: Geständnis oder Haft: Frist für Ex-Chef endet

von Peter Aumeier
02.05.2023 | 18:52 Uhr
Der Prozess um Dieselmanipulationen ist eines der prominentesten Gerichtsverfahren Deutschlands. Viele erwarten ein Geständnis des Hauptangeklagten - sonst droht eine Haftstrafe.
Der Prozess um den "Diesel-Skandal" ist auch nach 2,5 Jahren noch nicht zu Ende.Quelle: dpa
"Diesel-Skandal", "Audi-Prozess", "Stadler-Prozess" - das Gerichtsverfahren in München zur Aufarbeitung der Dieselmanipulationen bei Volkswagen und der Konzerntochter Audi hat unterschiedliche Namen. Und einen Hauptangeklagten: Ex-Audi-Vorstand Rupert Stadler.
Seit dem 30. September 2020 steht der heute 60-Jährige vor Gericht. In der vergangenen Woche hatte das Landgericht München dem früheren Vorstandschef bei einem Geständnis und einer Zahlung von 1,1 Millionen Euro eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten sich Bedenkzeit erbeten. An diesem Mittwoch läuft diese Frist ab.

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Stadler beteuert Unschuld

Seit Prozessbeginn vor über zweieinhalb Jahren hat Stadler seine Unschuld beteuert, war auch während des ganzen Prozesses nicht davon abgerückt. Nach Einschätzung der Wirtschaftsstrafkammer dürfte der ehemalige Audi-Chef spätestens im Juli 2016 erkannt haben, dass die Abgaswerte von Dieselautos manipuliert, gewesen sein könnten.
Statt der Sache auf den Grund zu gehen und die Handelspartner zu informieren, habe Stadler den Verkauf der Autos weiterlaufen lassen. Der Ex-Audi-Vorstand ist deshalb wegen Betruges durch Unterlassen angeklagt.

Geständnis - oder Haft

Daher komme für Stadler, so das Gericht, eine Freiheitsstrafe in Betracht - aber auch auf Bewährung. Voraussetzung: Er gesteht.

Gibt es einen Deal?

In den vergangenen Wochen hatte es bereits zwei sogenannter Rechtsgespräche zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern gegeben, also der Möglichkeit eines sogenannten "Deals". Beim zweiten Gespräch über eine entsprechende Verständigung haben, so der Vorsitzenden Richter Stefan Weickert, sowohl die Verteidiger als auch die Staatsanwaltschaft Vorbehalte geäußert.
Der Staatsanwalt habe eine Bewährungsauflage von zwei Millionen Euro verlangt und auf die Häuser, Eigentumswohnungen und Bankkonten in Stadlers Besitz verwiesen.

nachgehakt

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Stadlers Anwälte wiederum hatten darauf hingewiesen, dass Stadler bereits 4,1 Millionen Euro Schadenersatz wegen Pflichtverletzung an die Audi-Mutter Volkswagen gezahlt habe.
Der vom Gericht ins Auge gefasste Strafrahmen von anderthalb bis zwei Jahren sei zu hoch, so die Verteidiger. Zudem müsse Stadler auch noch Gerichtskosten in Höhe von rund einer Million Euro zahlen.

Chronologie des Diesel-Skandals

2015

  • Die US-Umweltbehörde EPA wirft im September des Jahres Volkswagen Verstöße gegen das Klimaschutzgesetz "Clean Air Act" vor. Es geht um 482.000 Diesel-Fahrzeuge in Kalifornien.
  • In der Folgezeit gibt Audi den Einsatz von sogenannter "Schummel-Software" in einem großen Dieselaggregat, dem V6-TDI-Motor, zu.
  • VW beauftragt die US-Kanzlei Jones Day, den Abgasskandal und seine Hintergründe aufzuarbeiten. Dazu werden riesige Datenmengen ausgewertet und Manager befragt.

