: Ex-Audi-Chef Stadler legt Geständnis ab

16.05.2023 | 09:02 Uhr
Ex-Audi-Chef Stadler hat im Betrugsprozess um manipulierte Abgaswerte bei Dieselautos ein Geständnis abgelegt. Das Verfahren dürfte für ihn nun mit einer Bewährungsstrafe enden.

Im Betrugsprozess zum Dieselskandal hat der frühere Audi-Chef Rupert Stadler Fehlverhalten eingeräumt. Wegen des Geständnisses steht ihm wohl nur eine Bewährungsstrafe bevor.

16.05.2023 | 01:35 min
Im Betrugsprozess um den Abgasskandal bei Audi hat der frühere Vorstandschef Rupert Stadler ein Geständnis abgelegt. Stadler sprach in der Verhandlung vor dem Landgericht München an diesem Dienstag allerdings nicht selbst, sondern ließ seine Verteidigerin Ulrike Thole-Groll eine Erklärung verlesen.
Ich sehe für mich ein, dass es ein Mehr an erforderlicher Sorgfalt bedurft hätte.
Aus der Erklärung von Rupert Stadler, Ex-Audi-Chef
Dass Fahrzeuge manipuliert worden seien und dadurch Käufer geschädigt worden seien, "habe ich zwar nicht gewusst, aber als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen". Er hätte die Möglichkeit gehabt, einzugreifen, dies aber unterlassen. Dies bedauere er sehr.
Auf die Frage von Richter Stefan Weickert, ob er sich die Worte zu eigen mache, sagte Stadler lediglich: "Ja."

Gericht hatte Stadler Deal in Aussicht gestellt

Damit ist Stadler das erste Mitglied des VW-Konzernvorstands, das vor Gericht den Vorwurf des Betrugs durch Unterlassen im Dieselskandal eingeräumt hat.
Die Wirtschaftsstrafkammer hatte dem 60-Jährigen bei einem umfassenden Geständnis und Zahlung von 1,1 Millionen Euro eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Stadler und die Staatsanwaltschaft hatten diesem Deal vor gut zwei Wochen zugestimmt. Das Urteil wird im Juni erwartet.
Stadler steht seit September 2020 vor Gericht. Laut Anklage soll er es nach dem Bekanntwerden der Abgasmanipulationen im Volkswagen-Konzern 2015 versäumt haben, den Verkauf betroffener Autos mit Audi-Motoren zu stoppen.
Der Ex-Audi-Chef und ehemalige VW-Vorstand hatte jahrelang seine Unschuld beteuert und war davon auch in dem seit zweieinhalb Jahren laufenden Prozess zunächst nicht abgerückt.

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16.05.2023 | 01:07 min

Ohne Geständnis hätte dem Ex-Audi-Chef Gefängnis gedroht

Die Wende kam Ende März, als das Gericht klarmachte, dass Stadler ohne Geständnis Gefängnis gedroht hätte. Denn nach der damals geäußerten vorläufigen Einschätzung der Kammer dürfte Stadler spätestens im Juli 2016 erkannt haben, dass die Abgaswerte manipuliert gewesen sein könnten. Statt der Sache auf den Grund zu gehen und die Handelspartner zu informieren, habe er den Verkauf der Autos jedoch bis Anfang 2018 weiterlaufen lassen.
Vor 14 Tagen kündigte Stadler an, ein Geständnis ablegen zu wollen - bat aber um Bedenkzeit:
Nach dem Geständnis könnte der seit September 2020 dauernde Prozess demnächst zum Abschluss kommen - voraussichtlich im Juni. Der ebenfalls angeklagte ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung, Wolfgang Hatz, und zwei seiner leitenden Ingenieure gestanden bereits, dass sie die Ausgestaltung der Motor-Software veranlasst hatten.
ZDF frontal deckte 2016 auf: Nicht nur VW nutzte bei Dieselautos unzulässige Abschalteinrichtungen, auch Mercedes, BMW und Renault:

