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: So stark leiden die deutschen Wälder

von Robert Meyer
16.09.2023 | 15:13 Uhr
Den deutschen Wäldern geht es so schlecht wie lange nicht. Was Dürre und Borkenkäfer damit zu tun haben - und was dagegen getan werden kann.

Steigende Temperaturen, Borkenkäfer, zu viel Stickstoff in der Luft: Die Wälder in Deutschland stehen unter Stress - auch im Oberallgäu.

06.08.2023 | 02:37 min
Deutschlands Wälder sind in einer "dramatischen Situation". Eine, wie "viele von uns sie noch nie erlebt haben". Das sagt Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Uni Freiburg und Chefberater der Bundesregierung für Waldpolitik. Aktuell finden Deutschen Waldtage mit dem Schwerpunkt Gesundheit statt, initiiert vom Bundeslandwirtschaftsministerium.
Die Baumarten seien zwar unterschiedlich stark betroffen, sagt Bauhus - und einigen Wäldern gehe es noch relativ gut. Aber in der Fläche habe sich die Lage in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert.

Viele Bäume haben Schäden in der Krone

Wie sehr, das zeigen die Daten der jährlichen Waldzustandserhebung. Ein entscheidender Indikator: der Zustand der Baumkronen. Je mehr Laub oder Nadeln, desto besser geht es dem Baum.
Gerade in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der geschädigten Bäume gestiegen. Mittlerweile sind mehr Bäume stark geschädigt als gesund.
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Es werden zudem zunehmend tote Bäume in den Wäldern gefunden. Deren Anteil hat sich ab 2018 vervielfacht:
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Wälder in der Mitte Deutschlands leiden

Deutschland hat allein zwischen 2018 und 2021 eine halbe Million Hektar Wald verloren - zweimal die Fläche des Saarlandes. Das zeigt eine im vergangenen Jahr erschienene Analyse von Satellitenbildern des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums. Betroffen ist vor allem die Mitte Deutschlands - von Nordrhein-Westfalen über Hessen bis Sachsen.
Von "rapiden Veränderungen von ganzen Waldlandschaften" spricht Jürgen Bauhus:
Wer durch den Westerwald fährt, durch das Sauerland, durch das Siegerland, durch den Harz, durch den Thüringer Wald oder Frankenwald: Da sind ganz Berghänge, ganze Täler, wo vorher noch Wald gestanden hat, mehr oder weniger frei von Wald.
Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Uni Freiburg

Dürre setzt den Wäldern zu

Dabei sind vor allem die Fichtenwälder betroffen. Sie leiden unter einem Teufelskreis aus Dürre, Borkenkäfern und Stürmen.
Zwar gab es auch früher schon heiße und trockene Jahre. Seit 2018 gab es aber mehrere Trockenjahre in Folge. "Das war ein wichtiger Gamechanger, den wir in diesem Ausmaß noch nicht gesehen haben", sagt Jürgen Bauhus. "Die Bäume konnten sich nicht erholen. Die Wasservorräte im Boden sind kontinuierlich zurückgegangen. Der Unterboden ist ausgetrocknet." Und diese Dürre trifft auf sowieso schon auf jahrzehntelang durch Stickstoff belastete Wälder.
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Borkenkäfer greift trockene Fichten an

Die Folge: Ausgetrocknete Fichten können sich nicht mehr so gut gegen Borkenkäfer wehren - erst recht nicht gegen massenhaften Befall.
Oft sterben die Bäume dann reihenweise oder müssen gefällt werden. Kahlschläge sind nötig, um den Borkenkäfern ihre Nahrung wegzunehmen. Monokulturen - also Wälder mit nur einer Baumart wie der Fichte - machen es den Insekten noch einfacher, sich schnell auszubreiten.
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Vor der langen Trockenperiode waren in Deutschland vor allem Wind und Sturm der Grund für die Schäden im Wald. Seit einigen Jahren sind es Insekten wie der Borkenkäfer:
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Auch Buche, Kiefer und Eiche haben mehr Schäden

