: Pleitewelle verschärft Wohnungsnot

von Thadeus Parade
11.09.2023 | 09:15 Uhr
Immer mehr Immobilien-Entwickler geraten wegen hoher Zinsen und hoher Baukosten in finanzielle Schieflage. Das hat dramatische Folgen für Käufer und den Wohnungsmarkt.

Der Wohnungsbau wird immer teurer: Sowohl für Privatpersonen als auch für die Bauträger. Was passiert, wenn das Unternehmen pleitegeht, das gerade das lang ersparte Eigenheim baut?

07.09.2023 | 01:44 min
Tausende von Menschen hatten in den Traum der eigenen Wohnung investiert, dafür zum Teil bereits mehrere hunderttausend Euro anbezahlt - Kredite aufgenommen, Erspartes und Geerbtes reingesteckt. Durch die Insolvenz der Project Immobilien GmbH droht nun alles zu platzen:
Wir haben diese Wohnung als Familieninvestition gekauft und den Großteil unserer Ersparnisse darin investiert. Jetzt besteht die Gefahr das wir alles verlieren und langfristige Schulden haben.
Post eines Betroffenen der Pleite der Project Immobilien GmbH

Mehrere Größen auf dem Immobilienmarkt sind pleite

Es ist ein Schicksal von weit über tausend anderen, das in den Chatgruppen der sozialen Netzwerke anonym gepostet wurde. Die Project Immobilien GmbH unterhält Baustellen in fast allen größeren deutschen Städten - und überall herrscht derzeit Stillstand.
Es ist nicht der einzige namhafte Projektentwickler auf dem Immobilienmarkt, der Pleite gegangen ist: Centrum, Development Partners, Euroboden oder die Gerchgroup - alles große Namen, die es ebenfalls erwischt hat. Jahrelang funktionierte deren Geschäftsmodell glänzend: Grundstücke kaufen, Baurecht herstellen, Bauen und schließlich verkaufen - nun aber will keiner mehr investieren oder kann es sich aufgrund hoher Zinsen nicht mehr leisten.

In Immobilien zu investieren, ist eine scheinbar sichere Geldanlage. Weder Zinsschwankungen noch Börsencrashs entwerten das Eigenheim. Trotzdem kann ein Immobilienkauf zu Verlusten führen.

15.05.2021 | 43:26 min

Hohe Zinsen und Baukosten als Gründe für Insolvenzen

Extrem hohe Zinsen, hohe Baukosten und ein Investmentmarkt, der komplett zum Erliegen gekommen sei: All das seien Gründe, weswegen die Gerchgroup Insolvenz angemeldet habe, verkündete jüngst deren Chef Mathias Düsterdick auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz.

Prognose: Bautätigkeit wird weiter zurückgehen

Nach Meinung des Immobilienexperten Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft ist das erst der Anfang:"Wir haben einen unglaublich kleinteiligen Markt mit rund 16.000 Bauträgern in Deutschland und da werden wir noch mehr Insolvenzen erleben." Und das bedeute auch, dass die Bautätigkeit zurückgeht, so Voigtländer.
Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren deutlich weniger weniger bauen, als wir benötigen.
Michael Voigtländer, Immobilienexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft

Allein in Düsseldorf ist Weiterbau von 500 Wohnungen offen

Durch die Pleitewelle drohen halbfertige Rohbauten zu Bauruinen zu werden, Wohnungen, die die Planungsdezernenten in den Städten eigentlich geplant hatten.
Cornelia Zuschke steht am Düsseldorfer Rheinufer mit Sorgenfalten auf der Stirn. Allein in der Landeshauptstadt von NRW stehen mit der jüngsten Immobilien-Pleitewelle über 500 Wohnungen auf der Kippe. "Von daher ist das natürlich eine sehr schwierige Situation, weil es eben auch zum Teil halbfertige Projekte gibt, die vielleicht nicht fertig gestellt werden und die vielleicht von denen, die schon gekauft haben, fertig gestellt werden müssen", sagt die Planungsderzernentin der Stadt. Sie hofft, dass die Rohbauten "weiter entwickelt werden, von wem auch immer".
Von ihrem ursprünglichem Ziel, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, ist die Bundesregierung schon lange abgerückt. Mit etwas Glück werden 2023 rund die Hälfte erreicht. Die Zahlen des Analystenhauses "bulwiengesa" jedenfalls sind alarmierend: Demnach sind im ersten Halbjahr 2023 neue Wohnungsbaubrojekte um 54 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen.

Das Hochhaus, in dem bis letztes Jahr das Wiesbadener Finanzamt untergebracht war, steht so gut wie leer. Weil das Land die Immobilie anmietet ist weiter ein Betrag von 3,4 Millionen Euro pro Jahr fällig.

12.08.2023 | 02:34 min

Pleitewelle treibt Kauf- und Mietpreise in die Höhe

Die Pleitewelle dürfte also nicht nur Kauf- und Mietpreise weiter in die Höhe treiben, sondern die Wohnungskrise insgesamt befeuern. Düstere Aussichten, prognostiziert Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: "Die Formel ist eigentlich ganz einfach. Denn wenn nicht genug gebaut wird, gibt es zu wenige Wohnungen am Wohnungsmarkt für viele tausend Menschen, die Wohnungen suchen." Derzeit fehlten über 700.000 Wohnungen am deutschen Mietmarkt, erläutert Müller.
Und das zeigt am Ende auch die Konsequenz für den sozialen Sprengstoff, den es zweifelsfrei gibt. Die Leute können sich Wohnen in Deutschland heute kaum noch leisten.
Tim-Oliver Müller, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
Thadeus Parade ist Reporter im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

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