: Die Erosion des FC Bayern München

von Maik Rosner
23.04.2023 | 10:33 Uhr
Während die entthronten Münchner im Meisterkampf wie gelähmt wirken, erhöht Oliver Kahn den Druck auf die Spieler weiter. Zugleich ringt der Vorstandschef um seine eigene Zukunft.
Oliver Kahn (Vorstandsvorsitzender FCB) mit Herbert Hainer(Präsident Bayern München). Quelle: imago
Am späten Sonnabend gab es nach der 1:3-Niederlage des FC Bayern in Mainz und dem Verlust der Tabellenführung an Borussia Dortmund noch eine dritte Nachricht des Tages. Verantwortlich für diese zeichnete Oliver Kahn, der Vorstandsvorsitzende der Münchner, durch sein ZDF-Interview, das im aktuellen sportstudio ausgestrahlt wurde.
Für mich gibt es nur ein einziges Ziel: Diese Saison rumzubringen, und zwar mit dem deutschen Meistertitel, und dann nächste Saison nochmal richtig anzugreifen.
Oliver Kahn, Vorstandschef FC Bayern
Der zuletzt immer mehr in die Kritik geratene Chef denkt demnach nicht an einen Rückzug. In der vergangenen Woche waren Gerüchte aufgekommen, dass im Verein bereits seine Absetzung erwogen werde.

Hainers Andeutung

Präsident Herbert Hainer, zugleich Vorsitzender jenes Aufsichtsrats, der den Vorstand bestellt und in dem auch sein immer noch mächtiger Freund Uli Hoeneß sitzt, sagte in Mainz: "Wir konzentrieren uns erst einmal auf die deutsche Meisterschaft. Das wird schwer genug." Und weiter: "Über alles andere reden wir dann später."
Nicht Tabellenführer zu sein zu diesem Zeitpunkt, das haben sie beim FC Bayern zuletzt vor elf Jahren erlebt, ehe der BVB kurz darauf letztmals Meister wurde. Die Münchner waren jüngst bereits im Viertelfinale des DFB-Pokals und der Champions League ausgeschieden. Nun droht ihnen auch noch ihr letztes Ziel Meistertitel zu entgleiten "wie Sand durch die Hände", so beschrieb es Trainer Thomas Tuchel.

Schlechteste Startbilanz eines Bayern-Trainers

Erst vor einem Monat war der 49-Jährige als Nachfolger des entlassenen Julian Nagelsmann verpflichtet worden. Nun blickt Tuchel nach nur zwei Siegen, drei Niederlagen und zwei Remis auf den schlechtesten Start eines Bayern-Trainers in der Vereinsgeschichte.
Das erzählt viel über die Dimension jener Erosion, die beim deutschen Rekordmeister gerade voranschreitet. Nichts und niemand scheint derzeit in der Lage zu sein, diesen erdrutschartigen Prozess aufzuhalten.

Müller fühlt sich angeknockt

"Meine Mannschaft wirkt ausgelaugt, alles wirkt schwer", sagte Tuchel. Sich aufzulehnen sei gerade nicht möglich. Tuchel weiter:
Wir können nicht mehr, zumindest im Moment können wir keine Reaktion zeigen, weder mental noch körperlich.
Thomas Tuchel, Trainer Bayern München
Wie Tuchel verwies auch Thomas Müller darauf, dass in den vergangenen Wochen beim FC Bayern sehr viel passiert sei, viele außersportliche Unruhen inklusive. Ob der aktuelle Zerfall der Mannschaft auch darauf zurückzuführen sei, das sei eine "interessante Frage, ich kann's nicht sagen", antwortete Müller, "wir sind auf jeden Fall angeknockt".
Kabinenkrach sorgt für zusätzliche Unruhe:

Kahns Forderung

Erschwerend kommt hinzu, dass sie beim FC Bayern aneinander vorbeireden. Wie ein Hilferuf wirkte all das, was die wie gelähmt agierenden Spieler und ihr ratloser Trainer von sich gaben. Zugleich erhöht Kahn den Druck auf die Mannschaft immer weiter.
Zum Schluss sind es elf Mann, die da auf dem Platz stehen und die sich für die Ziele dieses Klubs einfach den Hintern aufreißen müssen. Um das geht es im Fußball und um nichts anderes.
Oliver Kahn, Vorstandschef FC Bayern München
Auch noch den Meistertitel zu verpassen, "das wäre natürlich für uns alle eine Katastrophe".

Tuchel verordnet Abstand

Gesprochen worden sei genug, ergänzte Kahn. Sein Sportvorstand Hasan Salihamidzic ließ kurz darauf übrigens wissen, er wolle nun erst einmal Gespräche mit den Spielern und Tuchel führen.
Der Trainer hat der Mannschaft nun erst einmal Abstand verordnet und drei freie Tage. Das sei dringend nötig, um auf andere Gedanken zu kommen, befand Tuchel.

Müller sehnt sich nach Empathie und Wärme

Müller begrüßt diese Entscheidung. Aus ihm sprach die Sehnsucht nach Empathie und Wärme, die er in seinem Verein gerade offenbar nicht findet.
Man versuche nun alles "in der Woche zu verarbeiten und wieder neu anzugreifen", sagte Müller, aber davor "brauchen wir die Familien, die uns erstmal wieder aufpäppeln".

Das Restprogramm um Meisterschaft und Europapokal:

1. BAYERN MÜNCHEN (32 Spiele/89:34 Tore/68 Punkte)

RB Leipzig (H)

1. FC Köln (A)

2. BORUSSIA DORTMUND (32/78:42/67)

FC Augsburg (A)

FSV Mainz 05 (H)

3. RB LEIPZIG (32/57:38/60)

Bayern München (A)

Schalke 04 (H)

4. UNION BERLIN (32/48:34/59)

TSG Hoffenheim (A)

Werder Bremen (H)

5. SC FREIBURG (33/50:42/59)

Eintracht Frankfurt (A)

6. BAYER LEVERKUSEN (32/55:44/49)

Borussia Mönchengladbach (H)

VfL Bochum (A)

7. VFL WOLFSBURG (33/56:46/49)

Hertha BSC (H)

8. EINTRACHT FRANKFURT (32/54:49/46)

FC Schalke 04 (A)

SC Freiburg (H)

9. FSV MAINZ 05 (32/51:49/45)

VfB Stuttgart (H)

Borussia Dortmund (A)

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