: Traum vom Eigenheim: War früher alles besser?

von Michael Haselrieder
16.08.2023 | 08:28 Uhr
Der Traum vom Eigenheim ist für viele Familien heute in weite Ferne gerückt. Doch in den 80ern soll der Immobilienerwerb noch schwieriger gewesen sein. Wie kann das sein?
Neubaugebiet in Wallenhorst bei Osnabrück.Quelle: ZDF
Schon vor mehr als zwei Jahren haben Sophia und Adrian Leistner ein Grundstück in Ebersdorf bei Coburg gekauft. Das Paar nahm damals einen Baukredit auf - mit sehr niedrigen Zinsen. Doch die Wiese, auf der das junge Paar den Traum vom Eigenheim verwirklichen wollte, liegt noch immer brach. Die Erschließung der Siedlung verzögert sich.
"Unsere Finanzierung ist deshalb geplatzt", sagt Sophia Leistner. Um zu bauen, bräuchten sie eine neue Finanzierung - dies sei wegen der mittlerweile stark gestiegenen Zinsen nun aber nicht mehr zu stemmen.
Obwohl beide arbeiten und Geld verdienen, können sie sich kein Eigenheim leisten. So geht es derzeit vielen Familien in Deutschland. Und das ungute Gefühl steht im Raum: Früher, in der Elterngeneration, war der Immobilienkauf einfacher.
Erst vergangenen März berichtete ZDF frontal über Sophia und Adrian Leistner:

Steigende Zinsen, hohe Baukosten, wenig Förderung - viele junge Familien können sich ihren Traum vom Eigenheim nicht mehr leisten, weil sie an der Finanzierung scheitern.

28.03.2023 | 08:27 min

Steigende Zinsen werden zum Problem beim Hauskauf

Ursprünglich hatten die Leistners einen Kredit über 350.000 Euro aufgenommen - zu 1,1 Prozent Zinsen. Das war 2021.
Damals hätten wir eine monatliche Belastung von 1.100 Euro gehabt. Das war perfekt durchkalkuliert, sogar mit potenziellen Kindern. Mittlerweile wären wir bei fast 2.000 Euro.
Sophia Leistner
"Das ist für uns nicht mehr stemmbar", erzählt Sophia Leistner. Lange lagen die Bauzinsen mit einer Bindung von zehn Jahren bei rund einem Prozent. Seit dem Frühjahr 2022 geht es steil nach oben. Mittlerweile liegen die Zinsen zwischen 3,5 und 4 Prozent - Tendenz steigend.
Adrian und Sophia Leistner.Quelle: ZDF

Studien: Immobilien sind heute erschwinglicher

Trotzdem kommen Studien zu dem Ergebnis, dass Immobilien heute erschwinglicher sind als früher. Als Basis wird der sogenannte Erschwinglichkeitsindex herangezogen. Demnach war es Anfang der 1980er Jahre viermal schwieriger, ins Eigenheim zu kommen als heute.
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Der Erschwinglichkeitsindex setzt Bauzinsen und Immobilienpreise ins Verhältnis zum verfügbaren Einkommen eines Haushalts. Ende der 70er und Anfang der 80er-Jahre lagen die Bauzinsen mit 10 bis 12 Prozent deutlich höher als heute mit knapp vier Prozent.
Die Frage nach dem Erschwinglichkeitsindex stellt auch eine Doku von ZDF Zeit:

Freie Fahrt und freie Meinung - war es wirklich so?

08.08.2023 | 44:43 min

Das Problem mit dem Erschwinglichkeitsindex

Gleichzeitig sind die Einkommen in den vergangenen 40 Jahren deutlich stärker gestiegen als die Immobilienpreise. "Das heißt: Die Erschwinglichkeit hat sich über einen längeren Zeitraum immer weiter verbessert", sagt Immobilienexperte Prof. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Interview mit ZDFheute.
"Insofern war es Anfang der 80er Jahre tatsächlich schwieriger als heute, sich ein Eigenheim zu leisten." Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn im Erschwinglichkeitsindex würden viele Faktoren nicht berücksichtigt, räumt Voigtländer ein.
Ein Problem für viele Familien heute ist, dass die Erwerbsphase später anfängt. Immer mehr Menschen studieren und verdienen erst mit 25 oder 30 Jahren Geld, das sie fürs Eigenheim zurücklegen können.
Michael Voigtländer, Institut der deutschen Wirtschaft
Zweitens hätten früher viel mehr Häuslebauer selbst mitangepackt. "Eigenleistungen sind heute schwieriger möglich, weil die Immobilien viel komplexer geworden sind und man vieles nicht mehr selbst machen kann", sagt Voigtländer.

Kaufnebenkosten sind höher als früher

Ein weiterer Punkt sind die Kaufnebenkosten. Die sind heute deutlich höher als noch in den 80er Jahren. Die Grunderwerbssteuer lag lange bundesweit bei zwei Prozent. Heute fallen je nach Bundesland bis zu 6,5 Prozent an. Hinzu kommen Makler- und Notarkosten.
Die Familien heute müssten mehr ansparen, sagt Immobilienexperte Voigtländer. "Das ist tatsächlich für viele Familien ein Ausschlusskriterium. Das war früher teilweise leichter." Außerdem habe es damals noch mehr staatliche Förderung gegeben - wie zum Beispiel die Eigenheimzulage.
Und am Ende ist es vor allem eine Frage der Perspektive: Nach einer langen Phase mit sehr niedrigen Zinsen hat sich die Erschwinglichkeit deutlich verschlechtert.
"Der Immobilienerwerb hat sich innerhalb kürzester Zeit um ein Drittel verteuert. Das ist natürlich ein harter Schlag", so Michael Voigtländer weiter.

Themenschwerpunkt: Wohnungsnot in Deutschland, Sozialer Wohnungsbau in der Krise, Aus der Traum vom Eigenheim, Baubranche schlägt Alarm, Umstrittenes Energiegesetz

28.03.2023 | 44:27 min

Traum vom Eigenheim für viele in weiter Ferne

Auch wenn es Anfang der 80er-Jahre noch schwierig gewesen sein sollte, den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen: Für Sophia und Adrian Leistner aus Ebersdorf ist das kein Trost. Sie hoffen, dass sich die Lage auf dem Immobilienmarkt bald wieder verbessert.
Den Spaten für den ersten Spatenstich hat das Paar schon: "Den hat mein Bruder uns 2021 zu Weihnachten geschenkt", erzählt Sophia Leistner. "Jetzt ist er nur noch eine gemeine Erinnerung im Keller, dass es mit dem Bau bisher nicht geklappt hat."
Michael Haselrieder ist Redakteur der Investigativ-Redaktion von ZDF frontal

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