: So arbeiten wir in der Zukunft

von Larissa Hamann
20.05.2023 | 18:00 Uhr
Künstliche Intelligenz und Fachkräftemangel - in der Arbeitswelt passiert gerade einiges. Zwei Ökonomen erklären, wie wir in Zukunft arbeiten werden.
Ein Abräumroboter bringt schmutziges Geschirr in die Küche eines Restaurants in Leipzig. Sieht so die Zukunft des Service aus?Quelle: dpa/Jan Woitas
Nimmt ChatGPT uns in Zukunft die Arbeitsplätze weg? Arbeiten wir alle bald nur noch vier Tage in der Woche und verschwinden in ein paar Jahren die letzten Fachkräfte? Wahrscheinlich nicht, aber die Arbeitswelt wandelt sich schon heute stark: ein Blick in die kommenden Jahrzehnte.

Diese Auswirkungen werden KI und Digitalisierung haben

Digitalisierung und KI werden die Arbeitswelt von Grund auf verändern.
Andreas Gulyas, Professor für VWL an der Universität Mannheim
Das prognostiziert Andreas Gulyas, Professor für VWL an der Universität Mannheim. Er glaubt, dass manche Arbeitsplätze unnötig werden, "aber auch viele neue Gelegenheiten entstehen und viele Arbeiter produktiver".

KI erledigt Bestellungen und errechnet Verkaufsprognosen – auch in Bäckereien. Das Ziel: Bessere Planung, Lebensmittelverschwendung vermeiden und fehlende Berufserfahrung ersetzen.

16.04.2023
Das wird Auswirkungen auf die Industrie haben: Die Zahl der Arbeiterinnen und Arbeiter wird sich in den nächsten 15 bis 20 Jahren nochmals halbieren, prognostiziert Alexander Kritikos, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Körperliche Arbeit wird weiter durch steuernde Arbeit ersetzt.
Alexander Kritikos, DIW-Vorstandsmitglied
Auch andere Branchen werden sich wandeln: Standardisierte Prozesse wie E-Mails oder einfache Texte können, laut Kritikos, in Zukunft durch KI sehr viel einfacher produziert werden. Damit werden mehr Prozesse möglich. Er rechnet aber nicht damit, dass dadurch Jobs wegfallen.

Alexander Kritikos ist...

Quelle: Bettina Keller
...Mitglied im Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und leitet die Forschungsgruppe Entrepreneurship. Er hat eine Professur für Industrie- und Institutionenökonomie an der Universität Potsdam inne und ist Research Fellow am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), Bonn, sowie am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg.

Andreas Gulyas ist...

Quelle: Andreas Gulyas
...Juniorprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Arbeitsmarkt, Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Seinen Doktortitel erlangte er an der University of California.
Schon in der Industriellen Revolution sei prognostiziert worden, dass die Menschen bald weniger arbeiten müssen, berichtet Gulyas. "Das hat sich nie eingestellt."
Wenn man die Wirtschaftsgeschichte betrachtet, sind wir immer produktiver geworden, die Löhne sind gestiegen. Die Arbeitszeit hat sich aber kaum reduziert.
Andreas Gulyas, Ökonom

Höhere Produktivität kann gegen Fachkräftemangel helfen

Die neue Produktivität kann helfen, um fehlende Fachkräfte auszugleichen. "In vielen Bereichen wird es sogar notwendig sein, weil es die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht gibt, beispielsweise in der Gastronomie", erklärt Gulyas. Dort werden etwa Thermomixe oder QR-Codes, mit den bestellt werden kann, genutzt. Dadurch werde ein Kellner aber nicht ersetzt, so Gulyas, sondern ein Kellner kann mehr Tische bedienen.

Zahlen zum Fachkräftemangel

  • Eine Ursache des Fachkräftemangels ist die älter werdende Gesellschaft in Deutschland.
  • Das verschärft sich durch die Babyboomer, also die geburtenstarke Generation, die in Rente geht. Dadurch fallen vielen Arbeitskräfte weg. Weniger junge Menschen rücken nach.
  • Laut dem Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung (Kofa) gab es im Jahresdurchschnitt noch nie so viele offenen Stellen wie 2022: Für qualifizierte Fachkräfte lag sie bei 1,3 Millionen.
  • Auch die Fachkräftelücke ist demnach auf einem Rekordniveau: Die Zahl der offenen Stellen, für die es rechnerisch bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt, betrug mehr als 630.000. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Lücke bei den Fachkräften mit abgeschlossener Berufsausbildung um 88,9 Prozent gestiegen.
  • Der Fachkräftemangel ist laut Kofa in Gesundheits- und Sozialberufen besonders hoch. Aber auch das Handwerk sowie akademische Berufe im Ingenieurwesen im Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik, IT und Softwareentwicklung und Programmierung sind besonders betroffen. (Quellen: Kofa, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Auch in anderen Bereichen werden schon Aufgaben von Künstlicher Intelligenz übernommen: Bei der Stadt Heidelberg soll eine KI-Bürgerassistenz Fragen von Bürgerinnen und Bürgern beantworten.

