Interview

: Studieren am Existenzminimum 

18.02.2023 | 21:25 Uhr
Steigende Energiekosten und Inflation - für Studierende eine extreme Belastung. Matthias Anbuhl, Vorstand "Deutsches Studierendenwerk", erklärt, was sich ändern muss. 
Immer mehr Studierende können sich das Studieren nicht mehr leisten.Quelle: dpa
Hört man sich bei Studierenden um und fragt, wie es ihnen geht, kommen immer wieder ähnliche Antworten: Geldmangel, Sorge wegen hoher Energiekosten, teurer werdende Lebensmittel. Viele können sich ihr Studium nicht mehr leisten. Im Gespräch mit Volle Kanne erklärt Matthias Anbühl, Vorstand des Deutschen Studierendenwerkes, wie den jungen Menschen jetzt geholfen werden muss.
Das ganze Interview mit Matthias Anbuhl sehen Sie hier im Video:

Matthias Anbuhl vom Deutschen Studierendenwerk im Gespräch.

16.02.2023 | 04:34 min
Volle Kanne: Wie groß ist die finanzielle Not der Studierenden aus Ihrer Sicht? 
Matthias Anbuhl: Vielen Studierenden steht im Moment das Wasser wirklich bis zum Hals. Die jüngste gemeinsame Sozialerhebung des Bundes und des Deutschen Studierendenwerks besagt, dass 28 Prozent der Studierenden weniger als 700 Euro im Monat zur Verfügung stehen. Damit ist das Budget vieler wirklich auf Kante genäht und reicht gerade so bis zum Monatsende.
Doch diese Naht droht jetzt - in Zeiten der Inflation und zusätzlicher Preissteigerungen für Strom, Gas- und Lebensmittel - zu reißen. Deshalb ist es wichtig, dass der Bund jetzt schnell finanzielle Hilfen auf den Weg bringt.  
Volle Kanne: Im Herbst hatte die Regierung jedem Studenten 200 Euro Energiepauschale versprochen. Vorgestern hieß es, dass ab dem 15. März die Anträge gestellt werden können. Woran hat es gehakt und wann dürfte das erste Geld tatsächlich fließen?
Matthias Anbuhl: Laut Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger  befindet sich dieses Projekt auf der Zielgeraden. Auszahlungstermine haben sich zwar bislang immer wieder verschoben, nun gibt es eine Online-Antragsplattform. An der Umsetzung der Einmalhilfe für Studierende wird im Moment in den Ministerien von Bund und Ländern sehr intensiv gearbeitet, um die Auszahlung zu ermöglichen.
Das Problem ist, dass man ein Portal für 3,5 Millionen Menschen benötigt, dass auf der einen Seite missbrauchssicher ist, auf der anderen Seite den Ansprüchen des Datenschutzes genügt. Gleichzeitig sind die Daten der Studierenden wie Kontoverbindungen und Immatrikulationsbescheinigung nicht zentral gespeichert.  

Viele Menschen in Deutschland haben bereits einen Energiekosten-Zuschuss bekommen. Auch Studierende sollten 200 Euro erhalten. Doch sie warten weiter. Jetzt gibt es Neuigkeiten.

15.02.2023
Für die Studierenden ist diese lange Wartezeit ein Desaster, denn sie brauchen jetzt - nach einem halben Jahr - wirklich Planungssicherheit und müssen verbindlich wissen, wann das Geld bei ihnen ankommt. 
Volle Kanne: Inwieweit sehen Sie, als Vertreter des Studierendenwerks, das Bafög als passenden Hebel, um finanzielle Not zu lindern?
Matthias Anbuhl: Das Bafög ist das Herzstück der staatlichen Studienfinanzierung und der zentrale Hebel, um die Not zu lindern. Allerdings wurde in der Vergangenheit das BAföG nicht an die Entwicklung von Preisen und Einkommen angepasst.

Ab dem Wintersemester erhalten Schüler, Auszubildende und Studenten mehr Bafög. Und auch in Zukunft sollen wieder mehr junge Menschen BAföG-berechtigt werden.

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Deshalb reicht der bestehende Bafög-Höchstsatz heute nicht mehr zum Leben. Die Bundesregierung hat zwar das Bürgergeld mit einem Grundbedarf von 502 Euro als Existenzminimum eingeführt, beim Bafög jedoch den Grundbedarf von 452 Euro nicht verändert. Somit liegt der Bafög-Grundbedarf unter dem Existenzminimum.
Außerdem sind die Wohnkosten ein Problem. Das Bafög besteht im Wesentlichen aus Grundbedarf und Wohnpauschale. Dazu kommen bei Bedarf diverse Zuschläge für Kranken- und Pflegeversicherung, Kinderbetreuung und Auslandsaufenthalte. Die Wohnpauschale liegt bei 360 Euro. Bei den heutigen Mietpreisen können sich Studierende in den meisten Hochschulstädten damit kaum ein WG-Zimmer leisten.
Hinzu kommt, dass zu wenige Studierende das Bafög erhalten. Vor zehn Jahren waren es noch 25 bis 30 Prozent aller Studierenden, die Bafög erhielten, zurzeit sind es nur noch 11 Prozent. Auch hier bedarf es regelmäßiger Anpassungen der Freibeträge, damit wieder mehr Studierende Bafög erhalten können.
Volle Kanne: Welche Folgen sehen sie denn mittel- und langfristig, wenn sich immer weniger Menschen aus finanziell schwächeren Familien ein Studium leisten können?
Matthias Anbuhl: Zum einen ist Bildung ist ein Menschenrecht und es gibt den gesellschaftlichen Konsens, dass keine Schulausbildung und kein Studium am Geldbeutel der Eltern scheitern darf, zum anderen haben wir einen Fachkräftemangel, der in weiten Teil ein Akademikermangel ist.
Es fehlen Ärzte, Lehrer, Informatiker, Ingenieure, deshalb können wir uns Studienabbrüche aus Geldmangel nicht leisten. 

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