: Inflation: Debatte um Zwei-Prozent-Ziel
Die Notenbanken kämpfen gegen Teuerung. Die Inflation muss wieder auf mindestens zwei Prozent eingefangen werden. Doch woher kommen eigentlich diese "ominösen" zwei Prozent, auf die sich alle fixieren? Eine empirische Begründung dafür gibt es nicht.
Die Zielgröße stammt aus den 1970er-Jahren, erinnert sich der frühere Wirtschaftsweise und Ökonom Bert Rürup in einer Zeitungskolumne. "Zwei Prozent" war ein pragmatischer Wert aus einer Zeit, in der die Inflationsraten in Deutschland um die sechs bis sieben Prozent recht hoch waren. So galt der Zielwert als Signal der Bundesbank, dass die Geldpolitik auf eine deutlich niedrigere Inflation abzielte und daher strenger ausgerichtet wurde.
In Deutschland ist die Inflation im Juli wieder leicht angestiegen und das, obwohl Energie billiger geworden ist. Inflationstreiber waren vor allem Dienstleistungen.
30.07.2024 | 01:32 minForderung nach neuem Inflationsziel von drei Prozent
Doch die Zeiten haben sich geändert und die Stimmen werden lauter, die sagen, eine solche Zielgröße sei nicht mehr zeitgemäß. Der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Olivier Blanchard, fordert im Handelsblatt ein Umdenken von der Europäischen Zentralbank und anderen Notenbanken.
Ein Inflationsziel von drei Prozent wäre sinnvoller.
Tatsächlich hat die EZB damals bei ihrer Gründung das Ziel von der Bundesbank nahezu unverändert übernommen und im Verlauf immer wieder leicht angepasst. Inzwischen aber besteht EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf "glatt zwei Prozent". Und längst hat sie klargestellt, dass das bestehende Inflationsziel "nicht zur Debatte" stehen würde.
Zeiten moderater Preissteigerungen sind laut Experten vorbei
Dabei spricht einiges für die Drei-Prozent-Befürworter. Vereinfacht argumentieren sie: Die Zukunft wird teurer. Die Zeiten moderater Preissteigerungen, die uns der globale Wettbewerb beschert und viele Alltagsgüter sogar billiger gemacht hat, sind vorbei. "Wir haben strukturelle Faktoren, die die Inflation hochhalten werden", ist sich Carsten Brzeski sicher, ING-Bank-Chefvolkswirt für Deutschland.
Seit einiger Zeit kennen die Dönerpreise nur noch einen Weg: nach oben. Mima-Reporter Lisa Jandi zeigt, warum der Döner so teuer geworden sind und ob ein Ende der Preissteigerungen zu erwarten ist.
18.07.2024 | 06:13 minFreihandelsabkommen scheitern oder liegen auf Eis, stattdessen drohen Strafzölle wie bei E-Autos. Auch die Alterung der Bevölkerung in weiten Teilen der Euro-Zone spielt dabei eine Rolle. Durch sie werden Arbeitskräfte knapper, wodurch die Löhne mittelfristig weiter steigen werden.
Mehr Fokus auf Wirtschaftswachstum gefordert
Inhaltlich sagt Brzeski daher, sei eine höhere Inflationsvorgabe durchaus berechtigt, nur ist der Ökonom kein Anhänger von festen Vorgaben, eine flexible Ausrichtung der Geldpolitik fände er zielführender:
Wichtig sei, dass die Notenbanken ihr Augenmerk wieder verstärkt auf die Unterstützung des Wachstums richten.
Denn der Investitionsbedarf sei hoch und investieren ließe sich nun mal leichter, wenn die Leitzinsen gesenkt werden könnten. Was wiederum leichter möglich wäre, würde man sich nicht sklavisch an einer Vorgabe von zwei Prozent ausrichten.
Im Kampf gegen die anhaltend hohe Inflation erhöhen drei wichtige Notenbanken noch einmal die Leitzinsen. Wie geht es weiter mit den Zinsen und der Teuerungsrate im Euro-Raum? Susanne Biedenkopf im Gespräch.
15.12.2022 | 06:09 minGefahr zukünftig noch höherer Inflationsraten
Doch auch die Währungshüter um Christine Lagarde haben schlagkräftige Argumente. Würden "drei Prozent das neue zwei Prozent sein" dann, so Brzeski, würden wir "den Schalter nur um ein Level nach oben schieben". Das würde kurzfristig helfen, denn das für Wachstum notwendige Kapital, wäre leichter zu bekommen; gleichzeitig aber würden auch die Risiken steigen.
Die Spielräume würden größer, sich höher zu verschulden. Gleichzeitig dürften auch die Löhne noch stärker anziehen als ohnehin bereits prognostiziert. Im Ergebnis droht mittelfristig noch eine sehr viel höhere Inflation als zuletzt.
Die Inflation sei zwar rapide zurückgegangen, so ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath. Vielen Menschen gehe es aber erst mal schlechter.
21.06.2024 | 12:01 minInflationsziel: Besser zwei bis drei Prozent - als null
Klar bei der aktuellen Debatte ist nur, das hat die Vergangenheit gezeigt, so Brzeski: "Es braucht ein Ziel oberhalb von null Prozent, denn schlimmer als Inflation wäre Deflation", also eine Situation, in der die Preise fortlaufend fallen.
Sinkende Preise mögen sich unter Konsumgesichtspunkten zwar verlockend anhören, sind aber gefährlich. Denn gleichzeitig würde kaum noch Jemand investieren und würden in der Folge Löhne sinken beziehungsweise Jobs abgebaut werden. Ein Zustand, den es unbedingt zu vermeiden gilt und der auch erklärt, warum die großen Notenbanken in den 1970er-Jahren unabhängig voneinander entschieden, dass eine jährlich Preissteigerung von um die zwei Prozent gesund für das Wachstum der Weltwirtschaft wäre.
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