Die Stadt Heidelberg hat mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz einen neuen Stadt-Mitarbeiter geschaffen, der Bürgern Rede und Antwort steht.

13.03.2023 | 05:34 min
Und an der Uniklinik Aachen soll ein Roboter die Pflegekräfte beim Bewegen von Patientinnen und Patienten entlasten.
Wie lange noch Fachkräfte fehlen werden, ist schwer zu sagen. "Die große Unbekannte ist die Immigration", so Gulyas. "Ich glaube, das wird ein noch größeres Thema in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren."
Ohne Zuwanderung würde aber der Fachkräftebedarf jedes Jahr um weitere bis zu 400.000 Arbeitskräfte ansteigen, prognostiziert Kritikos.

Die Uniklinik Aachen untersucht in einer Studie die Wirbelsäulenbelastung von Pflegekräften. Ein Roboterarm soll Entlastung beim Bewegen von Patienten schaffen. Erste Versuche zeigen bereits Erleichterung.

28.06.2022 | 01:56 min

Muss in Zukunft bis 70 oder 75 gearbeitet werden?

Auch bei der Rente könnte laut Gulyas Migration eine Lösung sein. Wenn jüngere Menschen einwandern, werden diese auch ins Rentensystem einzahlen. Auch ansonsten ist Gulyas nicht allzu pessimistisch: "Dass es in dreißig Jahren keine Renten mehr geben wird, das wird sicher nicht eintreffen."
Kritikos hält es für realistisch, dass einige Menschen bis 75 arbeiten werden. "Wir müssen flexibler werden. Es gibt Menschen, die nicht so lange arbeiten können, weil sie viel körperlich arbeiten."
Aber Menschen, die überwiegend Wissensarbeit leisten, arbeiten teilweise gerne länger.
Alexander Kritikos, DIW-Vorstandsmitglied

So wird sich das Gehalt entwickeln

Laut Volkswirtschaftler Gulyas sind zwei Szenarien möglich: Digitalisierung und KI könnten Arbeitsplätze ersetzen, was zu Massenarbeitslosigkeit und sinkenden Gehältern führt. Aber der Lebensstandard könnte auch steigen.

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren verändert. Unternehmen müssen sich in Zeiten des Fachkräftemangels etwas einfallen lassen, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.

28.04.2023 | 04:07 min
In der Vergangenheit hätten neue Technologien dazu geführt, dass mehr produziert werden konnte, mehr konsumiert wurde und der Wohlstand gestiegen ist. "Ich sehe keine Gründe, warum sich das mit der neuen Digitalisierungswelle verändern sollte." Außerdem könnten die Arbeitnehmerinnen durch den Arbeitskräftemangel in bessere Verandlungspositionen kommen, so Arbeitsmarkt-Ökonom Gulyas.
Für Kritikos haben insbesondere Unternehmen, die innovativ sind und mithilfe der neuen Entwicklungen produktiver werden, die Möglichkeit, ihren Gewinn zu steigern und in Form von höheren Gehältern an die Arbeitnehmer weiterzugeben.

Vier-Tage-Woche für alle eher unwahrscheinlich

Einige Betriebe in Deutschland haben bereits die Vier-Tage-Woche eingeführt. Wird sich das in Zukunft für viele durchsetzen? "Bei vollem Lohnausgleich die Arbeitszeit zu reduzieren, ist eine Illusion", sagt Kritikos.

Nur vier Tage arbeiten, aber dasselbe verdienen. Ein Modell, das immer mehr Unternehmen testen. In München hat ein Bäcker sogar eine „Spätschicht“ eingeführt und damit Azubis angelockt.

29.04.2023 | 05:06 min
Auch Gulyas betont, dass sich die Arbeitszeit auch in den vergangenen 30 bis 40 Jahren nicht verringert hat. "Aber wir wissen es nicht. Es kann sein, dass die neue Generation mehr auf eine Work-Life-Balance achtet und sich die Unternehmen darauf einstellen müssen."

Minimalismus gegen den Klimawandel?

Gulyas ist sich sicher, dass der Klimawandel Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird, "manche Branchen, Firmen und Berufe werden verschwinden, beispielsweise beim Kohleabbau". Gleichzeitig würden neue Branchen und Arbeitsplätze entstehen oder sich verändern. "Ein Installateur beispielsweise muss umlernen von der Ölheizung auf Wärmepumpen."
Große Einschränkungen beim Konsum erwartet Gulyas aber nicht:
Solange wir früh genug kluge Investitionen machen, können wir den Klimawandel auch bekämpfen, ohne dass wir massiv auf Konsum verzichten müssen.
Andreas Gulyas, Ökonom

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