Interview

: Bas Kast: Den Körper wohldosiert stressen

30.04.2023 | 05:45 Uhr
Was macht die Seele stark - in einer Zeit voller Krisen? Wissenschaftsautor Bas Kast hat einen "Werkzeugkasten" entwickelt, in dem viele alltagstaugliche Anregungen stecken.
Bewegung oder Meditation in der Natur, nach Meinung von Bas Kast sind das Wege zur Stärkung der Seele.Quelle: dpa
ZDFheute: Sie beginnen den Tag in der Regel mit einem Lauf an der frischen Luft. Wie geht’s Ihnen jetzt?
Bas Kast: Ich fühle mich erfrischt. Morgens eine Runde zu joggen, ist gut für meinen Gemütszustand. Ich habe einen Beruf, in dem ich besonders produktiv bin, wenn ich am Schreibtisch sitze. Ich brauche deshalb einen Ausgleich: etwas körperliche Belastung. Ein selbstbestimmter Stressreiz, der mich dann auch besser mit Stresserlebnissen bei der Arbeit umgehen lässt.
ZDFheute: Über Stress im Alltag klagen viele Menschen. Hinzu kommen aktuell Krisen und Zukunftsängste, die einen völlig aus der Balance reißen können. Sie hat diese Thematik auch stark umgetrieben. Warum?
Kast: Ich hatte schon als junger Mann immer mal wieder Phasen, in denen ich mich niedergeschlagen fühlte - und ich hatte keine besseren Mittel als Joggen und Zähne zusammenbeißen. Besonders im Herbst, wenn das natürliche Licht abnimmt, spüre ich - wie viele andere Menschen auch - wie das auf die Stimmung schlägt.
Ich wollte deshalb eine Art Werkzeugkasten zusammenstellen, der hilft, nicht in ein Loch zu fallen.
Bas Kast, Wissenschaftsautor
Deshalb habe ich mich auf die Suche gemacht, was wissenschaftlich erwiesen die Seele widerstandsfähig macht und vieles selbst ausgetestet.

Das geschieht, wenn wir keine Zeit mehr für Erholung haben.

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ZDFheute: Sie beschreiben zehn Wege zur "Stärkung der Seele". Dabei geht es zum Beispiel um gesunde Ernährung, Bewegung in der Natur, Meditation und ausreichend Schlaf, aber auch um Hormesis. Was ist das?
Kast: Wir modernen Stadtneurotiker stehen oft unter psychologischem Dauerstress - körperlich jedoch schonen wir uns allzu sehr und stopfen uns nicht selten auch noch mit Fastfood voll. Das kann unter anderem zu schädlichen Entzündungsprozessen führen und sogar bestimmte Hirnareale verkümmern lassen, die wichtig sind für flexibles Denken und die Kontrolle von Stress oder Ängsten.
Ein schnell wirksames Gegenmittel besteht darin, den Körper vorübergehend wohldosiert zu stressen - etwa durch eine kleine Fastenkur, eine kalte Dusche, einen Saunagang oder Sport. Das hilft uns, aus der Lethargie zu kommen.
Mehr noch: Bewegung hilft bei klinischen Depressionen ungefähr so effizient wie Antidepressiva. Eine wissenschaftliche Studie hat zudem gezeigt, dass die Umstellung auf eine gesunde Mittelmeer-Diät bei knapp einem Drittel von klinisch depressiven Patienten dazu führt, dass sich die depressiven Symptome so weit zurückbilden, dass von einer Depression kaum noch die Rede sein kann.
Daran lässt sich ablesen, dass die Themen Bewegung und Ernährung keineswegs banal sind.
Bas Kast, Wissenschaftsautor

Bas Kast ...

Quelle: imago
... studierte Psychologie und Biologie und arbeitet seit vielen Jahren als Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor. Sein "Ernährungskompass" wurde 2018 ausgezeichnet als "Wissensbuch des Jahres". Das aktuelle Werk des Wahl-Berliners trägt den Titel "Kompass für die Seele".
ZDFheute: Manchmal können also schon kleine Dinge zu viel größerem Wohlbefinden führen?
Kast: Ja, zum Beispiel können schon einfache Safrankuren Stimmungstiefs teils so wirksam zurückdrängen wie Standard-Antidepressiva - insbesondere, wenn man nur von einer leichten Depression betroffen sein kann. Es gibt aber auch Studien, die klipp und klar herausgebracht haben, dass etwa eine halbe Stunde Lichttherapie am Morgen eine klinische Depression mitunter sogar deutlich stärker lindert als ein übliches Antidepressivum. Das sind schon eindrucksvolle Befunde.

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ZDFheute: Manche Ihrer Tipps klingen zunächst erstaunlich. Zum Beispiel empfehlen Sie, innerlich ein "Unglück vorwegzunehmen". Was bringt das?
Kast: Das würde ich keinem Menschen empfehlen, der an einer Depression leidet. Dieser Tipp zielt eher darauf ab, Dampf aus dem Alltag zu nehmen, wenn wir uns etwa in der Warteschlange an der Supermarktkasse ärgern, weil es nicht schnell genug vorangeht. Überhaupt hat man damit sein Problem auf einen Schlag verdoppelt: Nun hat man die Warteschlange und den Ärger darüber! Nein, da hilft es eher, sich die eigene privilegierte Situation, die wir aus den Augen verloren haben, kurz ins Bewusstsein zu rücken.

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ZDFheute: Aber wo ist das "Unglück"?
Kast: Ich sage mir: Hey, ich kann hier alles einkaufen, was ich brauche, ich muss nicht in einer Krisenregion stundenlang für etwas Trinkwasser anstehen und dabei noch um mein Leben fürchten. Irgendwann, später im hohen Alter, werde ich vielleicht gar nicht mehr in der Lage sein, selbst in den Supermarkt zu gehen… .
Dieser gedankliche Trick stammt übrigens aus der stoischen Philosophie, und ich finde, obwohl er einige Tausend Jahre alt ist, hat er immer noch seinen Wert.
Das Interview führte Marcel Burkhardt.

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