Kolumne

: 75 Jahre Grundgesetz: Ein Grund zum Feiern?

von Stefan Brauburger
19.05.2024 | 09:00 Uhr
Seit ihrer Gründung hat die Bundesrepublik Deutschland mit Herausforderungen und Krisen zu kämpfen. Die Demokratie hat dabei ihre Stabilität unter Beweis gestellt.
Quelle: ZDF
Mit der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 entstand die Bundesrepublik. Nicht nur der Überfall von Putins Russland auf die Ukraine sorgt nun 75 Jahre später für eine Zeitenwende. Fundamente der inneren und äußeren Sicherheit, der Demokratie, aber auch des bisherigen Wohlstands stehen auf dem Prüfstand. Krieg in Europa, Klimawandel, steigende Energiepreise, Inflation, Corona-Folgen, der Umgang mit Migration und dem zunehmenden Extremismus - selten waren Staat und Gesellschaft so vielfältig herausgefordert.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Unsere Demokratie hat in den 75 Jahren nach der Staatsgründung allerdings schon einige Krisen und Umbrüche erlebt - und ist daraus meist gestärkt hervorgegangen.

Vom Trümmerland zum "Wirtschaftswunder"

So mündeten die schwierigen Jahre des Wiederaufbaus nach Vernichtungskrieg und Menschheitsverbrechen vor allem im Westen in einen wirtschaftlichen Aufschwung. Gefördert durch die Siegermächte, entpuppte sich die soziale Marktwirtschaft als nachhaltiges Erfolgsmodell.

In der BRD rollt dank des Wirtschaftswunders der Wohlstand in Wellen übers Land: Auf Fresswelle folgen Einrichtungswelle und Reisewelle. Anders läuft es in der DDR.

06.05.2021 | 11:02 min
Die Menschen in der DDR hatten es aufgrund von Reparationen an die Sowjetunion und sozialistischer Planwirtschaft weitaus schwerer. Später, nach der Wiedervereinigung, wurde die Hoffnung auf ein zweites "Wirtschaftswunder" - diesmal im Osten - allerdings enttäuscht. Dennoch ist der Aufbau Ost gemessen an der desolaten Ausgangslage und trotz gravierender Einschnitte eine große historische Leistung.

Von Feinden zu Partnern

Deutschland hatte die Welt in einen verbrecherischen Vernichtungskrieg gestürzt und war geächtet. Doch dann entstand im Westen mit deutscher Beteiligung ein Zukunftsmodell für ein freiheitliches, friedliches und wirtschaftlich integriertes Europa.
Nach Epochen der Spaltungen und Kriege bildete sich eine Europäische Gemeinschaft, die sich nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" um den Osten Deutschlands und weitere Länder des ehemaligen "Ostblocks" erweiterte. Zum ersten Mal in der Geschichte gelang es, die deutsche Einheit mit der europäischen Ordnung friedlich und demokratisch in Einklang zu bringen.

Von Flüchtlingen zu Einwanderern

Trotz großer Not wurden nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 12 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene friedlich in die Gesellschaft eingegliedert - im Westen wie im Osten Deutschlands. Millionen Heimatlose brachten sich mit hoher Leistungsbereitschaft in den Aufbau ihrer Aufnahmeländer ein, gravierende Konflikte blieben aus - eine enorme Integrationsleistung.

Mitte der 50er Jahre kommen die ersten sogenannten „Gastarbeiter“ nach West-Deutschland.

01.06.2019 | 04:14 min
Im Westen wurden "Gastarbeiter", vor allem aus dem Süden Europas, aktiv angeworben, die den Wirtschaftsaufschwung unterstützten. Im Osten trugen "Vertragsarbeiter" aus sozialistischen Bruderstaaten zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Da die Unternehmen in der Bundesrepublik weiterhin Bedarf an Arbeitskräften hatten, zogen auch die Familien der "Gastarbeiter" nach. Erst später erleichterte die Gesetzeslage ihre Einbürgerung.
Heute hat ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland eine Einwanderungsgeschichte. Die Bundesrepublik war immer ein Land der Migration. Um den demografischen Wandel zu bewältigen, ist es auch heute wieder notwendig, dass eine beträchtliche Anzahl ausländischer Fachkräfte für den Standort Deutschland gewonnen wird.

Von der Teilung zur Einheit

Die Wiedervereinigung wurde von den Menschen in der DDR durch eine "Friedliche Revolution" herbeigeführt. Noch nie wurden zwei Gesellschaften so unterschiedlicher Systeme in so kurzer Zeit miteinander verbunden.

70 Jahre nach dem DDR-Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zeichnet Mirko Drotschmann Deutschlands langen Weg zur Demokratie nach.

13.06.2023 | 35:28 min
Das geeinte Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder seine Stabilität unter Beweis gestellt: beim Aufbau Ost, während der Finanzkrise, der Corona-Pandemie, in der Flüchtlingsfrage und bei der Ukraine-Hilfe. Und trotz zunehmender Kritik, laut Umfragen sieht die große Mehrheit der Deutschen in der Demokratie auch heute noch die beste Staatsform. Auch das gilt es zu sehen, neben all den Herausforderungen, bei der Bilanz nach 75 Jahren.
Und so gibt es Gründe genug, den Geburtstag des Grundgesetzes zu feiern.

Deutschland hat Geburtstag! Vor 75 Jahren wird die Bundesrepublik gegründet – und die DDR. Mirko Drotschmann fragt: Was wissen wir von unserer Geschichte – von damals bis heute?

21.05.2024 | 88:30 min

Stefan Brauburger ...

… ist seit 33 Jahren Autor und Redakteur in der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, die er seit 2013 leitet. Seit der Studienzeit, anschließend in Forschungsprojekten, später als Filmemacher und Buchautor befasste er sich immer wieder mit Themen der deutschen Demokratiegeschichte, der Teilung und Wiedervereinigung im europäischen Rahmen. Er gehört dem Wissenschaftlichen Beirat des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an.

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