2017

  • Aufgrund der Untersuchungsergebnisse von Jones Day, die nicht veröffentlicht werden, und der Ermittlungsergebnisse der US-Justizbehörden, vergleicht sich VW mit der US-Regierung auf insgesamt 4,3 Milliarden Dollar an Strafen und Bußgeldern. Damit sehen VW und Audi die Dieselkrise als "aufgearbeitet" an, wollen aber mit den Behörden weiter kooperieren. Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler selbst sieht sich durch die Untersuchungsergebnisse von Jones Day entlastet.
  • Die Staatsanwaltschaft München II durchsucht im März am Tag der Audi-Bilanz-PK Büroräume des Konzerns in Ingolstadt und Neckarsulm. Auch bei VW in Wolfsburg werden Büros durchsucht. Die Behörden ermitteln gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung.

2018

  • Die Staatsanwaltschaft München durchsucht im Februar erneut Büroräume von Audi in München und Neckarsulm. Es geht jetzt erstmals auch um Audi-Modelle mit Abschalteinrichtung, die außerhalb der USA verkauft wurden.
  • Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt von Juni an gegen Rupert Stadler persönlich. Er zählt nun zu einem Kreis von 20 Beschuldigten im Abgasskandal
  • 18.06.2018: Rupert Stadler wird festgenommen und kommt in U-Haft. Ihm wird Betrug im Zusammenhang mit dem Verkauf von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgasreinigung vorgeworfen. Grund der Festnahme ist Verdunklungsgefahr.
  • Anfang Oktober scheidet Rupert Stadler aus dem Vorstand von Audi und VW aus
  • Ende Oktober wird der Haftbefehl gegen Rupert Stadler gegen Kaution ausgesetzt.

2019

  • 31.07.2019: Anklageerhebung durch die Münchner Staatsanwaltschaft.

2020

  • 30.09.2020: Prozess-Beginn in München-Stadelheim

2021

  • 12.01.2021: Rupert Stadler sagt erstmals im Prozess aus
  • 06.08.2020: Anklage gegen vier weitere ehemalige Audi-Manager

2023

  • 25.04.2023: Wolfgang Hatz, ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Vorstand und ein weiterer leitender Ingenieur geben zu, die Software-Manipulationen in Auftrag gegeben zu haben. Sie hatten damit ebenfalls einem Deal zugestimmt.
  • 03.05.2023: Rupert Stadler kündigt an, ein Geständnis ablegen zu wollen. So kann er eine Gefängnisstrafe umgehen.
  • 16.05.2023: Stadler legt ein Geständnis im Audi-Prozess ab.
  • 27.06.2023: Das Landgericht München verurteilt Stadler zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Zudem muss er ein Bußgeld in Höhe von 1,1 Millionen Euro zahlen. Die Wirtschaftsstrafkammer spricht ihn des Betrugs schuldig, weil er den Verkauf von Dieselautos mit manipulierten Abgaswerten zu spät gestoppt hatte.

Wirtschaftskammer bleibt hart

Auch der Vorsitzende Richter Stefan Weickert machte bereits seine Haltung klar: Die Wirtschaftsstrafkammer werde am Strafrahmen nichts mehr ändern; Stadler sei der höchstrangige Angeklagte und verfüge über ein auskömmliches Vermögen.
Mit einer gewissen Spannung blicken daher nun viele auf die Stellungnahme von Stadler und dessen Verteidiger an diesem Mittwoch. Eines scheint offenkundig: Ohne ein Geständnis wird der Ex-Audi-Chef kaum um eine Haftstrafe herumkommen.

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Andere Beteiligte haben bereits gestanden

Mit Stadler sitzen noch drei ehemalige VW-Ingenieure auf der Anklagebank: Der ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand, Wolfgang Hatz, und zwei seiner leitenden Ingenieure. Alle hatten gestanden, dass sie die Ausgestaltung der Motoren-Software für die unzulässige Abschalteinrichtung veranlasst hatten.
Hatz steht damit eine Bewährungsstrafe mit einer Geldstrafe von 400.000 Euro in Aussicht, dem mitangeklagten Ingenieur Giovanni P. eine Bewährungsstrafe mit Zahlung von 50.000 Euro. Das Verfahren gegen den als Kronzeugen aufgetretenen anderen Ingenieur wurde eingestellt. Dieser hatte einer Strafzahlung von 25.000 Euro zu leisten.
Kommt es am Mittwoch zum erwarteten "Deal", so ist das noch nicht das Ende des Prozesses. Aber dieses könnte dann sehr schnell kommen, mit einem Urteil vielleicht schon im kommenden Monat.
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