: Wo das Lieferkettengesetz an Grenzen stößt

von Berndt Welz
04.02.2024 | 16:12 Uhr
Das EU-Lieferkettengesetz soll garantieren, dass nach Europa keine Rohstoffe kommen, für die Regenwald gerodet wurde. Doch gerade bei Kautschuk ist dies kaum möglich.

Für Autoreifen wird Regenwald zerstört. Die Hersteller benötigen Kautschuk. Wenn neue Plantagen entstehen, müssen bislang unberührte Wälder weichen. Dabei gäbe es Alternativen.

04.02.2024 | 28:40 min
Die Münchner Sportartikel-Messe Ispo bekam vor kurzem ganz besonderen Besuch: Mai Loyen, CEO der thailändischen Agrarkooperative Agriac, warb für nachhaltigen Kautschuk.
Die 3.000 Agriac-Kleinbauern bewirtschaften ihre Plantagen streng nach den Richtlinien des FSC. Die Zertifizierungs-Organisation verlangt erhöhte Standards bei Arbeitsbedingungen, sowie die Verpflichtung, keinen Regenwald für neue Kautschukplantagen zu roden.
In Deutschland angebauter russischer Löwenzahn könnte zukünftig den Naturkautschuk aus den Regenwäldern ersetzen.Quelle: ZDF/CWUM
Kautschuk wird vor allem auch in Sohlen von Sportschuhen verarbeitet. Bei deren Herstellern stieß Mai Loyen auf offene Ohren. Aus einem ganz konkreten Grund: Beim Import von Gütern in die EU sollen Menschenrechte, die Umwelt und der Schutz der für das Klima so unverzichtbaren Regenwälder Priorität haben.
Eine entsprechende Regelung wird wohl spätestens Ende 2024 umgesetzt werden. Verstoßen Unternehmen gegen das neue EU-Lieferkettengesetz, drohen ihnen Strafen.

Das Europaparlament und die EU-Länder haben sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Damit sollen Unternehmen für ihre Produktionsbedingungen haftbar gemacht werden können.

14.12.2023 | 00:18 min

Keine Transparenz in der Kautschuklieferkette

Die Bestimmungen gelten auch für landwirtschaftliche Rohstoffe aus den Tropen. Auf Europas Reifenhersteller kommt mit dem neuen Lieferkettengesetz einiges zu. Denn bis der Kautschuk in den Pneu kommt, hat er für gewöhnlich bis zu sieben Zwischenhändler hinter sich. Transparenz ist dabei so gut wie unmöglich. Für den deutschen Autoreifenhersteller Continental ist die neue EU-Regelung wettbewerbsverzerrend:
Wir sind in globaler Konkurrenz zu China. Wenn, dann sollte das für alle gelten.
Henry Schniewind, Conti-Sprecher
Doch es hilt nichts. Deswegen gehen einige Autoreifenhersteller neue Wege: Michelin schult auf eigenen Industrieplantagen auf Sumatra und in der Elfenbeinküste Arbeiter, will dadurch mehr Kautschuk aus seinen Plantagen herausholen und auch Kinderarbeit verhindern.

Das Lieferkettengesetz verwässert durch Politik und Lobbyarbeit

24.01.2023 | 09:25 min
In Jambi auf Sumatra hat das französische Unternehmen allerdings die Kritik von Umweltorganisationen auf sich gezogen. Michelin wird vorgeworfen, Investoren im Jahr 2018 wissentlich eine Kautschuk-Plantage als grüne Geldanlage angeboten zu haben, die kurz zuvor noch intakter Regenwald war. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

Löwenzahn als Kautschukersatz

Auch Continental versucht sich in Innovation: Zwar bezieht der Hannoveraner Konzern auch seinen Gummi aus Südostasien und schult ebenfalls Bauern. Doch ist es dem Konzern gelungen, nachhaltigen Kautschuk mit Flüssigkeiten zu markieren. Mit dieser Art Stempel, so Conti, sei eine Nachverfolgung möglich.

Mit dem neuen Lieferkettengesetz sollen Menschenrechte weltweit gestärkt werden. Doch wie sehr schützt es beispielsweise Kinder in Indien davor, dass sie weiter unter katastrophalen Bedingungen nach dem glitzernden Mineral Mica graben müssen?

24.01.2023 | 09:25 min
Mit Forschern des Fraunhofer Instituts in Münster arbeitet Continental außerdem an einer Alternative zum Kautschuk aus den Tropen: Latex, also flüssiger Kautschuk, aus den Wurzeln des russischen Löwenzahns. Christian Schulze Gronover vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie sagt:
Er hat ein sehr hohes Molekulargewicht. Seine Polymere sind sehr lang und dementsprechend hat er großartige Eigenschaften in der Elastizität.
Christian Schulze Gronover, Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie
Doch es wird voraussichtlich noch zehn Jahre dauern, bis er industriell zur Autoreifenproduktion eingesetzt werden kann. Zumindest für Fahrradreifen wird er schon verwendet.

Eine App für mehr Transparenz

Mit digitaler Technik arbeitet Agriac, die thailändische Kooperative von Mai Loyen. Die 3.000 Kleinbauern sind mit Handys und Apps ausgestattet und registrieren darauf ihre tägliche Ernte. Mit den Kautschuk-Fabriken, zu denen der Rohstoff in großen LKW gelangt, besteht eine direkte Beziehung, ganz ohne Zwischenhändler.
Mai Loyen verspricht völlige Transparenz in den Lieferketten.
Bei uns bleiben die Plantagen im Besitz der Familien, die über Generationen ihr Land bestellen.
Mai Loyen, CEO der Agrarkooperative Agriac
Auf der Münchner Sportartikel-Messe Ispo sorgte sie für großes Interesse bei den Sportartikelherstellern. Auch ein italienischer Reifenproduzent zählt schon zu den Kunden.

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