: So wird Ratenkauf nicht zur Schuldenfalle

von Karen Grass
10.10.2023 | 16:16 Uhr
Die EU will mit einer neuen Richtlinie gegen Schuldenrisiken etwa beim Online-Shopping vorgehen. Was sich dadurch ändert und was man bei Ratenkäufen beachten sollte.

Auf Rechnung, auf Raten, Pay Later: Beim Shopping sammeln sich schnell hohe Schulden an. Vier Menschen zeigen ihren Weg aus den Schulden.

09.10.2023 | 24:23 min
Die EU hat die neue Verbraucherkreditrichtlinie verabschiedet. Was sich dröge und wenig klangvoll anhört, hat es in sich: So soll es auch für Zahlungsaufschübe und Ratenkredite unter 200 Euro zur Pflicht werden, die Zahlungsfähigkeit der Käufer*innen zu prüfen. Heißt konkret: Wer bei dieser Prüfung als nicht liquide durchfällt, kann etwa beim Online-Shopping das Wunschobjekt nicht auf Raten kaufen.
Damit sagt die EU der zunehmenden Verschuldung vor allem junger Konsument*innen durch Zahlungsmöglichkeiten wie Buy Now, Pay Later oder Ratenkauf den Kampf an.

Hohe Schulden durch Online-Shopping? Keine Seltenheit.

22.12.2021 | 16:29 min

Rund 30 Prozent mehr Ratenkredite als im Vorjahr

Verschuldung ist auch in Deutschland ein Problem. Eine Erhebung der Auskunftei Schufa zeigt: Verbraucher*innen in Deutschland haben 2022 rund 30 Prozent mehr Ratenkredite als im Vorjahr in Anspruch genommen - bei jungen Personen zwischen 20 und 24 Jahren betrug das Plus bei Kleinkrediten gegenüber dem Vorjahr sogar 58 Prozent.
"Ein großer Teil dieser Kredite umfasst eher kleinere Summen zum Beispiel beim Online-Shopping auf Raten", sagt Peter Norwood von der EU-Verbraucher-Organisation Finance Watch.
Dabei verliert man leicht den Überblick, weiß am Ende gar nicht mehr, wem man was schuldet und läuft dann in eine finanzielle Überforderung hinein.
Peter Norwood, Finance Watch

Fünf Warnzeichen für ein drohendes Schuldenproblem

Quelle: dpa
Wenn eine oder mehrere der folgenden Verhaltensweisen auf Sie zutreffen, könnte Ihre Budgetplanung eine Schieflage haben. Sie sollten sie überprüfen und eventuell anpassen:

  • Sie nutzen viel Ratenkauf / Pay Later. Vorsicht: Hier lauern teils hohe Zinsen und der Überblick geht schnell verloren.
  • Sie sind oft und über längere Zeit im Dispo. Achtung: Das Konto längerfristig zu überziehen, ist teuer und kann zu neuen Schulden führen.
  • Sie "pumpen" am Ende des Monats oft Friends & Family an: Darunter können persönliche Beziehungen leiden.
  • Sie nehmen für Alltagskonsum neue Kredite auf, um alte zu bedienen: Auch hier warten teils hohe Zinsen, und der Schuldenberg verschwindet nicht, sondern wächst eher noch, da das frische Geld zum Ausgeben verleiten kann.
  • Sie ignorieren Rechnungen/Mahnungen: Hier drohen hohe Mahngebühren und letztlich sogar eine Pfändung durch Gerichtsvollzieher*innen. Allerdings: Der notwendige Alltagsbedarf darf in der Regel nicht gepfändet werden.

Online-Shopping durch EU-Richtlinie etwas langsamer

Deshalb sei es ein großer Fortschritt, dass jetzt auch Kleinstkredite in die Regulierung durch die Richtlinie einbezogen würden. Durch die Richtlinie dürfte etwa Online-Shopping etwas weniger komfortabel und etwas langsamer werden - dafür aber womöglich etwas sicherer.

Die EU-Verbraucherkreditrichtlinie

Quelle: imago
Am 9. Oktober hat die EU die Verbraucherkreditrichtlinie final verabschiedet. Bis spätestens 2026 muss Deutschland sie umsetzen. Die wichtigsten Neuerungen:

  • Auch Buy Now, Pay Later und Ratenkaufkredite bis 200 Euro sollen künftig unter die Regulierung für Verbraucherkredite fallen; denn damit verschulden sich besonders viele junge Menschen.
  • Kosten und Risiken bei Krediten und Ratenkäufen müssen künftig gut erkennbar angegeben werden.
  • Für Kreditprodukte dürfen bestimmte irreführende Werbeversprechen nicht mehr verwendet werden.
  • Vor Kreditvergabe - also künftig auch beim Ratenkauf über kleinere Summen - muss die Rückzahlungsfähigkeit der Verbraucher*innen überprüft werden: So sollen wachsende Konsumschuldenberge vermieden werden.

