: Hier reicht das Bafög nicht zum Wohnen

von Luisa Billmayer und Robert Meyer
27.04.2024 | 14:13 Uhr
360 Euro sind im Bafög für das Wohnen vorgesehen. In den meisten Städten reicht das nicht für ein WG-Zimmer. Wo genau, sehen Sie in unserer Karte.

Die Mieten für Wohnungen steigen in deutschen Großstädten immer mehr.

20.03.2024 | 00:28 min
Ein WG-Zimmer oder eine Wohnung unter 400 oder 500 Euro? "Kaum zu bekommen", beklagt Laura. Sie studiert in Tübingen Deutsch und Englisch auf Lehramt.
Knapper Wohnraum ist für viele Studierende in Deutschland ein Problem. Sie leben angesichts der hohen Mietpreise und der zuletzt hohen Inflation finanziell oft am Limit.

Bafög reicht oft nicht

Eigentlich soll das Bafög den Studierenden dabei helfen - unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation. Doch die staatliche Förderung reicht oft nicht.
So sind im Bafög zum Beispiel pauschal 360 Euro für die Wohnkosten von Studierenden veranschlagt, die nicht mehr zuhause leben - egal, ob man in einer Stadt mit günstigen oder teuren Mieten wohnt.
Doch 360 Euro sind in den meisten Städten nicht mal genug für ein gewöhnliches WG-Zimmer - betroffen sind davon rund 76 Prozent aller Studierenden. Das zeigen aktuelle Daten des Moses Mendelssohn Instituts und des Immobilienportals WG-Gesucht.de.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr
Deutschlandweit müssen demnach Studierende in diesem Sommersemester im Mittel 479 Euro warm für die WG zahlen - 48 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr
Auf dem freien Markt wird es für Studierende immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Beate A. Schücking, Präsidentin des Studierendenwerks
Beate Schücking, Präsidentin des Studierendenwerks, bezeichnet das gegenüber dem Evangelischen Pressedienst als "soziale Auslese". "Die Studienwahl droht abhängig zu werden davon, wo ich mir die Miete als Student oder Studentin noch leisten kann. Zugespitzt formuliert: Die Kinder aus vermögenden Haushalten studieren an den Top-Hochschulen in den teuren Metropolen, diejenigen aus einkommensschwächeren Familien sollen aufs platte Land ausweichen - das wäre eine sozial- und bildungspolitische Bankrotterklärung."

Studierende trifft die Inflation besonders hart

Stark steigende Mieten belasten Studierende besonders. Sie geben anteilig deutlich mehr für Wohnen und Essen aus als der Rest der Bevölkerung.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr
Hinzu kommt, dass nur wenige den vollen Bafög-Satz von 812 Euro pro Monat beanspruchen können. Die Hälfte aller Bafög-Studierenden erhält maximal 600 Euro monatlich.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr
Abhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern setzt sich der Bafög-Satz individuell zusammen. Werte über 812 Euro ergeben sich nur in Ausnahmefällen durch Zusatzleistungen wie Kinderbetreuungszuschlag und Auslandsförderung.

Viele Studierende gelten als arm oder armutsgefährdet. Vor allem junge Menschen aus einkommensschwachen Familien scheuen daher oft vor einem Studium zurück.

11.07.2023 | 09:22 min

Studierende müssen ihr Geld woanders herbekommen

83 Prozent der Studierenden werden von ihren Eltern unterstützt, 59 Prozent arbeiten nebenbei - und Studierende ohne Bafög finanzieren sich deutlich stärker durch Eltern und Arbeit. Rund 15 Prozent aller Studierenden nehmen sogar einen oder mehrere Kredite auf.
"Das Bafög steckt in einer tiefen Krise", sagt Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).
Menschen bleiben stecken in der Abhängigkeit von Eltern oder Nebenjob.
Ulrich Müller, Centrum für Hochschulentwicklung
Die Gefahr laut Müller: dass viele wegen des Drucks, selbst Geld verdienen zu müssen, länger studieren. "Und möglicherweise werden weniger Studienanfänger ihre Studienort-Entscheidung nicht mehr danach treffen, wo ihr Lieblingsfach besonders gut ist, sondern nach Ortsnähe, um weiter zu Hause wohnen zu können."

"Bundesweit werden gerade Tarifverträge neu verhandelt, nur bei Studierenden gibt es kein Mehrgeld", beklagt Niklas Röpke von der Studierendenvertretung fzs.

06.03.2024 | 06:22 min

Anteil der Bafög-Empfangenden gesunken

Eingeführt wurde das Bafög 1971. 1973 bezogen 39 Prozent der Studierenden Bafög. Die zuletzt veröffentlichte Studierendenbefragung ergab: 2021 erhielten 15 Prozent der Studierenden Bafög.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr
Ulrich Müller vom CHE sieht zwei wesentliche Gründe für diese niedrige Quote. Das Einkommen der Eltern vieler Studierender liege über der Bemessungsgrenze für das Bafög. "Diese wurde bisher immer zu spät, zu selten und zu zurückhaltend angepasst", so Müller. Auch die nächste Reform würde nur minimal nachsteuern.
Außerdem sei das Bafög zu unflexibel für viele Studierenden. "Das Bafög lebt von einer Normvorstellung eines Studierenden: Studium direkt nach dem Abitur, in Vollzeit, in Regelstudienzeit, ohne Studiengebühren. Aber die Hochschulwelt hat sich weiterentwickelt", erklärt Müller.

Die Zahl der Bafög-Empfänger ist zurückgegangen. Eine Reform, vom Kabinett auf den Weg gebracht, soll das ändern.

06.03.2024 | 01:46 min

Bafög-Reform von Studierendenvertretungen gefordert

Studierendenvertretungen fordern deshalb auch eine grundlegende Bafög-Reform. "Das Bafög muss zum Leben reichen" - auch ohne nebenbei arbeiten zu müssen. Zudem sei der Bau neuer Studierendenwohnheime notwendig, so das Deutsche Studierendenwerk.
Die geplante, aber noch nicht beschlossene, Bafög-Reform sieht keine höheren Sätze vor. Dafür aber eine "Studienstarthilfe": ein einmaliger Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro für ärmere Studierende, um Lehrmaterialien, Laptop oder Kaution bezahlen zu können.

Zuschuss durch neu eingeführte Studienstarthilfe

Mit der sogenannten Studienstarthilfe können junge Menschen aus einkommensschwachen Haushalten einen einmaligen Zuschuss von 1.000 Euro bekommen. Damit sollen Ausgaben, die typischerweise mit dem Studienstart verbunden sind, etwa ein Laptop, Lehr- und Lernmaterialien oder auch die Mietkaution, bezuschusst werden. Die Studienstarthilfe könne unabhängig von einem späteren Bafög-Bezug beantragt werden und werde nicht auf das Bafög angerechnet, so das BMBF.
Geplant sind zudem ein zusätzliches Bezugssemester außerhalb der Regelstudienzeit und höhere Elternfreibeträge, sodass mehr Studierende Bafög-berechtigt sind und die Empfangenden auch mehr Geld bekommen.
Das sei laut Ulrich Müller aber nicht genug. Schon die vorherige Reform "holte Versäumtes nur zum Teil nach und wurde längst durch die Inflation überholt". Es bestehe weiter Anpassungsbedarf. "Da fehlt ein mutiger Schritt."
Redaktion: Kevin Schubert

Thema

Mehr zum Thema Wohnungsnot