: Vom bewunderten Krypto-Guru zum Hochstapler?

von David Metzmacher
15.11.2022 | 19:19 Uhr
Sam Bankman-Fried galt als Wunderkind der Kryptoszene. Das ist mit der Pleite seiner Handelsplattform FTX nun vorbei. Und Vorwürfe gegen den umtriebigen Unternehmer stehen im Raum.
Sam Bankman-Fried galt als Krypto-Guru. Nach der FTX-Pleite stellt sich die Frage: War er nur ein Hochstapler?Quelle: Reuters
Mehrfacher Milliardär und gerade einmal 30 Jahre alt: Sam Bankman-Fried, Spitzname SBF. Der US-amerikanische Gründer von FTX, einer Börse für Kryptowährungen, galt als Wunderkind seiner Branche. Dann ging seine Handelsplattform pleite, nun werden Vorwürfe gegen ihn laut.
Bankman-Fried war nicht nur ein umtriebiger Unternehmer, für dessen Kryptobörse unter anderem der Football-Star Tom Brady und seine Frau Gisele Bündchen warben - bei den Midterms in den USA war er der zweitgrößte Spender der Demokraten. Zudem bot er Elon Musk an, ihn beim Kauf von Twitter mit Milliarden von Dollar zu unterstützen.

Sam Bankman-Frieds Aufstieg zum Krypto-Guru

Nach einem Studium der Physik und Mathematik am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) heuerte Bankman-Fried in der Finanzindustrie an, bei einer Handelsfirma für Wertpapiere. Nach einem Praktikum blieb er dort knapp vier Jahre, bevor er Ende 2017 seine eigene Trading-Firma Alameda Research gründete. Ein Vermögen machte er nach eigenen Angaben mit einem sogenannten Arbitrage-Handel mit Bitcoin: Er kaufte die Kryptowährung in den USA und konnte sie in Japan teurer verkaufen. Damit will er täglich Millionen verdient haben.

Gründung von FTX, Retter und Wohltäter

Nach ersten Erfolgen in der Kryptoszene gründete er im April 2019 die Handelsplattform FTX. Drei Jahre später hatte diese knapp eine Million Kunden und die eigene Kryptowährung FTT. Laut Nadine Graf, Krypto-Expertin vom Digitalmagazin t3n, war Bankman-Fried ein Wunderkind der Kryptoszene.
Ein Toyota Corolla und seine Badeshorts in Businessmeetings waren seine Markenzeichen und sollten sein altruistisches Denken belegen.
Nadine Graf, Ressortleiterin New Finance bei t3n
Zudem inszenierte er sich als Retter und kaufte mehrere Firmen mit Schwierigkeiten auf. Auf den Bahamas, wo der Hauptsitz von FTX ist, soll Bankman-Frodeied mit einer Handvoll Mitbewohnern gelebt haben. In Interviews und TV-Beiträgen tritt er häufig mit verstrubbelten Haaren, kurzer Hose und T-Shirt auf.

Bankman-Fried: Großer Geldgeber der Midterms 2022

Bei den Midterms, den Zwischenwahlen in den USA, war Bankman-Fried ein großzügiger Geldgeber. Nach dem Investor George Soros war er laut der NGO Open Secrets der zweitgrößte Spender der Demokraten mit über 36 Millionen Dollar.
Im April 2022 soll Bankman-Fried zudem Interesse an einer Partnerschaft mit Elon Musk gehabt haben, Twitter zu kaufen. Nach der FTX-Pleite schrieb Musk auf Twitter, Bankman-Fried habe seinen "Bullshit-Detektor" aktiviert:
Twittereigentümer Elon Musk über Bankman-Fried

Wie es zur FTX-Pleite kam

Die FTX-Pleite war ein Schock für die Kryptobranche, doch bereits zuvor gab es Anzeichen für Schwierigkeiten. Als Konkurrent und Marktführer Binance ankündigte, sich von seinen FTT-Beständen zu trennen, geriet die FTX-Kryptowährung unter starken Druck.
FTX-Kunden versuchten, ihre Einlagen abzuziehen. "Das Auszahlungsvolumen stieg sprunghaft so stark an, dass die Börse nicht mehr zahlungsfähig war", erklärt Graf. Das gipfelte darin, dass Binance die schwächelnde FTX übernehmen wollte, nach einer Prüfung der Bücher aber wieder zurückzog. Einige vermuten darin ein geschicktes Manöver von Binance-Gründer Changpeng Zhao, um einen Konkurrenten auszuschalten - dieser dementiert das.

