: Istanbul: Gutes tun mit verbotenen Schuhen

von Susanne Rohlfing, Istanbul
03.03.2023 | 13:06 Uhr
Die Leichtathletik-Hallen-EM in Istanbul steht im Zeichen des verheerenden Erdbebens. Weitsprung-Olympiasieger Miltiadis Tentoglou hatte eine besondere Spenden-Idee.
Miltiadis Tentoglou versteigerte seine Schuhe, mit denen er Weltjahresbestmarke sprang.Quelle: epa
Die Crème de la Crème der europäischen Leichtathletik trifft sich in Istanbul: Neben Weitsprung-Olympiasieger Miltiadis Tentoglou aus Griechenland ist auch Femke Bol da, die rasende Holländerin, die in dieser Saison über die 400 Hallenmeter den am längsten gültigen Weltrekord der Leichtathletik knackte; ebenso Jakob Ingebrigtsen, der Norweger, der allen davonläuft und sein Landsmann Karsten Warholm, 400-Meter-Hürden-Weltrekordler. Und auch die deutschen Stars Malaika Mihambo und Konstanze Klosterhalfen.
Die Athletinnen und Athleten sind mehrheitlich froh, dass diese EM überhaupt stattfindet. Aber sie tragen auch gemischte Gefühle mit sich herum, weil viele Menschen in der Stadt Angehörige oder Freunde bei dem verheerenden Erdbeben vor vier Wochen auf der anderen Seite der Türkei verloren haben.

Seit den verheerenden Erdbeben in Syrien und der Südosttürkei steigt auch die Sorge der Einwohner in Istanbul. Wissenschaftlern zufolge drohen in den nächsten Jahren starke Beben.

02.03.2023 | 02:24 min

Keine Werbung in Istanbul für EM

Die Veranstalter behelfen sich damit, in der Metropole auf jegliche Werbung für das Event und begleitende Feierlichkeiten zu verzichten und eine Tafel aufzustellen, auf der die Stars der Meisterschaften rund um den Satz "We are together with you Türkiye" unterschreiben sollen. Wir stehen an deiner Seite, Türkei.
Ein Euro pro verkaufter Eintrittskarte soll zugunsten der Erdbebenopfer gespendet werden. Wie viel dabei zusammenkommt, ist fraglich. Bislang ist das Zuschauerinteresse sehr überschaubar.
Spitzensport vor leeren Rängen: Bislang hält sich das Zuschauerinteresse in Istanbul stark in Grenzen.Quelle: imago

Aus Ärger wird eine Spendenidee für Erdbebenopfer

Da wirkt das, was sich der griechische Weitsprung-Star Miltiadis Tentoglou ausgedacht hat, noch wie die beste Idee. Entstanden ist sie aus dem Ärger einer Disqualifikation heraus. Der Leichtathletik-Weltverband befand die Schuhe, mit denen der Olympiasieger, Hallen-Weltmeister und zweimalige Hallen-Europameister im Februar im polnischen Torun die Weltjahresbestmarke von 8,40 Metern in den Sand gehämmert hatte, für unzulässig.
Der 24-Jährige regte sich darüber mächtig auf. "World Athletics hat Leute im Team, die keine Ahnung von Schuhen und Sport haben", schrieb er auf Instagram: "Ich bin derjenige, der springt. Ich möchte tragen, was bequem ist und sicher." Und dann diese Worte, die wohl sonst keiner seiner Zunft sich trauen würde zu sagen: "Der 8,40-Meter-Sprung ist mir egal. Ich kann das springen, wann immer ich möchte."

Tentoglou mit Ehrenrunde in der Qualifikation

Gesagt, getan. Kurz darauf flog Tentoglou in Paris auf 8,41 Meter. Und gab bekannt, seinen umstrittenen Schuh zu versteigern. Mit dem Geld will der Grieche vom Erdbeben betroffenen Kindern in der Türkei und Syrien helfen.
Am Freitagmorgen musste er in der Qualifikation in Istanbul eine Extrarunde drehen. Sein erster Sprung ging auf 7,91 Meter, fürs direkte Weiterkommen waren 7,95 Meter gefordert. Tentoglou zog ein paar Grimassen und landete dann im zweiten Durchgang souverän bei 8,03 Metern. "Es war kein Problem, einen zweiten Sprung zu machen, es war sogar gut, so habe ich mich noch etwas mehr an die Anlage gewöhnt", sagte er im Anschluss.

Schuhe brachten bereits 20.000 Euro ein

Und die Schuhe? "Die Disqualifikation hat keinen Sinn gemacht, das waren ganz normale 800-Meter-Spikes", erklärte Tentoglou, aktuell werde geprüft, ob sein Ausschluss zurückgenommen wird. Gelohnt hat sich sein Ärger aber auf jeden Fall: "Die Schuhe sind verkauft", sagte der Weitspringer. "Eine Frau in Griechenland hat sie erstanden. Und andere Leute wollten sich noch zusätzlich an der Spende beteiligen. Wir haben schon 20.000 Euro zusammenbekommen."
Aber dieser an Frechheit grenzende Satz über die Leichtigkeit von 8,40-Meter-Sprüngen? Woher diese Zuversicht? "Das habe ich geschrieben, weil ich wirklich daran glaube, jederzeit 8,40 Meter springen zu können, wenn ich will", sagte Tentoglou. Die nächste Gelegenheit dazu hat er am Sonntagmorgen (8:12 Uhr deutscher Zeit). Im Weitsprung-Finale von Istanbul.
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