: Kann Windkraft im Wald Forstbetriebe retten?

von Lana Ulman
26.09.2023 | 16:51 Uhr
Dürre und Borkenkäfer setzen deutschen Wäldern immer mehr zu. Wald- und Forstbesitzer suchen neue Wege zur Nutzung. Sind Windkraftanlagen ihre Rettung?
Wald- und Forstgebiete kommen zunehmend als Standorte für Windkraftanlagen in Frage. (Symbolbild)Quelle: dpa/Nicolas Armer
Friederike von Beyme und ihr Mann Jörg haben vor 20 Jahren 500 Hektar Wald im Südharz gekauft. Die Forstwirtin hat sich damit einen Traum erfüllt. Mit ihrem Forstbetrieb und Brennholzhandel hatten sie und ihre drei schulpflichtigen Kinder eine sichere Existenz.
Das, was wir nutzen, ist das, was nachwächst. Jedes Jahr wächst der Anteil nach, das ist das Besondere am Wald.
Friederike von Beyme
"Wir wollen ja immer die gleiche Menge Holz haben und dass es nie weniger wird", so die Forstwirtin. Doch das hat sich geändert: "Es ist weniger Holz geworden", sagt sie. Dies sei eine "Katastrophe".

Sachsen-Anhalt: Keine Windkraftanlagen im Wald möglich

Seit 2018 verlieren die von Beymes immer mehr von ihrem Fichtenbestand. Dürre und Borkenkäfer lassen ihren Wald um ein Drittel schwinden. Die Familie hat nach und nach ihren Betrieb verkleinert, Maschinen verkauft, Mitarbeiter entlassen und sich Nebenjobs gesucht.
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Während andere Waldbesitzer in anderen Bundesländern sich über Windkraftanlagen refinanzieren können, ist dies der Familie von Beymes nicht möglich, denn in Sachsen-Anhalt ist die Aufstellung der Anlagen im Wald verboten. Das soll sich aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts bald ändern.
Doch der Naturschutzbund Nabu sieht das kritisch. Grundsätzlich unterstütze die Organisation den Ausbau der Windenergie "als wichtigen Beitrag zu einer klimaverträglichen Energieversorgung", heißt es vom Nabu Sachsen-Anhalt. Aber:
Dabei stellt Windkraft im Wald jedoch keine Lösung dar und verschiebt das Problem nur zu Lasten von Natur-, Artenschutz sowie Landschaftsschutz.
Nabu Sachsen-Anhalt

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Neues Waldkonzept: Waldbesitzer entlohnen?

Mit der Forschergruppe ENVIRUS (Environment-under-stress) der Uni Göttingen hat der Nabu Sachsen-Anhalt ein neues Waldkonzept entwickelt: Der Wald soll ökonomisch, hinsichtlich seines gesellschaftlichen Nutzens betrachtet und die Waldbesitzer dafür entlohnt werden. Dies könne über den Zertifikatshandel geschehen, wenn der Forstsektor in das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) aufgenommen werden würde.
Denn deutsche Wälder binden nach wissenschaftlichen Schätzungen heute schon rund 4,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Jedes Jahr entziehen sie der Atmosphäre rund 52 Millionen Tonnen CO2, den sie dann zusätzlich binden.

Wälder gehören zu den wichtigsten Ökosystemen unserer Erde. Sie funktionieren wie eine natürliche Klimaanlage, indem sie Wasser verdunsten und so ihre Umgebung kühlen.

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Und diese "Produktion" ließe sich steigern, so die Forschenden. "Aktuelle Berechnungen deuten darauf hin, dass durch kluge Maßnahmen global mehr als 250 Milliarden Tonnen Kohlenstoff an zusätzlichen Speicherpotenzial ausgeschöpft werden können", schreibt die Forschergruppe ENVIRUS der Uni Göttingen. So könnte man die Klimaneutralität und sogar eine Negativbilanz bis 2050 erreichen.

CO2-Speicherpotenzial des Waldes steigern

Das Energie- und Umweltministerium in Sachsen-Anhalt begrüßt diesen langfristigen Ansatz, hält aber ein Bündel aus mehreren Maßnahmen für sinnvoll.
Seit Jahren fördert das Land die Wiederaufforstung, den Umbau in Mischwälder. Jetzt setze man auch auf den Ausbau der Windkraft im Wald, um das bundesweite Flächenziel von zwei Prozent bis 2032 zu erreichen. Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann (SPD) erklärt:
Ich halte es für sinnvoll, dass wir auf Kalamitätsflächen im Wirtschaftswald dort, wo sowieso Kahlschläge da sind, dort, wo wir über Kiefern und über Fichtenplantagen reden, durchaus Windkraft im Wald zulassen.
Armin Willingmann, Umweltminister in Sachsen-Anhalt
"Das scheint mir auch in Sachsen-Anhalt gut, weil wir damit die Flächenkulisse für Windkraft insgesamt vergrößern", erklärt Willinmann weiter. Dies nehme auch etwas Druck von Landschaftsschutzgebieten oder Flächen, die relativ nah an einer Wohnbebauung wären, so Willingmann.
Von Beymes wollen künftig auf die Windkraft im Wald setzen - für sie ist es derzeit die einzig nachhaltige Option, um ihre Existenz zu sichern.

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