: Schutz der Antarktis stagniert

27.10.2023 | 19:56 Uhr
Zum Ende des Treffens der Antarktis-Kommission CCAMLR blieb eine geforderte Ausweitung von Meeresschutzgebieten aus. Einen kleinen Lichtblick sehen Umweltschützer trotzdem.
Die Antarktis-Kommission endet ohne große Umweltschutz-Beschlüsse. (Symbolbild)Quelle: ap
Die Hiobsbotschaften zum Zustand der Antarktis reißen nicht ab. Das Meereis schmilzt rasant, die Fischbestände sind massiv überbeansprucht, kürzlich wurde die Vogelgrippe nachgewiesen.
Und nun haben auch noch die für den Schutz der antarktischen Meeresfauna und -flora zuständigen Regierungen die Chance verpasst, bei ihrer Jahrestagung im australischen Hobart einen Durchbruch zu erzielen. Das berichten Teilnehmer zum Abschluss des Treffens der Antarktis-Kommission CCAMLR.

Die Verhandlungen um neue Meeresschutzgebiete scheiterten bisher an China und Russland.

16.10.2023 | 00:21 min

Antarktis: Keine weiteren Meeresschutzgebiete

Die von Umweltexperten dringend geforderte Ausweisung wichtiger Meeresschutzgebiete bleibt Zukunftsmusik. Das gesamte für die Erde so wichtige Ökosystem des Südpolarmeeres gilt als bedroht. Claire Christian von der Antarctic and Southern Ocean Coalition (Asoc) sagte nach dem Treffen:
Es fühlt sich an, als ob wir beim Schutz des Südpolarmeeres einen Schritt vor und zwei zurück machen.
Claire Christian, Antarctic and Southern Ocean Coalition (Asoc)
"Es ist zwar ein gewisser Trost, dass wichtige Schutzmaßnahmen nicht zurückgenommen wurden, aber das ständige Festhalten am Status quo durch CCAMLR bleibt hinter den dringenden Entscheidungen, die für die Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise erforderlich sind, zurück."

Antarktis-Schutz: Widerstand von China und Russland

Speziell geht es um ein Netzwerk aus drei großen Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas, MPAs) in der Ostantarktis, im Weddellmeer und in den Gewässern der Antarktischen Halbinsel. Die Durchsetzung scheitert seit Jahren am Widerstand von Russland und China - denn alle Entscheidungen von CCAMLR müssen einstimmig ausfallen.

Antarktis: Erderhitzung destabilisiert Gletscher.

12.01.2022 | 00:56 min
Auch konkrete Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Gebiete wurden abgelehnt - etwa des weltgrößten bislang bekannten Fischbrutgebiets mit rund 60 Millionen Eisfischen, das im vergangenen Jahr von deutschen Wissenschaftlern entdeckt wurde.
Dieses Versäumnis gefährdet nicht nur das Ökosystem der Antarktis, sondern spricht auch gegen den gesunden Menschenverstand.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe

Wichtige Krebsart soll geschützt werden

Immerhin, Beobachter der Tagung sprechen von "kleinen Schritten in die richtige Richtung". So hätten sich die Teilnehmer auf ein Treffen zur Verbesserung des Krill-Fischereimanagements 2024 geeinigt. Der antarktische Krill ist ein winziger Krebs, der massenhaft gefangen wird, um daraus Öl, Fischfutter für die Lachszucht und anderes Tierfutter zu machen. Der Krill ist für das fragile Ökosystem der Antarktis mit Tieren wie Walen und Pinguinen extrem wichtig.
Laut einer Studie des WWF sind die Tierchen wahre Klimahelden. Die riesigen Schwärme versenken jährlich bis zu 23 Millionen Tonnen Kohlendioxid in der Tiefsee. Gleichzeitig ist die Krill-Fischerei laut einer CCAMLR-Statistik von knapp 105.000 Tonnen im Jahr 2007 auf mehr als 415.000 Tonnen im Jahr 2022 angestiegen, da immer größere und modernere Schiffe daran teilnehmen.
Die Schmelze der Eiskappen an Nord- und Südpol gehört zu den sogenannten Kipppunkten - also Ereignisse von globaler Auswirkung, die nach menschlichem Ermessen nicht rückgängig gemacht werden können und den Klimawandel deutlich vorantreiben:

Was sind Kipppunkte - und welche gibt es?

