: Südamerika im Ölrausch

von Tobias Käufer, Buenos Aires
28.12.2022 | 05:00 Uhr
Ölfunde in Brasilien, Milliardenprojekte in Argentinien und eine Annäherung Venezuelas an die USA: Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen rückt in Südamerika in weite Ferne.
Das brasilianische Unternehmen Petrobas betreibt auch eine Ölplattform vor der Küste von Rio de Janeiro.Quelle: reuters
Die Nachrichten für den brasilianischen Arbeitsmarkt klingen vielversprechend: Der Verband der brasilianischen Erdöldienstleister (Abespetro) erwartet laut lokalen Medienberichten 500.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Bereich der Erdöl- und Erdgasförderung bis zum Jahr 2025.
Sie sollen vor allem in der Region Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro entstehen - jetzt schon eines der wichtigsten Zentren der Branche. Die Zahl der Arbeitsplätze würde sich demnach mehr als verdoppeln.

Neue Investitionen in Erdöl und Erdgas

Brasiliens neuer Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte bereits angekündigt, sowohl in den Ausbau erneuerbarer Energien als auch in die Förderung der fossilen Brennstoffe Erdöl und Erdgas zu investieren.
Im Moment ist mit der Ölförderung viel Geld zu verdienen, es ist aber nicht klar, wie lange dieser neue Zyklus dauern wird.
Eduardo Costa Pinto, Wirtschaftswissenschaftler
Die neue Regierung könnte auch von neuen Ölfunden durch den halbstaatlichen Konzern Petrobras vor der Küste Brasiliens profitieren. Dem Portal "BNAmericas" sagte der Geologe Pedro Zalán zu einem vielversprechenden Offshore-Feld: "Die Entdeckung im Ölfeld Aram hatte bereits zwei Bohrungen mit sehr guten Ergebnissen. Ich glaube, es kann ein gigantisches Feld werden."
Damit steht die neue brasilianische Regierung vor einer schwierigen Richtungsentscheidung. Eigentlich hatte sich Lula da Silva im Wahlkampf und beim UN-Weltklimagipfel klar für den Klimaschutz ausgesprochen, dabei allerdings den Fokus auf eine Null-Abholzungsstrategie im Amazonas belassen.

Öl und Gas aus Südamerika statt aus Russland

Das Comeback des Erdöls in Südamerika hängt auch mit dem europäischen Ölembargo gegen Russland als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zusammen.
Politisch interessant ist die Entwicklung in Venezuela, wo es zwischen den USA und Venezuela nach jahrelanger Funkstille erste Annäherungen gibt.
Venezuela gilt als das ölreichste Land der Welt, doch die Erdölförderung ist wegen der Massenflucht von sieben Millionen Menschen, darunter auch viel Personal aus dem Ölgeschäft, zuletzt drastisch gesunken. Die Anlagen sind marode, immer wieder kommt es zu Unfällen mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Milliardeninvestitionen sind notwendig.

USA lockern Öl-Sanktionen gegen Venezuela

Doch im Zuge der Verhandlungen zwischen dem sozialistischen Machthaber Nicolas Maduro und der Opposition zur Lösung der innenpolitischen Krise, lockerten die USA zuletzt die Sanktionen gegen Venezuela. Die hatte Washington erlassen, weil es in Venezuela immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen kam.
Dass die Vereinigten Staaten Caracas Hilfe anbieten, ist ein Druckmittel, das auch dazu beitragen kann, politische Dinge in Venezuela zu bewegen.
Vladimir Rouvinski, Politikprofessor an der Universität Icesi in Cali, Kolumbien
Die USA erlaubten dem amerikanischen Ölkonzern Chevron in Venezuela jetzt die Arbeit wieder schrittweise aufzunehmen und hat damit einen Fuß in der Tür. Die USA erhoffen sich dabei Fortschritte mit Blick auf mögliche freie Wahlen in 2024, sagt Professor Vladimir Rouvinski von der Universität Icesi aus Cali (Kolumbien) im Gespräch mit ZDFheute.

Argentinien plant Mega-Hafen

Auch Argentinien setzt erst einmal auf den strategischen Ausbau von Erdöl- und Erdgasförderung. Der staatliche kontrollierte Ölkonzern YPF, einer der Hauptsponsoren des neuen Fußball-Weltmeisters Argentinien, plant in der Provinz Rio Negro einen Megahafen für den Ölexport zu bauen.
Der Umfang der Investitionen beträgt nach Angaben argentinischer Wirtschaftsmedien rund 1,2 Milliarden US Dollar. Das Projekt umfasst den Bau einer Pipeline zwischen dem Erdölfördergebiet "Vaca Muerta" im Landesinneren und dem Hafen von Punta Colorada de Sierra Grande.
Das dort geplante Mega-Seeterminal wird dann zum größten Ölexporthafen des Landes. In diesen Tagen haben die ersten Vorarbeiten mit der Vermessung der Topographie des Meeresbodens begonnen.

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