: Bleibt Messi der Unvollendete?

von Florian Haupt, Doha
26.11.2022 | 06:57 Uhr
Nach der Blamage gegen die Saudis kämpft Argentinien heute im Spiel gegen Mexiko gegen das WM-Aus. Die Vorzeichen sind nicht gut.
Eine Niederlage gegen Mexiko - und Lionel Messi (Mitte) müsste sich mit Argentinien von der WM 2022 verabschieden.Quelle: dpa
Mit vielem haben die Argentinier bei dieser Fußball-WM gerechnet. Dass es im Achtelfinale gegen Frankreich gehen könnte, war beispielsweise eine Sorge. Auch, dass Angstgegner Deutschland irgendwann den Weg kreuzen könnte.
Aber damit? Nach der 1:2-Pleite gegen Saudi-Arabien droht dem zweifachen Weltmeister schon im zweiten Spiel die Heimreise.

Auch ein Remis könnte zu wenig sein

Eine Niederlage gegen Mexiko (Anpfiff heute, 20 Uhr/ZDF-Liveticker) würde das sichere Aus bedeuten. Bei einem Remis hätte man das Weiterkommen nicht mehr in der Hand - es sei denn, Polen besiegt im ersten Gruppenspiel des Tages die Saudis. Auch vier Tage nach der Blamage gegen den Weltranglisten-51. hallen die Worte von Kapitän Lionel Messi nach:
Das ist ein harter Schlag, wir sind wie tot.
Lionel Messi
Aber Messi bat seine Landsleute auch, "uns zu vertrauen". Es gelte jetzt zu zeigen, "dass wir wirklich stark sind". Vermeintlich stark waren sie vor dem Turnier. Mit 36 ungeschlagenen Spielen in Serie und als amtierender Südamerikameister kamen die Argentinier nach Katar.

Bei Buchmachern stark bewertet

Die Buchmacher platzierten sie auf Rang zwei der Turnierfavoriten hinter Brasilien. Die Fans träumten von der Krönung des Fußballgotts Messi bei seiner letzten WM. Der siebenmalige Weltfußballer kam dem größten aller Titel nur einmal nahe.
Doch Argentinien verlor 2014 das Finale gegen Deutschland auch deshalb, weil er so gehemmt wirkte. Wie hypnotisiert unter dem Druck der Erwartungen - seiner eigenen wie der seines Landes, das von ihm diesen Titel erwartet, um ihn auf eine Stufe mit Diego Armando Maradona zu stellen.

Messi fällt in alte Verhaltensmuster zurück

Gegen die Saudis zeigte Messi in Argentiniens fataler zweiter Halbzeit einen Rückfall in die Verhaltungsmuster von damals. Die Schultern hingen tief, der Blick ging ins Nirgendwo, seine Reaktionen waren ungewöhnlich langsam. Sicher, die Partie verlief aus argentinischer Sicht sehr unglücklich.
In der ersten Halbzeit bekam man drei Treffer wegen Abseits aberkannt. Die beiden saudischen Tore fielen unmittelbar nacheinander mit den Abschluss Nummer eins und zwei. Und danach retteten sich die tapferen Kicker aus Katars Nachbarland mit Befreiungsschlägen.

Schlüsselspieler angeschlagen und außer Form

Das ist die wohlwollende Lesart der Niederlage: dass es ein Ausrutscher war, eine Jahrhundertsensation, herbeigeführt durch die besondere Psychologie der Partie. Argentinien würde sie gern glauben, aber den Experten rund um das Team fällt es schwer. Sie diagnostizieren strukturelle Mängel.
Die Mannschaft wirkt körperlich nicht in bester Verfassung. Etliche Schlüsselspieler der Siegesserie wie Ángel Di María oder Leandro Paredes gingen wegen jüngerer Verletzungspause ohne Spielrhythmus ins Turnier. Andere wie Rodrigo de Paul sind völlig außer Form.

Wie viel Mut hat Trainer Scaloni?

Bis zu fünf Änderungen in der Startelf drängen sich auf. Lisandro Martínez (Manchester United) in der Abwehrmitte und Enzo Fernández (Benfica Lissabon) im Mittelfeldzentrum könnten dazu gehören.
Wie mutig ist Lionel Scaloni, der jüngste Trainer des Turniers, in der ersten Krise seiner Amtszeit? Doch dem Trainer gelten die Schlagzeilen nur in zweiter Linie. Der Eindruck vielmehr: Mal wieder hängt alles an Messi.

Messi wollte genießen wie noch nie

Vor dem Turnier betonte der 35-Jährige, dass er den Fußball und die WM auf seine alten Tage so genieße wie noch nie. Dass er sich in der aktuellen Nationalelf besser aufgehoben fühle denn je und dass ihn der Gewinn der Südamerikameisterschaft, sein erster großer Titel mit Argentinien, um eine Zentnerlast befreit habe.
Heute Abend im Lusail-Stadion (20 Uhr/ZDF-Liveticker) muss Messi das alles unter Beweis stellen. Sonst wird er für alle Zeiten ungekrönt bleiben.