: Frauenfußball "in den Herzen angekommen"

von Frank Hellmann
10.05.2023 | 17:49 Uhr
Der Frauenfußball ist in Deutschland stark im Kommen. Nicht nur bei den Vereinen hat sich viel getan. Der DFB will beim Thema vorangehen und hat dafür eine Strategie.
(V.r.n.l): Heike Ullrich, Bernd Neuendorf und Doris Fitschen am Mittwoch im DFB-CampusQuelle: dpa
Wen interessiert, wie einst eine vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) überreichte Prämie für den Gewinn der Europameisterschaft im Frauenfußball aussah, der wird neuerdings im Foyer auf dem DFB-Campus fündig. Neben dem Empfang steht bei einer Ausstellung jenes berühmte Kaffeeservice, das im Sommer 1989 als Anerkennung für den ersten Titel deutscher Fußballerinnen ausgehändigt wurde.
Auch Torwarthandschuhe von Silke Rottenberg oder das Trikot von Renate Lingor liegen stilecht hinter Plexiglas. An ihre Stelle sind längst Protagonistinnen wie Merle Frohms oder Alexandra Popp getreten, die in gut zwei Monaten zur WM in Australien und Neuseeland mit einem Titelanspruch fliegen.

DFB will bei Diversität und Weiblichkeit vorangehen

Hinter der Förderung des Frauenfußballs stand der DFB nicht immer voller Überzeugung. Das bis 1970 geltende Verbot des Frauenfußballs war kein Ruhmesblatt für den größten Einzelsportverband der Welt, der längst umgedacht hat. "Wir möchten bei Schwerpunktthemen wie Diversität und Weiblichkeit vorangehen", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Mittwoch.
Gemeinsam mit DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich und Koordinatorin Doris Fitschen zog Neuendorf im DFB-Campus eine erste Bilanz zur "Strategie Frauen im Fußball FF 27". Dabei geht es um vier Ziele: Die Nationalmannschaften und die Vereine sollen internationale Titel gewinnen. Die Anzahl von Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen soll sich um 25 Prozent erhöhen. Die mediale Reichweite des Frauenfußballs soll sich verdoppeln. Der Frauenanteil in Gremien und Führungsebenen soll mindestens 30 Prozent betragen. In all diesen Bereichen kommt der Verband dank diverser Projekte voran.

"Haben die Gesellschaft erreicht"

Vieles ist insbesondere durch die erfolgreiche Frauen-EM in England mit dem deutschen Vize-Titel auf den Weg gebracht.
Wir haben die Gesellschaft erreicht, sind in den Köpfen der Entscheidungsträger und in den Herzen der Menschen angekommen.
Generalsekretärin Heike Ullrich
Neuerdings ist die Förderung des Frauenfußballs für Profiklubs in der Lizenzierungsordnung verankert. Einen Nachteil hat das große Engagement und gestiegene Investment der Männerklubs: Mit Turbine Potsdam droht der nächsten Traditionsmarke als reiner Frauenfußballverein jetzt der Abstieg aus der Bundesliga.

Frauen-Teams bei Männer-Bundesligisten

VfL Wolfsburg

Quelle: imago
Der VfL Wolfsburg ist Titelverteidiger in der Bundesliga und in den vergangenen Jahren das erfolgreichste deutsche Team. 2013 und 2014 krönten sie sich zum Champions-League-Sieger. Am 3. Juni stehen die Wölfinnen im Endspiel der Königsklasse gegen den FC Barcelona. Gegner des VfL im DFB-Pokal-Finale am 18. Mai ist Freiburg.

FC Bayern München

Quelle: imago
Der FC Bayern ist derzeit Tabellenführer in der Bundesliga (wie bei den Männern). Deutscher Meister sind sie bereits 1976 und zuletzt 2021 geworden. In der Champions League scheiterten die Münchnerinnen zuletzt im Viertelfinale an Arsenal.

Borussia Dortmund

Die BVB-Frauen sind aktueller Bezirksligameister und steigen in die Landesliga auf. Die Abteilung gibt es erst seit 2021.

Union Berlin

Die Köpenicker wollen den Bereich stetig professionalisieren und perspektivisch in die Bundesliga aufsteigen. Aktuell ist das Team Zweiter in der Regionalliga.

SC Freiburg

Der Frauenverein in Freiburg ist 1975 gegründet worden. Die erste Mannschaft spielt seit 2011 erstklassig und steht nach 2019 zum zweiten Mal im Finale des DFB-Pokals (am 18. Mai in Köln gegen Wolfsburg).

Bayer 04 Leverkusen

Die Frauen-Abteilung der Leverkusener wurde 2008 gegründet und ist seit 2010 mit einjähriger Unterbrechung im Oberhaus. Ihre beste Platzierung dort war Rang fünf.

RB Leipzig

Leipzigs Fußballerinnen sind als souveräner Sieger der 2. Bundesliga aufgestiegen. Nun ist das Kredo, nach zwei Jahren Akklimatisierung in die Top drei der Bundesliga vorzudringen.