Wie geht es nun mit FTX und Bankman-Fried weiter?

In einem Interview mit der "New York Times" von Sonntag spricht Bankman-Fried von Unachtsamkeit und Ablenkungen durch andere Geschäfte: "Wäre ich etwas konzentrierter darauf gewesen, was ich tue, hätte ich gründlicher sein können. Das hätte es mir ermöglicht, mitzubekommen, was bei riskanteren Geschäften passierte."
Im Raum steht die Frage, ob Bankman-Fried Milliarden von Dollar an Kundengeldern von FTX an seine eigene Trading-Firma geleitet hat, um dort damit zu handeln. Dies wird nun vom amerikanischen Justizministerium und der US-Börsenaufsicht untersucht. Kompliziert wird der Fall, weil FTX zwar eine Tochtergesellschaft in den USA betreibt, der Konzern aber in Antigua und Barbuda eingetragen ist und seinen Hauptsitz auf den Bahamas hat.
Krypto-Expertin Graf sagt, es gebe die Vermutung, dass Bankman-Fried nach der Insolvenz noch viele Millionen Dollar an verschiedene Wallets, also digitale Geldbeutel für Kryptowährungen, transferiert haben könnte.
Das bestärkt die enttäuschten und wütenden Stimmen aus der Kryptowelt, die Bankman-Fried als Verräter und Lügner sehen.
Nadine Graf, Ressortleiterin New Finance bei t3n

Was ist FTX?

FTX ist eine Handelsplattform, über die Nutzer mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether handeln können, aber auch mit weit komplexeren Finanzprodukten. Sie wurde nicht nur von privaten Investoren genutzt, sondern auch von Hedgefonds und anderen professionellen Akteuren.

Was sind Kryptowährungen?

Kryptowährungen sind keine echten Währungen wie Euro der Dollar, aber in immer mehr Lebensbereichen kann mit ihnen bezahlt werden. Viele sehen in ihnen eine - zwar schwankungsreiche - aber langfristig lukrative Geldanlage.

Warum ist FTX pleite?

Zum einen steht der Verdacht im Raum, dass FTX Kundengelder in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar veruntreut haben soll. Das Unternehmen soll damit riskante Finanzwetten eingegangen sein. Verstärkt wurde die Krise des Konzerns durch den Wertverlust der eigenen Kryptowährung FTT, die einen erheblichen Teil der Einlagen ausmachte.

Müssen FTX-Kunden um ihr Geld fürchten?

Ja, es ist möglich, dass sie sämtliche Einlagen verlieren. Sorgen bereiten Anlegern auch Berichte, wonach nach dem Insolvenzantrag nicht alle noch vorhandenen Einlagen gesichert worden seien.

Welche Auswirkungen gibt es auf Kryptowährungen?

Für den Kryptomarkt sind die Vorgänge rund um FTX ein Schock. Zwar sind die Anleger allerlei Skandale gewohnt, der FTX-Crash aber trifft den Markt in einer heiklen Phase: Seit einiger Zeit steigen weltweit die Zinsen, weil Notenbanken gegen die hohe Inflation vorgehen. Das schadet besonders riskanten Finanzanlagen, zu denen Kryptowährungen zählen. Entsprechend sind Bitcoin, Ether und andere Kryptoanlangen weiter unter Druck geraten.

Die FTX-Pleite könne viele verprellte Kunden zurücklassen, sagt Krypto-Expertin Nadine Graf, das beträfe nicht nur private Anleger, sondern auch viele Kryptofirmen, die Teile ihrer Gelder bei FTX angelegt hatten. "Noch ist das Ausmaß aber nicht abschätzbar. Der entstandene Imageschaden für den gesamten Kryptobereich dürfte schwer wiegen."

Wird die Krypto-Wirtschaft nun stärker reguliert?

Der Chef der Bankenaufsicht Bafin, Mark Branson, sagte als Reaktion auf die FTX-Pleite: Für die Kryptobranche brauche es einen Schutzwall zum Bankensystem oder umfassende Regulierung. Auch Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau forderte eine globale Reaktion der Regulierungsbehörden. "Aufgrund dieser Unsicherheit müssen wir stark und schnell auf internationaler Ebene die Krypto-Assets regulieren", sagte Villeroy de Galhau am Dienstag in Tokio. Auch der Chef der japanischen Zentralbank, Haruhiko Kuroda hat sich für strengere Regulierungen ausgesprochen.

Quelle: dpa, Reuters, ZDF

Mit Material von dpa

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