: Farbloses Straßenbild: Gibt es bunte Hoffnung?

von Christian Thomann-Busse
17.08.2024 | 08:00 Uhr
Langsam aber sicher ist uns bei den Autos die Farbe abhandengekommen: Unbunte Töne von Weiß bis Schwarz dominieren. Doch Experten sagen: Es gibt Hoffnung auf mehr Farbe.
Weiß, Schwarz, Grau - so sieht der Lack vieler Autos auf Deutschlands Straßen aus. Quelle: dpa
Wir können uns scheckig lachen über die Szene in Loriots Film Ödipussi (1988), in dem eine Paartherapeutin einem älteren Ehepaar in der Krise frische Farben für die Inneneinrichtung empfiehlt - und am Ende geht es um alle möglichen Schattierungen von Grau.
Ein Blick aber auf unsere Straßen reicht aus, und wir sehen: Bei Autos sind wir längst genau dort angekommen. Von Weiß über sämtliche Grau-Nuancen (inklusive Silber) bis Schwarz ist alles da. Bis auf Farben. Unbunte Autofarben dominieren mit fast 80 Prozent das Straßenbild. Warum eigentlich - und ist das endgültig?

Wie wichtig ist uns das Auto? Eine Reportage.

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Autokauf ist rationaler geworden

Für Claus-Christian Carbon, Wahrnehmungspsychologe und Philosoph (Universität Bamberg), hat eine geänderte Beziehung zum Auto einen großen Anteil an der Farblosigkeit:
Es ist vor allem ein Bewegungsmittel, man scheint sich nicht mehr darüber auszudrücken.
Claus-Christian Carbon, Wahrnehmungspsychologe
Früher habe man eher nach dem Lustprinzip Fahrzeugmodelle und deren Leistung, Ausstattung und Farbe ausgewählt. "Heute sind wir viel rationaler und denken direkt an den Preis, den man beim Wiederverkauf erzielen kann." Und auch daran, bloß nicht zu sehr aufzufallen.
Wirtschaftliches Denken ist zunächst ja nicht verwerflich - gerade angesichts der Tatsache, dass Automobile die zweitgrößte Investition nach Immobilien sind. Wie das funktioniert, machen die großen Anbieter für Unternehmensflotten vor.

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"Leasingpartner bieten oft nicht die gesamte Palette an Farben. Das steuert den Markt auch mit", sagt Mark Gutjahr, Chefdesigner beim Autolackproduzenten BASF Coatings. Heißt: Wenn für große Dienstwagenflotten weniger Farben zur Auswahl stehen, fallen dort natürlich besondere Farbtupfer durchs Raster.

Autolack-Designer: Weiß wurde zur Trend-Farbe

Aber es sind nicht nur wirtschaftliche Aspekte, die die Wahrnehmung und Auswahl von Farben fürs Auto antreiben. Die 70er und 80er waren in vielen Lebensbereichen bunt. Dann wurden wir nüchterner. "Technologie ist ein wichtiger Aspekt. Silber stand lange für Hightech, zum Beispiel für Stereoanlagen. Und dann kam Apple mit weißen iPods und iMacs. Da war klar, dass Weiß auch in anderen Bereichen wichtig würde", sagt Mark Gutjahr. Unter drei Prozent lag der Marktanteil für weiße Fahrzeuge in den Jahren 2004 und 2006. Typische Handwerkerautos und Vertreterfahrzeuge.
"Es gab damals keine Effektfarbtöne für Weiß", so der Chefdesigner. Angesichts einer Entwicklungszeit von mindestens zwei Jahren für eine neue Autofarbe und daraus folgenden Umbauten bei Produktionsanlagen war der Fokus auf einen (möglicherweise) kommenden Trend also durchaus mutig - und im Nachhinein die richtige Entscheidung: Rund ein Viertel aller Neufahrzeuge wurden in den vergangenen zehn Jahren in Weiß ausgeliefert.

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Experte prognostiziert neue Farben

Was nicht heißt, dass das auch so bleiben muss. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz könnten die Farbwahrnehmung erneut beeinflussen. Autolack-Designer Gutjahr prognostiziert:
Wir werden in den kommenden Jahren wieder mehr Farbe auf den Straßen sehen.
Mark Gutjahr, Autolack-Designer
Beige, Violett, Grüntöne und auch Orange seien im Kommen. "Die sind natürlich nicht unbedingt auf zehnprozentige Marktanteile ausgelegt, aber wir sehen die Entwicklung schon jetzt bei den Neuzulassungen." Allerdings müsse sich das Unbunte bei einem Bestand von 45 Millionen Fahrzeugen neu durchmischen.

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Buntere Straßen dank neuer Technologien?

Eine Chance für mehr Farbe auf den Straßen könnte auch eine neue Präsentationstechnik mit VR-Brillen bei der Kaufentscheidung sein. "Eine unserer Studien hat gezeigt, dass Käufer Farbe wieder attraktiver finden, wenn sie via Virtual Reality ihr zukünftiges Fahrzeug aus verschiedenen Blickwinkeln mit allen möglichen Schattierungen, Spiegelungen und Farbeffekten sehen können", sagt Mark Gutjahr.
Dann könnten wir in Deutschland, das ähnlich farblos unterwegs ist wie Schweden, auch wieder etwas farbenfroher wie Italien oder Frankreich werden, wo - so Gutjahr - aber auch in anderen Bereichen wie der Mode einfach mehr Lebens- und Experimentierfreude zu sehen sei.
Eine mögliche Trendumkehr, die der Wahrnehmungspsychologe Claus-Christian Carbon nur begrüßen kann: "Aktuell geht es bei uns vor allem gegen Hedonie. Und das ist eine traurige Sache. Wir müssen die Menschen wieder dorthin kriegen, dass sie Freude an etwas haben, was sie tagtäglich machen können." Zum Beispiel in einem farbigen Fahrzeug unterwegs sein.

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