Kein Schutz vor überzogenen Zinsen

Was hingegen nicht verpflichtend kommt, sind spezifische Zinsobergrenzen für verschiedene Kreditformen. Die hatten sich Verbraucherschützer*innen gewünscht, um Menschen vor überzogenen Zinskosten zu schützen.
Leider hat sich unter anderem Deutschland im Rat der Europäischen Union gegen solche Zinsobergrenzen eingesetzt und dafür gesorgt, dass sie jetzt nicht in allen Mitgliedstaaten eingeführt werden müssen.
Peter Norwood, Finance Watch
Deutschland muss die Richtlinie bis 2026 in nationales Recht umsetzen. Wie genau die praktische Umsetzung ausgestaltet werden soll, dass bei jedem Kauf mittels Buy Now, Pay Later die Zahlungsfähigkeit gecheckt werden soll, ist noch unsicher. Auch die EU-Richtlinie ist da noch relativ vage gehalten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert hierzu eine klare und verbraucherfreundliche Ausgestaltung, mit einer guten Balance zwischen Datenschutz und Schutz der Verbraucher*innen vor Überschuldung. 

Schulden sind ein Milliardengeschäft für Inkasso-Unternehmen. Jährlich bearbeiten sie mehr als 20 Millionen Mahnungen. Über die Hälfte aller Forderungen sind unberechtigt oder überteuert.

24.07.2020 | 44:33 min

"Ehrlicher Kassensturz" als Schutz vor Überschuldung

Wie kann sich in der Zwischenzeit jede*r einzelne vor Überschuldung schützen? "Ich empfehle dazu einen ehrlichen Kassensturz", sagt Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sprich: Ausrechnen, was man nach Abgang aller fixen Ausgaben im Monat wirklich für Anschaffungen übrig hat.
Ich sage Leuten in der Beratung oft: Legen Sie doch eine Monatsrate für den geplanten Kauf schon vorab beiseite, dann können Sie zu Beginn schon eine kleine Anzahlung machen.
Kerstin Föller, Verbraucherzentrale Hamburg
"Da höre ich dann ganz oft: Nein, das ist bei mir nicht drin", so Föller. Sie empfiehlt: Wenn das so sei, müsse man sich eingestehen, dass man sich den Ratenkauf nicht leisten kann.

Knapp sieben Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet – und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden die Zahl noch weiter massiv in die Höhe treiben.

01.07.2022 | 28:39 min

Tipp: Nur dringend Notwendiges auf Raten kaufen

Föller rät, nur unbedingt notwendige Dinge auf Raten zu kaufen.
Wenn ich etwas nicht unbedingt jetzt brauche, dann sollte ich auf das Produkt lieber sparen und es mir dann direkt kaufen.
Kerstin Föller, Verbraucherzentrale Hamburg
Das sei in den meisten Fällen günstiger, weil keine versteckten Zinskosten drohen, erläutert Föller.
Denn auch bei Null-Prozent-Finanzierungen sei Vorsicht geboten: "Oft gelten die günstigen Konditionen nur für eine gewisse Laufzeit und dann werden mir aber Ratensummen vorgeschlagen, die zu einer längeren Laufzeit mit dann höheren Zinsen führen, da muss man sehr aufpassen", so Föller.

Hacks der Verbraucherzentrale gegen hohes Schuldenrisiko

Quelle: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Wenn Sie überlegen, ein nicht unbedingt notwendiges Produkt auf Raten zu kaufen, prüfen Sie vorab Folgendes:

  • Habe ich die Ratensumme wirklich monatlich nach Abzug aller Fixkosten zur freien Verfügung?
  • Versuchen Sie vor Kauf, die benötigten Raten für zwei Monate beiseite zu legen, etwa auf ein Tagesgeldkonto, von dem Sie kein Geld für den Alltagskonsum abheben.
  • Wenn das nicht klappt, ist das womöglich ein klares Zeichen: Sie können sich den Ratenkauf nicht leisten.
  • Wenn das klappt, können Sie abwägen: Will ich das Produkt wirklich unbedingt zeitnah haben und auf Raten kaufen? Oder könnte ich die Raten weiter auf das Tagesgeldkonto abführen, bis die Kaufsumme beisammen ist?

Finanzielle Hilfe auch über die Kommune möglich

Ähnliches gelte, wenn der Vertrag gegen Ende der Laufzeit eine sogenannte Ballonrate vorsieht - also eine hohe Schlusstilgungsrate.
Ich sollte durchkalkulieren, ob ich diese Rate in dem Monat dann auch stemmen kann - sonst sprenge ich den Vertrag und es können plötzlich viel schlechtere Konditionen greifen.
Kerstin Föller, Verbraucherzentrale Hamburg
Föllers Tipp für alle, die zwar keinen Anspruch auf Bürgergeld haben, aber trotzdem mit der Finanzierung ihres Lebensunterhaltes kämpfen: Checken Sie, ob Sie von Ihrer Kommune Wohngeld oder Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen können.
Dabei ist etwa auch eine Beihilfe bei hohen Energiekostennachzahlungen oder bei der Anschaffung von notwendigen Haushaltsgegenständen möglich - ohne Zinsfalle.

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