: Vier-Tage-Woche: Ja, aber nur freiwillig

von Mario Shabaviz
16.05.2023 | 18:00 Uhr
Zufriedenere Beschäftigte und weniger Fachkräftemangel - das soll die Vier-Tage-Woche bringen, so deren Befürworter. Die Industrie sieht dabei ihre Produktivität in Gefahr.

Die Vier-Tage-Woche suggeriere, die Herausforderungen der Gegenwart seien mit weniger Leistung bewältigbar, warnt Steffen Kampeter, Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände.

17.05.2023 | 06:27 min
Es klingt, wie ein Stoßseufzer in der Mittagspause: weniger Arbeit und voller Lohn, das wär’s doch. Statt "Hey Boss, ich brauch' mehr Geld!", wie Gunter Gabriel einst sang, nun also wieder mal "Hey Boss, ich brauch' mehr Zeit!". Und das gleiche Geld!
Mit dieser Hauptforderung jedenfalls will die IG Metall zuerst in Nordrhein-Westfalen und später im Osten der Republik in die kommenden Tarifverhandlungen gehen. Denn im November 2023 (im Westen) und im Februar 2024 (im Osten) enden dort die Entgelttarifverträge für die Stahlindustrie.
Wir wollen eine echte Entlastung für die Beschäftigten erreichen, ohne dass sie deshalb weniger verdienen.
Knut Giesler, Verhandlungsführer und Vorsitzender der IG Metall in Nordrhein-Westfalen
So hatte es kürzlich Knut Giesler, Verhandlungsführer und Vorsitzender der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, auf den Punkt gebracht.

Am Freitag schon Wochenende - Mittel gegen den Nachwuchsmangel

Konkret soll demnach die bisherige Wochenarbeitszeit in der Stahlbranche von 35 auf 32 Stunden sinken. Der Freitag als Arbeitstag wäre damit passe. Dies solle in der körperlich oft anstrengenden Branche nicht zuletzt der Lebensqualität und Gesundheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen "spürbaren Fortschritt" bringen, hatte Giesler in einem Zeitungsinterview betont.

In den letzten Wochen wird immer lauter über sie debattiert: die Vier-Tage-Woche. Weniger arbeiten - bei womöglich vollem Lohnausgleich: Was spricht dafür, was dagegen?

17.05.2023 | 02:27 min
Zugleich, so die Ansicht der Gewerkschaft, könne man zwei weitere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Angesichts von Nachwuchssorgen könnte die Vier-Tage-Woche die Attraktivität von Jobs in der Branche erhöhen. Aber es könnte auch den künftig drohenden Verlust von Arbeitsplätzen - etwa durch den "grünen Umbau" der Branche oder bei Job-Verlagerung ins Ausland - besser kompensieren helfen.
Da in der Stahlindustrie der Drei-Schicht-Betrieb verbreitet ist, rechnet die IG Metall jedoch selbst nicht mit einer schnellen Umsetzung, sollte sie ihre Forderung durchsetzen können. Um den Unternehmen die nötigen Anpassungen zu ermöglichen, geht man von einem womöglich über Jahre vollzogenen Prozess aus.

Interview mit Steffen Kampeter zu Arbeitszeitmodellen

15.05.2023 | 04:09 min

Industrie: Vier-Tage-Woche nur freiwillig

Von Skepsis bis Ablehnung bei einer generellen Vier-Tage-Woche reichen derzeit die Reaktionen auf der Arbeitgeberseite. Und das gerade wegen des mangelnden Fachpersonals, wie Steffen Kampeter, Chef des Bundesverbandes der Arbeitgeberverbände (BDA), bei "WISO" betont.
"In den Betrieben haben wir Fachkräftemangel. Und wir suchen dringend Leute, die unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherheit aufrechterhalten." Deswegen der Vorschlag von Kampeter zur Freiwilligkeit:
Wer den Betrieb der Vier-Tage-Woche organisieren kann, bitte. Die Betriebe, die das nicht können, können dazu nicht gezwungen werden.
Steffen Kampeter, BDA-Präsident

Knapp 3.000 Arbeitnehmer aus mehr als 60 Unternehmen im Vereinigten Königreichs haben ein halbes Jahr lang an dem Pilotprojekt 4 Tage-Woche bei vollem Lohn teilgenommen.

07.03.2023 | 02:07 min

BDA-Chef will Änderungen am Arbeitsrecht

Anstelle einer generellen Vier-Tage-Woche fordert BDA-Chef Kampeter Änderungen am aktuellen Arbeitszeitrecht. Das würde den betrieblichen und individuellen Wünschen nach größtmöglicher Flexibilität nicht mehr gerecht. An Produktivitätsgewinne durch Vier-Tage-Wochen glaubt Kampeter nicht.

Für welche Branchen das Arbeitszeitmodell geeignet ist

15.05.2023 | 04:33 min
"Wir haben viele Betriebe, die auch vier Tage anbieten, dann aber auch vier mal zehn, vier mal neun Stunden, und dafür werden die Menschen auch anständig bezahlt", so Kampeter.
Ich glaube nicht an diese Produktivitätsgewinne. Und alle internationalen Studien lassen das auch bezweifeln.
Steffen Kampeter, BDA-Präsident
Noch liegen die Positionen der Gewerkschaft und der Arbeitgeber bei einer breit eingeführten Vier-Tage-Woche weitauseinander. Doch die Zeichen stehen vermutlich eher auf Wandel.
In Österreich wird die Vier-Tage-Woche getestet:

Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich – das testen zurzeit viele Betriebe aus Österreich. Im Kampf gegen den Fachkräftemangel soll das Konzept jüngere Bewerber ansprechen.

20.01.2023 | 02:03 min

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