Kipppunkte sind erdsystemische Ereignisse von globaler Auswirkung, die nach menschlichem Ermessen nicht rückgängig gemacht werden können und den Klimawandel deutlich vorantreiben. Gefährliche Kipppunkte sind:

  • das Auftauen der Permafrostböden in den nördlichen Breiten (Sibirien, Alaska, Kanada)
  • das Abschmelzen der Landeismassen auf Grönland
  • das Abholzen der Regenwälder Amazoniens
  • die Veränderung des Golfstroms
  • die Sättigung der Ozeane mit CO₂

Die Erde verändert sich permanent. Seit rund 200 Jahren ist auch der Mensch ein Antriebsmotor dieses Wandels – durch fossile Brennstoffe befeuert er erderwärmende Prozesse.

03.08.2020 | 01:12 min

Was passiert, wenn die Permafrostböden tauen?

In den dauerhaft gefrorenen Böden, den Permafrostböden, sind große Mengen organisches Material, also abgestorbene Pflanzen, enthalten. Tauen die Böden aufgrund der Erwärmung auf, verrottet das Pflanzenmaterial durch den Einfluss des Luftsauerstoffs, das Treibhausgas Methan wird freigesetzt. Methan hat ein rund 20-fach stärkeres Klimaerwärmungspotenzial als CO₂, hält sich aber mit rund zehn Jahren vergleichsweise kurz in der Atmosphäre.

Dennoch: Wenn eine genügend große Menge Methan nahezu zeitgleich frei wird, könnte sich die Erderwärmung drastisch beschleunigen. Tauende Permafrostböden werden bereits seit vielen Jahren beobachtet, die Methanmengen sind aber noch zu gering, um den Klimawandel merklich zu beeinflussen.

Wenn der Permafrost verschwindet, beginnen dort lebende Mikroben den Kohlenstoff umzuwandeln. Dabei entstehen die Gase Methan und Kohlendioxid. Diese verstärken die Erderwärmung.

11.10.2021 | 01:25 min

Wie steht es um die Eisschilde an Nord- und Südpol?

Ein internationales Team der University Leeds hat die Daten von 17 Satelliten-Missionen und 50 Messkampagnen ausgewertet. Das Ergebnis dieser neuen Eisbilanz zeigt (Stand 2023), wie viel die Eisschilde Grönlands und der Antarktis seit 1992 verloren haben.

Im Detail:

  • Sowohl Grönland als auch die Antarktis verlieren so viel Eis wie noch nie seit Beginn der Messungen. In beiden Regionen beschleunigt sich das Abtauen rapide.
  • Grönlands Eismasse hat seit 1992 um 4,8 Billionen Tonnen abgenommen. Im Schnitt lag die Abtaurate bei 169 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr. Im Rekordjahr 2019 waren es dagegen 444 Milliarden Tonnen.
  • Die Antarktis hat zwischen 1992 und 2020 gut 2,6 Billionen Tonnen Eis verloren. Weil die sehr kalten und hoch gelegenen zentralen und östlichen Teile der Antarktis bisher noch relativ stabil sind, tragen vor allem die rapide schrumpfenden Küstengletscher der Westantarktis zum Abtauen sei.
  • Seit 1992 haben Grönland und die Antarktis den Meeresspiegel um 21 Millimeter erhöht. Knapp zwei Drittel des Schmelzwassers stammten dabei aus Grönland, wie die Auswertungen ergaben. Die Eisschmelze in Grönland und der Antarktis ist damit inzwischen für 25,6 Prozent des Pegelanstiegs verantwortlich.

Seit 25 Jahren schmilzt das Schelfeis in der Westantarktis. Neueste Studien besagen, dass der Kipppunkt erreicht und das Abschmelzen nicht mehr aufgehalten werden kann.

09.11.2023 | 00:46 min

Welche Folgen hat das Abholzen des Amazonas-Regenwaldes?

Der Amazonas-Regenwald nimmt gewaltige Mengen Wasser auf und verdunstet es wieder. In der Atmosphäre bilden sich regelrechte Feuchtigkeitsflüsse, die auch die Niederschläge in Europa beeinflussen.

Intakte Wälder sind CO₂-Senken. Die Bäume nehmen CO₂ aus der Atmosphäre auf, per Photosynthese wird es in Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O) gespalten. Der Kohlenstoff dient dem Holzwachstum, der Sauerstoff wird frei. Derzeit sind bereits rund 17 Prozent der Amazonas-Regenwaldflächen abgeholzt. Sind etwa 25 Prozent erreicht, dann stirbt der Regenwald auch ohne Rodung langsam ab, weil die Feuchtigkeit fehlt. Eine wichtige CO₂-Senke wäre verloren.

