: Wie der Klimawandel Flutkatastrophen befeuert

von Andreas Stamm
23.09.2023 | 20:09 Uhr
Es regnet heftig, Menschen sterben, Ganze Orte verschwinden: Das neue Normal aufgrund des Klimawandels, oder eine zufällige Häufung? Die Wissenschaft sucht und findet Antworten.
Das Sturmtief Daniel hat weite Teile des Mittelmeerraums heimgesucht - und unter anderem in Griechenland heftige Überschwemmungen ausgelöst. Quelle: epa
Mehr als 700 Liter Regen pro Quadratmeter, der in nur wenigen Stunden fällt. Sturmtief Daniel wütet über Griechenland. Zum Vergleich: Bei der Flut im Ahrtal waren es zwischen 100 und 200 Liter, in einem Tag. In Libyen sterben Tausende Menschen durch die Wassermassen, die Daniel bringt. Zuvor ungewöhnliche Starkregen in Spanien.
Und auch in Deutschland kommt es vermehrt zu Ereignissen, die dieses ungute Gefühl aufkommen lassen: Ist das noch normal, oder sind es die Folgen des Klimawandels, die doch so schnell zu spüren sind? Oder gilt noch der Spruch "Geregnet hat es doch immer"?

Wetter, Klima, Katastrophe?

Die Frage, die daraus resultiert, ist, ob sich einzelne regionale Wetterereignisse komplett oder teilweise dem Klimawandel zuordnen lassen. Was im Rahmen der Forschung schwieriger ist, als etwa Aussagen über steigende globale Durchschnittstemperaturen. Da das regionale, lokale Wetter von vielen Faktoren abhängt und das Klimasystem komplex ist.
Die hohe Oberflächentemperatur der Meere kann Treibstoff für Extremwetter sein, erklärt ZDF-Wetterexperte Özden Terli.

Seit Monaten sind die Oberflächentemperaturen der Meere auf Rekordhöhe. Özden Terli erklärt, wie sich das auf unser Wetter auswirkt.

31.08.2023 | 00:46 min
Aber sei das, so ZDF-Meteorologe und Wetterexperte Özden Terli, überhaupt noch relevant, für jedes Einzelereignis einen Nachweis zu führen? "Die Atmosphäre ist bereits verändert, die Parameter nicht mehr die Gleichen wie vor 40 Jahren, geschweige denn zur vorindustriellen Zeit", so Terli.
Wir müssen einfach akzeptieren, in einer durch den Klimawandel veränderten Welt zu leben und auch, dass die Wetterextreme zunehmen und heftiger ausfallen werden.
Özden Terli, ZDF-Wetterexperte

Klimawandel spielt eine Rolle

Dennoch beschäftigt sich die Attributions-Forschung genau mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwetterereignissen. Wohl auch im Wissen, dass es noch immer Skeptiker gibt und es mehr Argumentationshilfen braucht, um in Sachen Klimaschutz voranzukommen.
Und dabei liefern die Forschenden mehr und mehr Ergebnisse. Etwa, dass die Hitzewellen in China oder Teilen Europas in diesem Jahr, mit örtlichen Hitzerekorden jenseits der 50-Grad-Marke ohne den Klimawandel nicht aufgetreten wären, nicht erklärbar seien. Und auch was die heftigen Unwetter und Niederschläge im Mittelmeerraum angeht, zeigen neueste Studien eine klare Tendenz.
Wenn es regnet, fallen meist Wassermassen vom Himmel. In Hongkong, Libyen, Griechenland. Auch hierzulande. Woran liegt das? Fragen an Andreas Stamm aus der ZDF-Umwelt-Redaktion.

Rekordmengen an Starkregen sorgen weltweit für Überflutungen und Chaos. Experten sehen im Klimawandel den Hauptgrund. Was jetzt als Extremwetter gilt, wird wohl der Normalzustand.

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Wie etwa im Falle von Sturm Daniel, der Anfang September über dem östlichen Mittelmeer tobte. Das internationale Forscherteam der "World Weather Attribution"-Initiative hat über bewährte Klimamodelle berechnet, dass solch extreme Regenfälle durch den Klimawandel bis zu 50-mal wahrscheinlicher werden. Noch seien ihre Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, es gäbe Unsicherheitsfaktoren, so das Forscherteam.

Ein Grad macht großen Unterschied

Aber der Zusammenhang liegt nahe, weil die physikalischen Grundlagen auf der Hand liegen, erklärt Friederike Otto, Klimaforscherin am Imperial College in London, gegenüber dem ZDF. In einer Welt, die schon um mehr als ein Grad wärmer ist als vor Beginn der Industrialisierung. "Und je höher die globale Mitteltemperatur steigt, desto stärker steigt auch die Gefahr für extrem intensive Niederschläge", so Otto.
Da sich bei einem Grad globaler Erwärmung die Luftfeuchtigkeit um etwa sieben Prozent erhöht, was im globalen Mittel dann eben auch zu sieben Prozent intensiveren Niederschlägen führe. Regional könne das auch durchaus mehr sein, aufgrund anderer Faktoren, ergänzt Otto.
Und sieben Prozent hört sich nicht viel an, das kann aber den Unterschied zwischen ein bisschen nassen Straßen und vielen, vielen Toten ausmachen.
Friederike Otto, Klimaforscherin
ZDFheute Infografik
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Häufiger und heftiger durch den Klimawandel - in Sachen Extremwetter ist das der Konsens in der Forschung. Die Beobachtungen, die Daten, sie decken sich mit den Prognosen. Drehen wir es einfach um, so ZDF-Wetterexperte Terli. "Glück gehabt, wenn das Wetter harmlos ist. Ansonsten zeigt besonders in diesem Sommer die Natur, wozu sie fähig ist."
Andreas Stamm ist Redakteur in der ZDF-Hauptredaktion Wirtschaft, Recht, Service, Soziales und Umwelt (WIRSSUM).
 

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