: "Jecken schunkeln nicht an Problemen vorbei"

15.02.2023 | 09:50 Uhr
Nach Corona-Pause und Einschränkungen drängt es die Narren wieder auf die Straße. Auch der Ukraine-Krieg wird beim Karneval in Köln und Düsseldorf Thema sein.
Auf einem der Wagen in Köln küsst Putin den Teufel.Quelle: AP
Erstmals seit drei Jahren beginnt am Donnerstag zu Weiberfastnacht wieder ein Straßenkarneval ohne Corona-Einschränkungen. 2020 war der Karneval noch knapp vor den ersten weitreichenden Lockdown-Maßnahmen über die Bühne gegangen.
Im Folgejahr 2021 fiel der Karneval komplett aus. 2022 fand Weiberfastnacht unter 2G-plus-Bedingungen statt. Diese Einschränkungen fallen nun weg. Erstmals seit drei Jahren sollen auch die Rosenmontagszüge wieder rollen.

Karneval und Weltgeschehen

Der Krieg in der Ukraine wird laut dem "Karnevalsphilosophen" Wolfgang Oelsner im rheinischen Karneval auch in diesem Jahr wieder eine große Rolle spielen. Der Kölner Pädagoge und Jugendpsychotherapeut, der mehrere Bücher über den Karneval veröffentlicht hat, sagte:
Der Karneval positioniert sich in jedem Jahr zum Weltgeschehen.
Wolfgang Oelsner, Kölner Pädagoge und Jugendpsychotherapeut

Wagen mit Putin-Satire

Wie die Jecken das machen, stoße nicht überall auf Verständnis. Doch Karneval sei deutlich mehr, als die Bilder von betrunkenen Menschen in den Medien vermuten ließen.
In Köln seien bereits Wagen vorgestellt worden, die sich deutlich zu Russlands Präsident Wladimir Putin positionieren, sagte Oelsner. Er verwies etwa auf einen Wagen, der Putin zeigt, wie er die Erde durch einen Fleischwolf dreht und zu einem unappetitlichen Fleischklumpen verarbeitet. Auch von dem Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly seien wieder deutliche satirische Darstellungen zu erwarten.
Auf einem Wagen ist Putin in Gestalt von Nosferatu zu sehen, einer Adaption des Vampirs Dracula, der die Welt durch einen Fleischwolf dreht.Quelle: Reuters
Ebenso seien etwa die Stunk-Sitzung oder der Geisterzug bekannt dafür, kritische Auseinandersetzungen zu liefern.
Natürlich beeinflusst die politische Weltlage das Brauchtum.
Wolfgang Oelsner, Kölner Pädagoge und Jugendpsychotherapeut

Karneval als Möglichkeit zum Protest

Im Karneval werde im Bewusstsein der eigenen Endlichkeit das Leben gefeiert. Es müsse jedoch auch akzeptiert werden, wenn Menschen zeigten, dass ihnen in der aktuellen Situation nicht nach Feiern zumute sei.
Unter dem Eindruck von Kriegen und Krisen wurde der Rosenmontagszug laut Oelsner bereits mehrfach abgesagt oder in eine Demonstration umgewandelt. Etwa zu Beginn des zweiten Golfkriegs 1991 oder nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine im vergangenen Jahr gingen Tausende Menschen auf die Straßen.
2022 hätten sich 250.000 Menschen mit karnevalesken Stilmitteln wie Liedern, vielfältigen Kostümen, Putin-Parodien oder einer aufgespießten Friedenstaube gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine positioniert.
Das Verhältnis von Putin zur EU wird in Mainz aufs Korn genommen.Quelle: Reuters

Kölner Dreigestirn besucht Krankenhäuser und Hospize

Zur Frage, warum dieses Jahr alles seinen gewohnten karnevalistischen Gang geht, äußert sich der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, gegenüber dpa: "Gerade die Corona-Zeit hat uns allen gezeigt, wie wichtig es ist, persönliche Nähe und die Gemeinschaft mit anderen Menschen zu erleben."
Die Kölner Jecken schunkeln nicht einfach an den Problemen der Welt vorbei, sondern wissen sehr genau, wie eng Freud und Leid beieinander liegen.
Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval
So besuche das Kölner Dreigestirn nicht nur bunte Sitzungen und Bälle, sondern auch Krankenhäuser, Sozialstationen und Hospize.

Auszeit von Krieg und Sorgen

Der Karneval solle den Menschen Kraft geben und ihnen kleine Auszeiten von den alltäglichen Sorgen und Nöten bescheren, sagte Kuckelkorn. "Und so werden weder der fürchterliche Krieg in der Ukraine noch die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien vergessen. Im Gegenteil: Für uns Narren ist der Zoch mit seinen Persiflagen das wichtigste Instrument, um solche Missstände öffentlich aufzuzeigen und zu kritisieren."
Quelle: epd, dpa

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