: Wie deutsche Autobauer profitieren können

von Peter Aumeier
28.03.2023 | 12:52 Uhr
Deutsche Autobauer leiden unter schwächelndem Absatz. Autonomes Fahren verspricht laut einer Studie enormes Umsatzwachstum. Wie deutsche Autobauer profitieren können.
Testbetrieb für ein "Autonomes Shuttle" am Frankfurter Flughafen: Experten zufolge ist Deutschland beim Thema autonomes Fahren auf einem sehr guten Weg. (Archivbild)Quelle: dpa
Es ist eine ungeheure Zahl: 400 Milliarden US-Dollar. Die Summe entspricht dem Bundeshaushalt des Jahres 2020. So viel Geld kann künftig weltweit jährlich mit autonomem Fahren verdient werden. Sensationelle Steigerungsraten - so eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey.
"Zwar haben einige Unternehmen den Marktstart ihrer vollautomatischen Fahrzeuge verschoben, aber bei Fahrassistenzsystemen sehen wir große Sprünge", resümiert der Co-Autor der Studie, Kersten Heineke, von McKinsey in München. Auch deutsche Autobauer wollen vom anstehenden Boom profitieren; die Aussichten dafür sind nicht schlecht.

Robo-Taxis in China und den USA unterwegs

Anfang des Jahres wurde Deutschland in Las Vegas vom amerikanischen Wirtschaftsverband Consumer Technology Association (CTA) im Bereich Autonomes Fahren mit der Bestnote bedacht. Deutschland stehe oft vor dem Problem, Errungenschaften selbst nicht stark genug wahrzunehmen und zu kommunizieren, hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing damals die Lage kommentiert.
Doch die imageträchtigen Bilder mit autonom fahrenden Autos kommen bislang aus China und den USA. So fahren durch chinesische Städte - wie von Geisterhand - Robo-Taxis; ebenso in Phoenix (Arizona).

Verlässlichkeit oberste Priorität in Deutschland

Und in Deutschland? Da hat Mercedes Benz die Nase vorn mit einer selbstfahrenden S-Klasse und dem vollelektrischen EQS: beide auf Level 3, also hochautomatisiertem Fahren.
Doch mit einer Reihe von Einschränkungen, nämlich: Fahren...
  • nur auf Autobahnen
  • nur bis 60 Stundenkilometer
  • nur bei Trockenheit
  • nur bei Helligkeit.
Das Problem: Die Zulassungsvoraussetzungen in Europa sind wesentlich strenger. In den USA zertifiziert sich ein Autobauer wie Tesla selbst - was dann auch zu spektakulären Unfällen führen kann. Ein wesentlicher Grund also, warum in China und den USA in dem Bereich offenbar schneller voranschreitet.
In Deutschland hat Verlässlichkeit oberste Priorität. Für das Geschäft mit autonom oder teilautonom fahrenden Autos kann das aber durchaus ein Vorteil sein. Denn nur wenn der Technik vertraut wird, werden die Autos auch gekauft.
Assistiert, teilautomatisiert, hochautomatisiert, vollautomatisiert, autonom: Diese Begriffe beschreiben die fünf Stufen auf dem Weg zum autonomen Fahrzeug. Das bedeuten sie:

Erste Stufe: Assistiertes Fahren

  • Der Fahrer beherrscht ständig sein Fahrzeug
  • Der Fahrer muss den Verkehr ständig im Blick behalten
  • Der Fahrer haftet für Verkehrsverstöße und Schäden
  • Einzelne Assistenzsysteme unterstützen bei bestimmten Fahraufgaben

Zweite Stufe: Teilautomatisiertes Fahren

  • Der Fahrer beherrscht ständig sein Fahrzeug
  • Der Fahrer muss den Verkehr ständig im Blick behalten
  • Der Fahrer haftet für Verkehrsverstöße und Schäden
  • Unter definierten Bedingungen hält das Fahrzeug die Spur, bremst und beschleunigt

Dritte Stufe: Hochautomatisiertes Fahren

  • Der Fahrer darf sich vorübergehend von Fahraufgabe und Verkehr abwenden
  • In vom Hersteller vorgegebenen Anwendungsfällen fährt der Pkw selbstständig
  • Der Fahrer muss auf Anforderung durch das System kurzfristig übernehmen

Vierte Stufe: Vollautomatisiertes Fahren

  • Der Fahrer kann die Fahrzeugführung komplett abgeben und wird zum Passagier
  • Das Fahrzeug bewältigt Fahrten auf bestimmten Strecken (z.B. Autobahn, Parkhaus) völlig selbstständig. Es darf dann auch ohne Insassen fahren
  • Die Passagiere dürfen schlafen, ihr Smartphone verwenden oder Zeitung lesen
  • Das System erkennt seine Grenzen so rechtzeitig, dass es regelkonform einen sicheren Zustand erreichen kann
  • Die Passagiere haften während der vollautomatisierten Fahrt nicht für Verkehrsverstöße oder Schäden

Die fünfte Stufe: Autonomes Fahren

  • Es gibt nur noch Passagiere ohne Fahraufgabe
  • Fahrten ohne Insassen sind möglich
  • Die Technik im Auto bewältigt alle Verkehrssituationen

Quelle: ADAC

Experten: Deutschland kann mithalten

Ohne den Einsatz künstlicher Intelligenz wird es beim autonomen Fahren nicht gehen - da sind sich alle einig. Professorin Gitta Kutyniok leitet die Konrad-Zuse School für künstliche Intelligenz an der LMU in München, einem der führenden Standorte in der KI-Forschung.
Sie sieht Deutschland beim Thema autonomen Fahren auf einem "sehr guten Weg":
Es gibt so etwas wie die deutsche Gründlichkeit. Damit können wir sicherstellen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung da ist, dass auch ethische Richtlinien genügend zum Tragen kommen. Da sind wir ganz vorne weltweit dabei.
Gitta Kutyniok, Leiterin Konrad-Zuse School für künstliche Intelligenz
Auch beim Fachkongress des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) in Berlin in diesen Tagen zeigt man sich optimistisch. "Vernetzer autonomer Transport: Die Zukunft hat begonnen" heißt es dort.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller ist sich sicher: "Wir können auf jeden Fall mithalten, und ich glaube, wir sollten auch nicht den Eindruck immer wieder wiederholen, dass die Amerikaner oder Chinesen oder andere weiter sind als wir hier."
Das ist oftmals auch deutsche Technologie, die auf diesen Märkten auch schon erprobt wird.
Hildegard Müller, VDA-Präsidentin
Nur mit verlässlichen Daten können automatisierte Fahrzeuge auch verlässliche Entscheidungen treffen.

Kooperationen nötig

Genau daran arbeitet der Lehrstuhl für Automobiltechnik an der TU München um Professor Markus Lienkamp. Er will "ganz neue Wege" gehen. Seine Botschaft: open source - open access. Übersetzt: Wissenschaftler und Autohersteller sollen sich die gewonnen Daten und Erfahrungen teilen.
Professor Lienkamp ist sich sicher:
Das Rennen zwischen China, USA und Deutschland ist offen, wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn auch alle drei Regionen der Welt kooperieren.
Professor Markus Lienkamp, TU München

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