbindungen. Es handele sich aber um eine Ansammlung unterschiedlicher Erzählungen, die unterschiedlich stark geglaubt werden. "Es eint sie die Idee, Deutschland wäre kein souveräner Staat."
Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft vom Februar umfasst die Szene der "Reichsbürger" 23.000 Menschen in Deutschland, Experte Dittrich schätzt die Die Zahlen, der Sicherheitsbehörden, aber als deutlich zu gering ein.

An welchem Punkt der Radikalisierung ist die Szene?

"Wir stehen auf jeden Fall am Ende dieser Radikalisierung", sagt Dittrich. "Nach einer großen Wachstumsphase während der Corona-Pandemie, bei der sie dachten, jetzt ändert sich alles, jetzt gäbe es den großen Volksaufstand, der nicht eingetreten ist, sind sie sehr frustriert."
Der harte Kern denke nun, er müsse gewaltvoll handeln, um eine externe Bedrohung zu bekämpfen. Diese vermeintliche Bedrohung kann laut Dittrich variieren, einige glaubten beispielsweise an die Auslöschung der Deutschen.

Wie hoch ist die Gewaltbereitschaft in der "Reichsbürger"-Szene?

"Die Gewaltbereitschaft ist auf jeden Fall relativ hoch", so Dittrich. ZDF-Rechtsexperte Schneider zufolge gehen die Ermittler davon aus, dass die im Dezember und am Mittwoch durchsuchte Gruppe bereit ist, Waffen einzusetzen, um die bundesrepublikanische Ordnung zu zerstören.

Sie glauben an eine Verschwörung und lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab. Doch wer sind die "Reichsbürger" wirklich und welche Gefahr geht von ihnen aus? Diesen Fragen geht ZDF-Hauptstadtstudioleiter Theo Koll nach.

21.03.2023 | 09:12 min

Wie gehen die Sicherheitsbehörden vor?

Die Bundesanwaltschaft hat im Dezember die Ermittlungen gegen die Gruppe übernommen, weil die "Reichsbürger"-Szene den Erkenntnissen der Ermittler zufolge eine sogenannte staatsgefährdende Straftat begehen wollten, erklärt ZDF-Rechtsexperte Schneider. Konkret heiße das, sie wollten die Bundesrepublik zum Umsturz bewegen.
Rechtsextremismus-Forscher Dittrich kritisiert aber:
Die Sicherheitsbehörden haben das Thema leider sehr lange verschlafen. Was dazu geführt hat, dass sie tatsächlich sehr groß werden konnten.
Miro Dittrich, Rechtsextremismus-Forscher
Es seien schon vor mehreren Jahren Polizisten oder Gerichtsvollzieher angegriffen worden - auch mit Schusswaffen. "Das BKA hat sich des Themas aber erst angenommen, als 2016 ein Polizist erschossen wurde." Und auch in der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten spiele das Thema laut Dittrich keine Rolle.
Außerdem wünscht sich Dittrich mehr Beobachtung im Internet. "'Reichsbürger' können sich sehr frei im Internet ausbreiten." Viele ihrer Aussagen seien nicht strafbar, es gebe aber in diesem Milieu eine rechtsterroristische Bedrohung.

Wie geht es nun weiter?

Dittrich rechnet damit, dass mehr dieser Gruppen entdeckt werden, wenn das Milieu jetzt besser von den Sicherheitsbehörden im Blick ist. "Ich glaube nicht, dass das jetzt die letzte Gruppe war, mit der sich die Sicherheitsbehörden beschäftigen werden."

Die Razzia gegen Prinz Reuß und sein "Reichsbürger"-Netzwerk

21.12.2022 | 17:07 min
Quelle: ZDF

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