: Japans Musterschüler fordern Kroatien

von Frank Hellmann, Doha
05.12.2022 | 04:36 Uhr
Die Japaner glänzen bei dieser WM mit vorbildlichem Verhalten. Das soll auch Vizeweltmeister Kroatien im Achtelfinale spüren.
Einst der "japanische Messi", dann Wechsel zum SC Freiburg und jetzt bei der WM schon zwei Joker-Tore: Ritsu Doan.Quelle: Themba Hadebe/ap
Mit respektvollem Verhalten ist es bei dieser WM so eine Sache. Die einen reden viel davon und setzen es dann nicht um. Deutschland womöglich? Die anderen sprechen fast nie darüber, gehen aber vorbildlich voran. Japan vielleicht?
Die FIFA, der natürlich sehr dran gelegen ist, ein klinisch reines Bild von der WM zu erzeugen, hat kürzlich über seinen Twitter-Kanal das Bild verbreitet, wie die japanische Kabine im Khalifa International Stadium nach dem Sieg gegen Spanien (2:1) aussah.

Japaner mit Faible für Ordnung

Der Boden besenrein gefegt, die Leibchen gefaltet, die Flaschen aufgereiht. Alles picobello sauber.
Dazu passt, dass auch japanische Fans sich oftmals noch als Reinigungskolonne verdingen, obwohl es an freiwilligen Helfern in den Stadien wirklich nicht fehlt.
Was zeigt, dass bei den "blauen Samurai" beides geht: erfolgreich Fußball spielen und gute Botschafter ihres Landes sein.
Die Kabine der japanischen Mannschaft - nach dem Spiel gegen Deutschland.Quelle: PR

Ritsu Doan glänzt als Joker

Die Stoßrichtung der Wüsten-Mission war vom ersten Tag klar formuliert: erstmals in der Geschichte des japanischen Fußballs ein WM-Viertelfinale zu erreichen.
Einen Schritt sind Daichi Kamada (Eintracht Frankfurt) und seine Kollegen vor dem Achtelfinale gegen Kroatien (Montag, 16 Uhr, live im ZDF) davon noch entfernt. Entscheidenden Anteil daran hat Ritsu Doan, der bislang auf Knopfdruck nach einer Einwechslung funktioniert. Der Joker drehte mit seinen Ausgleichstreffern die Partien gegen Deutschland und Spanien.

Japanische Zuversicht

Der 24-Jährige brachte sofort viel Energie aufs Feld, wobei Nationaltrainer Hajime Moriyasu jeweils taktische Korrekturen vornahm, die erst Hansi Flick und dann auch Luis Enrique überrumpelten.
Vor der Herausforderung gegen den Vizeweltmeister kommt der 54-Jährige allmählich aus der Deckung: "Auch für Asien wird die Tatsache, dass wir gegen Deutschland und Spanien - Top-Länder der Welt - gewinnen konnten, viel Selbstvertrauen geben. Wir sind zuversichtlich, dass der asiatische und der japanische Fußball die Topteams der Welt schlagen kann."

Gratulation kommt vom Präsidenten

Die Jubelszenen bei einer ausgedehnten Ehrenrunde nach dem Coup gegen Spanien bewegten auch Staatspräsident Fumio Kishida, der dem Team gratulierte. Waren die Olympischen Spiele 2021 wegen der Corona-Pandemie eine weitgehend freudlose Veranstaltung, zaubert nun diese ferne Fußball-WM vielen Fans in Tokio ein Lächeln auf die Lippen.
Eigentlich standen die Japaner schon bei der WM 2018 mit anderthalb Beinen im Viertelfinale. Gegen Belgien führten sie 2:0, kassierten aber in der Nachspielzeit das 2:3. "Aus unserer Sicht hätten wir es schon 2018 verdient gehabt, ins Viertelfinale einzuziehen“, findet Ritsu Doan, der in der Bundesliga für den SC Freiburg spielt.

Doan, einst der "japanische Messi"

Doan war schon bei der U20-WM 2017 eine auffällige Figur. Als ihn die FIFA nach drei Toren den "japanischen Messi" taufte, schauten Scouts aus Europa genauer hin.
Doan wechselte 2017 zunächst in die Niederlande, fiel aber 2020/201 als Leihspieler bei Arminia Bielefeld auf und ging diesen Sommer zu Freiburg, wo er sein Selbstbewusstsein stärkte. "Wir haben sehr viele gute Spieler und sehr viel Potenzial, um weit zu kommen", sagte der WM-Debütant Doan vor dem Auftaktspiel gegen Deutschland.

Kroatien hat Respekt

Damals kündigte er grinsend an, dass seine Freiburger Nationalspieler-Kollegen Matthias Ginter und Christian Günter bis zum neuen Jahr "keine Freunde" mehr sein würden.
Vor dem K.o.-Duell im Al-Janoub-Stadium hat sich übrigens auch Kroatiens Trainer Zlatko Dalic respektvoll über die Japaner, denen der gesperrte Ko Itakura (Borussia Mönchengladbach) fehlt, geäußert: "Wenn jemand Spanien und Deutschland schlägt, kann das kein Zufall sein. Dies ist eine große Gefahr."

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