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Mit unzulässigen Abschalteinrichtungen hielten die Autos die Stickoxid-Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand ein, aber nicht auf der Straße. Auch Hatz und ein Ingenieur können nach Zusagen des Gerichts mit Bewährung rechnen. Das Verfahren gegen den anderen Ingenieur wurde bereits gegen eine Geldauflage eingestellt.
Chronologie des Dieselskandals:

2015

  • Die US-Umweltbehörde EPA wirft im September des Jahres Volkswagen Verstöße gegen das Klimaschutzgesetz "Clean Air Act" vor. Es geht um 482.000 Diesel-Fahrzeuge in Kalifornien.
  • In der Folgezeit gibt Audi den Einsatz von sogenannter "Schummel-Software" in einem großen Dieselaggregat, dem V6-TDI-Motor, zu.
  • VW beauftragt die US-Kanzlei Jones Day, den Abgasskandal und seine Hintergründe aufzuarbeiten. Dazu werden riesige Datenmengen ausgewertet und Manager befragt.

2017

  • Aufgrund der Untersuchungsergebnisse von Jones Day, die nicht veröffentlicht werden, und der Ermittlungsergebnisse der US-Justizbehörden, vergleicht sich VW mit der US-Regierung auf insgesamt 4,3 Milliarden Dollar an Strafen und Bußgeldern. Damit sehen VW und Audi die Dieselkrise als "aufgearbeitet" an, wollen aber mit den Behörden weiter kooperieren. Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler selbst sieht sich durch die Untersuchungsergebnisse von Jones Day entlastet.
  • Die Staatsanwaltschaft München II durchsucht im März am Tag der Audi-Bilanz-PK Büroräume des Konzerns in Ingolstadt und Neckarsulm. Auch bei VW in Wolfsburg werden Büros durchsucht. Die Behörden ermitteln gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung.

2018

  • Die Staatsanwaltschaft München durchsucht im Februar erneut Büroräume von Audi in München und Neckarsulm. Es geht jetzt erstmals auch um Audi-Modelle mit Abschalteinrichtung, die außerhalb der USA verkauft wurden.
  • Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt von Juni an gegen Rupert Stadler persönlich. Er zählt nun zu einem Kreis von 20 Beschuldigten im Abgasskandal
  • 18.06.2018: Rupert Stadler wird festgenommen und kommt in U-Haft. Ihm wird Betrug im Zusammenhang mit dem Verkauf von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgasreinigung vorgeworfen. Grund der Festnahme ist Verdunklungsgefahr.
  • Anfang Oktober scheidet Rupert Stadler aus dem Vorstand von Audi und VW aus
  • Ende Oktober wird der Haftbefehl gegen Rupert Stadler gegen Kaution ausgesetzt.

2019

  • 31.07.2019: Anklageerhebung durch die Münchner Staatsanwaltschaft.

2020

  • 30.09.2020: Prozess-Beginn in München-Stadelheim

2021

  • 12.01.2021: Rupert Stadler sagt erstmals im Prozess aus
  • 06.08.2020: Anklage gegen vier weitere ehemalige Audi-Manager

2023

  • 25.04.2023: Wolfgang Hatz, ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Vorstand und ein weiterer leitender Ingenieur geben zu, die Software-Manipulationen in Auftrag gegeben zu haben. Sie hatten damit ebenfalls einem Deal zugestimmt.
  • 03.05.2023: Rupert Stadler kündigt an, ein Geständnis ablegen zu wollen. So kann er eine Gefängnisstrafe umgehen.
  • 16.05.2023: Stadler legt ein Geständnis im Audi-Prozess ab.
  • 27.06.2023: Das Landgericht München verurteilt Stadler zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Zudem muss er ein Bußgeld in Höhe von 1,1 Millionen Euro zahlen. Die Wirtschaftsstrafkammer spricht ihn des Betrugs schuldig, weil er den Verkauf von Dieselautos mit manipulierten Abgaswerten zu spät gestoppt hatte.
Quelle: dpa, Reuters

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