Die Saison des Feuers hat wieder begonnen. Es brennt so viel Fläche wie nie zuvor. Die meisten der aktuellen Brände im Amazonas-Regenwald und im Pantanal sind menschengemacht.

18.08.2021 | 04:57 min

Wie hängt der Golfstrom mit dem Klimawandel zusammen?

Der Golfstrom transportiert warmes Oberflächenwasser aus den Subtropen bis in die Arktis. Gleichzeitig strömt kaltes Tiefenwasser von Norden nach Süden. Insgesamt sorgt diese Golfstromzirkulation in West- und Nordeuropa für ein mildes Klima.

Die Klimaerwärmung lässt nun arktische Eismassen schmelzen, das Süßwasser verändert den Salzgehalt im Meerwasser, die Dichte nimmt ab, das Wasser wird leichter und sinkt demzufolge weniger tief ab. Dadurch - so meinen Wissenschaftler - verlangsame sich die Zirkulation des Golfstroms. Geht dieser Prozess weiter, würde die Durchschnittstemperatur in Nord- und Westeuropa deutlich sinken, Niederschläge würden zunehmen und das maritime Ökosystem würde sich mit nicht absehbaren Folgen verändern.

Das riesige Wassertransportsystem Golfstrom verlangsamt sich. Der wahrscheinliche Grund: Die Erderwärmung. Klimaexperten bereitet das Sorgen.

02.03.2021 | 06:17 min

Welche Kipppunkte stecken in den Ozeanen?

Ozeane speichern bisher rund ein Drittel der menschengemachten CO₂-Emissionen. Doch irgendwann ist auch dieser gigantische Speicher voll. Ist das der Fall, würde das CO₂ in der Atmosphäre bleiben und den Klimawandel beschleunigen. Also bremsen die Meere den Klimawandel derzeit noch. 

Aber: CO₂ wird im Meerwasser gelöst, es entsteht Kohlensäure, das Wasser versauert. Ein hoher Säuregehalt schädigt die Kalkskelette der Korallen. Auch Muscheln und Krebse könnten keine stabilen Gehäuse mehr bilden. Hinzu kommt die Erwärmung der Weltmeere. Das Ökosystem rund um Korallenriffe ist ernsthaft gefährdet. Das sogenannte Korallensterben wurde bereits an mehreren Hotspots der Weltmeere nachgewiesen.

Wie bedeutend sind diese Kipppunkte?

Treten die Kipppunkte ein, besteht nach Meinung der Klimaforscher die Gefahr, dass abrupte, drastische Klimaänderungen die Anpassungsmöglichkeiten der menschlichen Gesellschaft übersteigen. Folge könnten weitreichende Verwüstungen sein, eine Ernährungskrise oder eine ernsthafte Gefährdung der Trinkwasserversorgung. Teile der Erde würden unbewohnbar, Flüchtlingsbewegungen gigantischen Ausmaßes kämen in Gang.

Einen exakten Grenzwert, ab welchem globalen Temperaturniveau Kipppunkte überschritten werden, können Klimawissenschaftler nicht angeben. Daher werden statistische Temperaturkorridore festgelegt, in dem das Risiko für das Erdsystem wächst.

von Christine Elsner, ZDF-Umweltredaktion

Gipfeltreffen für Antarktis geplant

Bei einem Symposium soll es im kommenden Juli um die Umsetzung eines aktualisierten ökosystembasierten Krill-Fischereimanagements gehen. Weiterer Punkt auf der Tagesordnung: Die Ausweisung eines Meeresschutzgebietes rund um die Antarktische Halbinsel. Während dieses Ergebnis Hoffnung gebe, sei der Mangel an Maßnahmen zur Ausweisung eines ganzen Netzes an Meeresschutzgebieten enttäuschend, sagte Andrea Kavanagh vom Pew Bertarelli Ocean Legacy Project.
Ab dem 8. November findet in Paris der One Planet - Polar Summit statt, bei dem Forscher und Politiker gemeinsame Maßnahmen zum Schutz der Eisregionen des Planeten vereinbaren wollen. "Ich hoffe sehr, dass dieser Gipfel eine Ära beschleunigter Schutzmaßnahmen einleitet", sagte Claire Christian.
Quelle: dpa

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