Die Fichten sind zwar besonders betroffen, mittlerweile beobachtet man aber an vielen weiteren Baumarten Schäden. Selbst solche, die wie die Kiefer als widerstandsfähig galten oder wie die Eiche als Zukunftsbaum für den Klimawandel gehandelt wurden, sagt Jürgen Bauhus.
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CO2-Emissionen müssen sinken

Was kann man dagegen machen? Langfristig müssen laut Thünen-Institut die CO2-Emissionen sinken, um noch schlimmere Folgen des Klimawandels zu verhindern.
Die Probleme, die wir jetzt sehen, seien aber nicht nur durch den Klimawandel entstanden, sagt Jürgen Bauhus, "sondern auch durch die Art und Weise, wie wir in der Vergangenheit Wälder bewirtschaftet haben".

Mischwälder statt Monokulturen

Weniger Monokultur, mehr Mischwald, zusätzliche Baumarten, die besser mit trockenem und warmem Klima umgehen können - das wären Maßnahmen in den Wäldern vor Ort.
Das funktioniert laut Bauhus aber nur auf einem kleinen Teil der Flächen - beispielsweise abgestorbenen Wäldern, die sowieso neu gepflanzt werden müssen.
Andere Wälder brauchen andere Lösungen. Eine Maßnahme, die sich laut Bauhus bewährt hat: In bestehenden, jüngeren Wäldern könne man die Bestände ausdünnen. "Sodass jeder einzelne Baum mehr Platz zum Wachsen hat, ein größeres Wurzelsystem ausbauen kann und die Konkurrenz um die Ressourcen wie Wasser nicht so groß ist."
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Waldbesitzende brauchen Hilfe

Dafür werden aber staatliche Förderungen nötig sein, genauso wie Beratung für kleine Waldbesitzende. "Die Kosten für diesen Umbau der Wälder sind so groß, dass viele Waldbesitzende das nicht stemmen können", sagt Bauhus.
Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass die Wälder wegen des Klimawandels künftig anders aussehen werden. "Wir müssen bereit sein, die zwangsläufigen Veränderungen anzunehmen und nicht krampfhaft versuchen, uns an einem fixen Bild vom Wald festzuhalten, das sich in unseren Köpfen festgesetzt hat." Die Bäume werden nicht mehr so hoch sein, nicht mehr so alt werden, und die Zusammensetzung wird sich ändern, sagt Bauhus. Aber wo heute Wald steht, werde er meistens auch in Zukunft stehen. "Er wird nur anders sein."

Was ist die Waldzustandserhebung?

Jedes Jahr wird die Vitalität der Wälder in Deutschland in der Waldzustandserhebung erfasst. Von Mitte Juli bis Mitte August gehen Fachleute systematisch in auf ganz Deutschland verteilte Waldflächen und beurteilen den Zustand der Baumkronen. Rund 10.000 Bäume sind Teil der Stichprobe, die repräsentativ für die wichtigsten Baumarten ist. Diese Daten werden vom Thünen-Institut - dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei - zusammengeführt, geprüft und ausgewertet.

Was ist die "Kronenverlichtung"?

Die Bäume werden in der Waldzustandserhebung vor allem in Hinblick auf ihre "Kronenverlichtung" beurteilt - also im Vergleich zu einer komplett belaubten bzw. benadelten Krone. Je höher die Verlichtung, desto schlechter geht es dem Baum. Bis zehn Prozent Verlichtung gilt ein Baum als gesund, ab 25 Prozent spricht man von deutlichen Schäden.

Wann spricht man von einem Wald?

Mehrere Bäume in einem Park sind noch kein Wald. Erst wenn es genug Bäume gibt und die Fläche groß genug ist, damit sich ein Waldklima entwickelt, spricht man botanisch von einem Wald.
Autor: Robert Meyer
Redaktion: Kathrin Wolff, Moritz Zajonz

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