: Erobert China den europäischen E-Auto-Markt?

von Anne Sophie Feil
19.05.2023 | 13:23 Uhr
China hat den Wandel zur E-Mobilität früher angestoßen und genießt erhebliche Wettbewerbsvorteile. Verdrängen chinesische Autobauer die deutsche Autoindustrie, hat das Folgen.
E-Autos aus China könnten schon bald zu einer großen Herausforderung für die deutsche und europäische Autoindustrie werden.Quelle: AP
Elektro-Autos werden immer beliebter. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ist in den ersten vier Monaten 2023 schon jedes fünfte in Deutschland neu zugelassene Auto elektrisch angetrieben, einen Großteil davon machen die reinen Stromer aus. Allein im April wurden demnach mehr als ein Drittel mehr vollelektrische Pkw zugelassen als im Vorjahresmonat.
Ab 2035 plant die EU den Verbrennerausstieg, das heißt Neuwagen mit Benzin- oder Dieselantrieb sollen nicht mehr verkauft werden. Damit will die EU den CO2-Ausstoß im Verkehr herunterschrauben. Wer in Deutschland ein E-Auto kaufen will, wird aktuell mit bis zu 6.750 Euro Umweltbonus bezuschusst.

China verkaufte doppelt so viele Stromer wie Europa und die USA zusammen

Der Autosektor ist im Wandel. Eine Herausforderung, gerade für deutsche Autobauer und Zulieferer, die die Transformation zur Elektromobilität lange herausgezögert haben.
Diese Chance haben ausländische Wettbewerber genutzt, um den Markt zu erschließen. Einige davon kommen aus China. Aus der Volksrepublik wurden von Januar bis März dreimal mehr E-Autos importiert als im ersten Quartal des vergangenen Jahres. 2022 hat China mehr als doppelt so viele Stromer verkauft wie Europa und die USA zusammen.
Das liegt aber auch daran, dass immer mehr europäische Autobauer ihre Fahrzeuge in China herstellen und direkt vor Ort verkaufen oder nach Europa importieren. BMW beispielsweise lässt sein erstes reines Elektromodell iX3 ausschließlich in Shenyang fertigen.

Wettbewerbsvorteile für chinesische E-Autos

Dort lässt sich günstiger produzieren und teure Schutzzölle werden gespart, die zum Beispiel anfallen, wenn in Europa hergestellte Autos nach China exportiert werden. Auch die Lohn- und Entwicklungskosten liegen dort unter dem europäischen Niveau, erklärte Patrick Koller, Chef des französischen Zulieferers Forvia, im Januar gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Zudem haben Halbleitermangel und gestiegene Energiepreise die E-Auto-Produktion hierzulande in den letzten zwei Jahren erschwert und verteuert. Autobauer in der Volksrepublik waren von den Problemen weniger betroffen und konnten günstiger produzieren. Bei kleinen Elektroautos haben chinesische Hersteller einen Kostenvorteil von 10.000 Euro, schätzt ein führender Autozulieferer.

Erfolg für chinesische Autohersteller auch in Europa

Sie haben zudem schon vor Jahren enorm in den Ausbau der E-Mobilität investiert und in fast allen Aspekten der Wertschöpfungskette einen Wettbewerbsvorteil. Sie profitieren von lokal verfügbaren Rohstoffen und Vorprodukten, während die europäische Batterie- und Elektroindustrie erst noch aufgebaut wird. Bis dahin müssen dafür benötigte Seltenerd-Metalle und Lithium-Ionen-Akkus größtenteils aus China eingekauft werden.
Das stärkt chinesische Automarken wie BYD, Geely, Nio, Xpeng oder Great Wall, die auch in Europa an Beliebtheit gewinnen. Mit dem Verbrenner-Ausstieg dürfen Neuwagen in Europa ab 2035 nur noch verkauft werden, wenn sie batteriebetrieben sind.
Spätestens dann würden Autos aus europäischer Produktion zunehmend durch in China hergestellte Autos ersetzt – "unabhängig davon, ob diese Fahrzeuge von einem chinesischen, amerikanischen oder europäischen Unternehmen hergestellt werden", vermutet Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade.

Wegbrechende Marktanteile schwächen Wirtschaftsleistung

Die wachsende chinesische Marktmacht und damit wegbrechende Marktanteile europäischer Autobauer wirkt sich auch auf das Wirtschaftswachstum aus. Für Deutschland, wo die Autoindustrie 15 Prozent der Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes ausmacht, geht Allianz Trade in einem Gutachten von einer um 0,4 Prozent schwächeren Wirtschaftsleistung aus, sollten chinesische Hersteller ihren Marktanteil allein in China in den nächsten sieben Jahren auf 75 Prozent erhöhen.
Deutschland und Europa sollten daher die lokale Produktion von Halbleitern und Batteriezellen weiter ausbauen und mehr in Forschung und Entwicklung investieren, empfehlen die Gutachter. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will zudem den Umweltbonus der EU reformieren, sodass nur noch in Europa hergestellte Autos gefördert werden.

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