: Duzen oder Siezen in der Arbeitswelt?

von Jenna Busanny
15.04.2024 | 06:22 Uhr
Die Art der Ansprache ist im Wandel - in vielen Unternehmen hat sich mittlerweile eine Duz-Kultur etabliert. Laut Experten kann das Vorteile haben.
Die Art der Ansprache im Job ändert sich zunehmend - immer häufiger wird geduzt. Doch welche welche Ansprache ist angemessen in der Arbeitswelt?Quelle: obs
"Hallo, ich bin die Frau Schmidt" - in Deutschland ist das eine typische Art und Weise, sich anderen vorzustellen. Im Englischen hingegen wird in Vorstellungsrunden eher der Vorname genannt.
Mittlerweile sind es aber nicht mehr nur große amerikanische Unternehmen, die in Deutschland daraufsetzen, dass sich alle in der Firma duzen - vom Praktikanten bis zur CEO. Claudia Marbach, Expertin für Kommunikation und Organisation, erklärt:
Wir sind zunehmend im internationalen Kontext unterwegs, daher passen wir uns mehr und mehr an das Englische an.
Claudia Marbach, Expertin für Kommunikation und Organisation
Duzen schaffe Nähe und breche Hierarchien ein, erklärt die Expertin. "Warum also nicht durch Sprache Nähe schaffen?" Jede und jeder wolle auf eine Art und Weise Wertschätzung von anderen Menschen, sagt Marbach. Dazu gehöre auch, dass eine Chefin einem auf Augenhöhe begegnet.

Die Arbeitswelt verändert sich. Damit unterliegen auch die Arbeitsformen einem Wandel. Das kann Angst machen - und auch Fragen aufwerfen. Was hinter den Methoden steckt.

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Persönlichere Nähe durch Anrede

Die Hochschule Osnabrück hat sich des Themas in zwei Studien angenommen. Warum genau sich Unternehmen für eine Duz-Kultur entscheiden, sei "nicht ganz eindeutig". In dem Bericht heißt es:
Wahrscheinlich glauben die Verantwortlichen, dass sie durch eine Duz-Kultur den Bedürfnissen vieler Menschen entgegenkommen und sich so ein positiveres Image zulegen können.
aus dem Bericht "Siezen Sie noch oder duzt du schon?", Hochschule Osnabrück
Andere Unternehmen liefen vielleicht nur einem Trend hinterher, heißt es weiter.

Der Wink mit der Stellenanzeige

Wer wissen will, welche Kultur in einem potenziellen Unternehmen vorherrscht, schaut auf die Stellenanzeige. Hier werden mittlerweile Interessenten oft geduzt.

Die Hochschule Osnabrück stellt in ihren Studien heraus, dass Bewerber, die in der Stellenanzeige geduzt werden, den Eindruck haben, das Unternehmen sei moderner aufgestellt und würde mitarbeiterorientiert führen.

Beim Sie entstehe der Eindruck eines leistungsstarken Unternehmens, das Mitarbeitende aufgabenorientiert führt. Das Niveau der zu erwartenden Aufgaben schiene außerdem höher.

Im Arbeits- und Lebensalltag treffen unterschiedliche Generationen aufeinander. Auf der einen Seite die "Babyboomer", auf der anderen Seite die "Gen Z" mit ganz anderen Lebensvorstellungen. Jugendforscher Simon Schnetzer im Gespräch.

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Einen Trend, den Florian Becker von der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft positiv betrachtet. "In der Lehre ist es mir wichtig, eine Verbindung zu den Studierenden aufzubauen, übertriebene Hierarchie und Distanz abzubauen", sagt der Diplompsychologe, der viele Jahre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München forschte und lehrte. "Menschliche Nahbarkeit ist ein Treiber von Sympathie - und jede Beziehung profitiert von Sympathie."
Das Gleiche gelte in Unternehmen: Wer den Boss raushängen lässt, baue Distanz auf - und werde vermutlich kein ehrliches Feedback von seinen Angestellten bekommen.

Mit Duzen Hierarchien abbauen

Laut Becker sind Hierarchien eher hinderlich und nur dann wichtig, wenn Vorgesetzte nicht in der Lage sind, anderweitig wirksam zu führen - zum Beispiel durch Rhetorik, Vorbildverhalten oder inspirierendes Denken.
Claudia Marbach ist ähnlicher Meinung: "Hierarchien haben sich in vielen Unternehmen entspannt. Es geht mehr ums 'Wir', um Partnerschaftlichkeit. 'Wir' arbeiten zusammen und treffen gemeinsame Entscheidungen. Nicht eine Person bestimmt, wie weit, wie hoch, wie lange."

Wer darf wem das Du anbieten?

Nach alter Knigge-Tradition gibt es Regeln, wer wem das Du anbieten darf:

  • Ältere Menschen jüngeren Menschen
  • im privaten Umfeld: die Frau dem Mann - außer, der Mann ist wesentlich älter
  • im Berufsleben: Rang über Geschlecht - die hierarchisch höhergestellte Person bietet das Du an.

"In einer Geschäftssituation weiß man nicht immer, wer wie alt ist", sagt Claudia Marbach dazu. Wenn man jedoch füreinander Sympathie empfinde und ein partnerschaftliches Verhältnis habe, könne sich auch ein jüngerer Mensch trauen, das Du anzubieten, so die Expertin.

Wann duzen oder siezen?

Aber: Nicht jeder mag die Duz-Kultur - insbesondere, wenn sie aufgezwungen ist. In den Studien der Hochschule Osnabrück zeigte sich ein deutliches Ergebnis: Die mit großem Abstand stärkste Zustimmung findet ein Modell, bei dem der Arbeitgeber nicht vorgibt, ob sich alle duzen oder siezen.

Viele Erwerbstätige gehen bis 2036 in Rente: Der Fachkräftemangel verschaffe jungen Menschen viel Macht, sagt Gründerin Yaël Meier, die sich als Stimme der Gen Z versteht.

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Hat die Unternehmenskultur keine klaren Vorgaben, gilt es, die Situation zu betrachten und Fingerspitzengefühl zu zeigen. "Mehr zu duzen verlangt von uns mehr Empathie. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir zwischen den Zeilen lesen", sagt Psychologe Becker. Es gehe zum Beispiel um Kleidung, Körpersprache und Auftreten. Ist es eine formelle Veranstaltung, bei der alle Anzüge und Krawatten tragen, ist das Sie vielleicht angebrachter. Bei einem lockeren Grillfest auf dem Innenhof könnte wiederum das Du passend sein.
Starre Regeln sind in diesem Kontext eher schlecht. Ein gesunder Menschenverstand ist wichtig.
Dr. Florian Becker, Diplompsychologe
Wichtig: Wer das Du angeboten bekommt, sich damit aber unwohl fühlt, darf dies sagen. "Ich würde gerne beim Sie bleiben", darf man sagen, verrät Expertin Marbach. Ein schlechtes Gewissen müsse man deswegen nicht haben.
Quelle: dpa-Custom Content

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