FSV Mainz 05

Männer-Bundesligist FSV kooperiert mit dem Regionalligisten TSV Schott Mainz. Eine Übernahme der Mädchen- und Frauensparte im Fußball ist mittelfristig geplant.

Eintracht Frankfurt

Die Eintracht ist Champions-League-Anwärter in der Bundesliga. 2020 ist sie fusioniert mit dem 1. FFC Frankfurt. Gemeinsam mit Wolfsburg ist Frankfurt Rekordmeister - bei jeweils sieben Titeln.

Borussia Mönchengladbach

Nach insgesamt drei Spielzeiten in der Bundesliga kickt das Team derzeit in der Regionalliga West. Die Abteilung besteht seit 1996.

1. FC Köln

Die Kölner Fußballerinnen spielen aktuell in der Bundesliga; das Team besteht aber erst seit 2009 und ging aus Grün-Weiß Brauweiler hervor.

Werder Bremen

Die Werderanerinnen sind 2020 in die Bundesliga aufgestiegen. Erste Anfänge gab es bereits Ende der 70er-Jahre.

FC Augsburg

Die FCA-Frauen-Abteilung hat sich 2006 gegründet. Momentan spielt die Mannschaft in der Bezirksliga und mischt dort ganz vorne mit.

TSG 1899 Hoffenheim

Seit 2013 ist die TSG Bundesligist und hat zudem ein eigenes Leistungszentrum. 2018 hatten sich die Hoffenheimer erstmals für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert.

VfL Bochum

Das Frauen-Team des VfL Bochum spielt seit einigen Jahren in der Regionalliga West und wurde 2010 gegründet.

VfB Stuttgart

Durch die Kooperation mit dem VfB Obertürkheim gibt es seit 2021 eine Stuttgarter Frauenabteilung. Spätestens 2025/26 will der Verein in die 2. Bundesliga aufsteigen.

FC Schalke 04

1975 hat der FC Schalke bereits ein Frauenteam gegründet, das Team gab es allerdings nur bis 1987. 2020 hat der Verein einen zweiten Versuch in die Wege geleitet und spielt nun in der Landesliga.

Hertha BSC

Die Hertha - als letzter Verein, der in der Männer-Bundesliga vertreten ist - übernimmt zur neuen Saison die Abteilung von Hertha 03 Zehlendorf und tritt dann in der Regionalliga Nordost an.

Frauenfußball boomt auf Social Media

Doris Fitschen als Gesamtkoordinatorin Frauenfußball hat gleichwohl festgestellt: "Die Türen gehen auf - egal, wo man hinkommt. Das war früher nicht immer so." In den Social-Media-Kanälen der Frauen-Nationalmannschaft und -Bundesliga sind die Zahlen mit 335 Millionen Abrufen nahezu explodiert. Hier hilft es natürlich, dass insbesondere die Nationalspielerinnen dieses Potenzial erkannt haben.
Und erstmals wird in der Woche rund um das DFB-Pokalfinale der Frauen zwischen dem VfL Wolfsburg und SC Freiburg an Christi Himmelfahrt (18. Mai/ARD) eine "DFB Women’s Week" durchgeführt. Ziel der Aktion ist es laut DFB, die Sichtbarkeit des Frauenfußballs noch weiter zu erhöhen und auch neue Zielgruppen zu erreichen.

Rekordkulisse für das DFB-Pokalendspiel

Dass die Rekordzahl von 35.000 Tickets fürs Endspiel in Köln abgesetzt ist, fügt sich in einen Trend. Die Nationalmannschaft hatte in den vergangenen drei Spielen einen Zuschauerschnitt von über 26.000, in der Bundesliga hat sich der Schnitt mit 2.671 Zuschauern mehr als verdreifacht. Zuletzt sahen 38.365 Frauenfußball-Fans die Partie des FC gegen Eintracht Frankfurt - neuer Ligarekord.
Mit der Highlight-Partie Eintracht Frankfurt gegen VfL Wolfsburg folgt an diesem Wochenende gleich die nächste fünfstellige Kulisse, auch wenn es keinen neuen Rekord geben wird.

Starke Konkurrenten um die Frauen-WM 2027

Das nächste übergeordnete Ziel des DFB ist die Bewerbung um die Frauen-WM 2027, mit der sich Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien beworben hat, Brasilien, USA und Mexiko und Südafrika seien "sehr starke Mitbewerber", sagte Generalsekretärin Ullrich.
Bis zum 8. Dezember muss jetzt ein so genanntes "Bid Book" für den Welt-Fußballverband FIFA erstellt werden. Diese mache laut Generalsekretärin Vorgaben "angelehnt an ein Herrenturnier." Ullrich versicherte:
Der Aufgabe stellen wir uns gerne.
Generalsekretärin Ullrich zur WM-Bewerbung
Die Entscheidung über die WM-Vergabe wird im Mai 2024 auf dem FIFA-Kongress getroffen. Zuvor wird das FIFA-Council jedoch nur drei Bewerber zur offenen Abstimmung zulassen. "Wir müssen uns genau überlegen, wie wir strategisch vorgehen", sagte Neuendorf.

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