: Wo steht die deutsche Wirtschaft?

von Peter Aumeier
24.04.2024 | 14:48 Uhr
Deutschland hat Wirtschaftsprobleme. Das ist Konsens. Ist es deswegen schon eine Krise? Denn nicht alles ist schlecht. Vier Punkte, was bereits besser läuft.

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April aufgehellt - das zeigt der Ifo-Geschäftsklima-Index. Doch viele Unternehmen kämpfen weiter mit strukturellen Problemen.

24.04.2024 | 01:34 min
Vergangene Woche auf dem "Ludwig-Erhard-Gipfel" am Tegernsee in Bayern: ein Stelldichein von Wirtschaftslenkern, Wissenschaftlern und Spitzenpolitikern. Das Thema: Wie geht es Deutschlands Wirtschaft? Die fast einhellige Meinung: Als Standort ist Deutschland zu teuer, zu kompliziert, zu langsam.
Vier Jahre kein Wachstum, die Wirtschaft bewege sich bestenfalls seitwärts, so Lars Feld, ehemals Vorsitzender der Wirtschaftsweisen. Die Stimmung in den deutschen Unternehmen sei schlecht. Viele sprechen von Krise.

Deutschlands Wirtschaft in der Krise - oder doch nicht?

Das will Enzo Weber, Professor am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, so nicht stehen lassen: "Man sollte damit vorsichtig sein, alles, was nicht gut läuft, gleich als Krise zu bezeichnen."
Wir haben keine schwere Rezession, wir haben seit eineinhalb Jahren eine Hängepartie, das ist noch nicht der Weltuntergang.
Enzo Weber, Wirtschaftswissenschaftler
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, sieht es ähnlich. Der Geschäftsklimaindex aus seinem Hause, der monatlich recherchiert und veröffentlicht wird, gilt als der verlässlichste Gradmesser der aktuellen wirtschaftlichen Situation. "Es geht langsam aufwärts", kommentiert Fuest die heute erschienene Studie: Die aktuelle Lage bewerten zwar viele Firmen noch als schlecht, allerdings hellen sich die Erwartungen auf.

Die Folgen der Sparpolitik machen sich an vielen Stellen bemerkbar, unter anderem beim maroden Schienennetz. Dabei sollte das ausgebaut werden.

23.04.2024 | 07:53 min

Wirtschaft: Vier Anzeichen, dass es aufwärts geht

Das Bild der deutschen Wirtschaft, es ist komplex und oft widersprüchlich: Dax-Unternehmen mit Rekordgewinnen und gleichzeitig ein Rekordniveau von Firmenpleiten. Dennoch, es gibt erste Anzeichen einer Besserung:

Erstens: Die Inflation geht zurück

Im vergangenen Monat lag die Inflation bei 2,2, Prozent. Damit war die Inflationsrate im März 2024 so niedrig wie zuletzt im Mai 2021 (ebenfalls +2,2 %), ein noch niedrigerer Wert wurde zuvor im April 2021 (+2,0 %) ermittelt. "Wir sehen auch, dass das große Problem der Inflation erst mal überwunden scheint", meint Fuest. Die Entwicklung in den USA aber zeigt: Die Inflation kann sehr hartnäckig sein.
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Zweites: Die Reallöhne steigen

Die Inflation war ein Reallohnkiller. Zwar stiegen die Löhne, doch die Inflation zehrte diese Zuwächse mehr als auf. "Das heißt, die Menschen konnten sich von ihrem Geld immer weniger leisten," sagt Enzo Weber. Besonders drastisch: das Jahr 2022. Für 2024 planen Unternehmen in Deutschland mit einer deutlichen Lohnerhöhung. Bei gleichzeitig niedriger Inflation heißt das: mehr Geld in der Tasche.
Nach mehreren Jahren von realen Verlusten wird es dieses Jahr einen deutlichen Gewinn in der Kaufkraft geben, damit kann dann auch die Nachfrage wieder anziehen
Enzo Weber, Wirtschaftswissenschaftler
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Die Inflation in Deutschland ist im März auf den tiefsten Stand seit fast drei Jahren gesunken. Wie macht sich das für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher bemerkbar?

02.04.2024 | 02:39 min

Drittens: Der Arbeitsmarkt ist stabil

Es herrscht sogar Rekordbeschäftigung. Wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten in der Vergangenheit immer einen Effekt: Die Arbeitslosenzahlen stiegen. Heute ist das anders. "Der Arbeitsmarkt lässt sich nicht beeindrucken. Die Entlassungen bleiben weiter niedrig. Gerade weil Leute knapp sind, halten die Betriebe an ihnen fest," sagt Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber.
Die Knappheit sei eine immense Herausforderung für die Betriebe, bringe aber auch Vorteile: "Mit dem intensiven Wettbewerb um Arbeitskräfte sind die Chancen da, zusätzliche Potentiale zu heben - etwa bei Frauen, Älteren oder Zugewanderten."

Viertens: Die Materialverfügbarkeit verbessert sich

So hat nach einer Umfrage des Ifo-Instituts die deutsche Industrie kaum noch mit Materialknappheit zu kämpfen. Im März berichteten noch 10,2 Prozent der befragten Firmen von Engpässen, deutlich weniger als im Februar. Damit hat sich die Versorgung von Rohstoffen und Vorprodukten deutlich verbessert und entspricht fast dem Stand vor der Corona-Krise.

Das Präsidium der FDP hat ein 12-Punkte-Konzept zur Entlastung der Wirtschaft vorgestellt. Demnach möchte die Partei gerne den Sozialstaat einschränken und Subventionen abbauen.

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Fazit: Die Voraussetzungen für den Aufschwung sind da

"Ein Aufschwung ist im Grunde schon angelegt. Dennoch müssen wir in der Transformationspolitik noch einiges tun, um wirklich auf den Fortschrittspfad zu kommen," sagt Enzo Weber. Und Ifo-Präsident Fuest ergänzt:
Es fehlt nach wie vor eine Aufbruchsstimmung. Davon ist noch nichts zu sehen. Das hat eben auch damit zu tun, dass man den Eindruck hat, dass die Politik derzeit wie gelähmt ist.
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts
Ein Kernfrage bleibt - und damit auch eine Hoffnung: Wie werden die Zinsen sich entwickeln? Denn hohe Zinsen sind eine Belastung für die Wirtschaft. In einem sind sich Experten einig: Das Maximum der Zinsentwicklung ist überschritten.
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Peter Aumeier ist Redakteur im ZDF-Landesstudio in München

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