: Was die extreme Amazonas-Dürre bedeutet

von Christoph Röckerath
04.11.2023 | 18:57 Uhr
Das brasilianische Amazonasgebiet leidet unter der schlimmsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Folgen für das Weltklima könnten irreparabel sein.

In Brasiliens Amazonasgebiet herrscht eine Jahrhundertdürre. Mächtige Flüsse verkommen zu dünnen Rinnsalen. Die Versorgung mit Trinkwasser wird ein zunehmendes Problem.

01.11.2023 | 05:51 min
Schiffskapitän Junior Cesar steckt fest. Wo sonst der mächtige Rio Negro fließt, liegt nun sein kleiner Frachter auf einer Anhöhe auf Grund. Denn der Amazonas-Zufluss in Brasilien ist ausgetrocknet, das Wasser ist weg. Die Piraten jedoch sind es nicht - deshalb ist Junior Cesar bewaffnet.
Selbst während der aktuellen Rekorddürre gäbe es auf dem Fluss "Piratas", wie er sagt. Jetzt kämen sie eben zu Fuß.

Pegelstände sanken in Rekordtempo

Und so sitzt Junior auf seinem Boot und passt auf die Fracht auf, seit er hier vor 40 Tagen gestrandet ist. Noch immer wundert sich der erfahrene Amazonas-Skipper, wie ihm das passieren konnte:
Die Pegel sind so schnell gesunken! 30 Zentimeter am Tag! Wir haben gegen die Zeit gekämpft, die Zeit war unser Gegner.
Junior Cesar, Schiffskapitän

Der Amazonas in Südamerika ist der mit Abstand wasserreichste Fluss der Erde. Doch nun herrscht in weiten Teilen seines Gebietes die schlimmste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen.

01.11.2023 | 01:43 min

Wetterphänomene werden häufiger und extremer

Was in diesen Wochen im Amazonasgebiet passiert, ist beunruhigend. Das wasserreichste Flussgebiet der Erde erlebt die schlimmste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der Wechsel von Regen- und Trockenzeit, von Hoch- und Niedrigwasser sei zwar normal, sagt Klimaforscher Eron Bezerra von der Bundesuniversität Amazonas im brasilianischen Manaus. Nicht normal aber sei, dass diese Phänomene immer extremer und häufiger auftreten würden.

Wegen historisch niedrigen Pegelständen musste ein großes Wasserkraftwerk am Rio Madeira gestoppt werden. Brasilien leidet unter einer schweren Dürre.

03.10.2023 | 00:18 min
Auf dem eingezäunten Areal auf dem Campus der Bundesuniversität von Manaus steht eine Vielzahl hochmoderner Messgeräte. Im Computer unter einem Sonnenschirm laufen die Daten zusammen. Sie verheißen nichts Gutes. Die Durchschnittstemperatur liegt hier um diese Jahreszeit normalerweise bei 28 Grad. Seit Tagen aber sind es über 40 Grad.

Regenwald regelt den Wasserkreislauf der Erde

Die große Frage, die Bezerra und andere Forscher bewegt, ist, ob der gefürchtete Kipppunkt schon erreicht ist: Jener Moment, ab dem die Zerstörung des Regenwaldes eine Eigendynamik annimmt, die nicht mehr aufzuhalten ist, weil der alles entscheidende Wasserkreislauf irreparabel gestört ist. Dies hätte Folgen für die ganze Welt, erklärt Bezerra:
Wir sprechen von fliegenden Flüssen. Also Wassermassen, die über dem Wald verdunsten, nach Norden und Süden ziehen und so das Weltklima im Gleichgewicht halten.
Eron Bezerra, Klimaforscher
Der Wasserdampf puffere die intensive Hitze-Strahlung, die von der Erde reflektiert wird. Die Abholzung des Regenwaldes sorge aber dafür, dass immer weniger Wasser verdampft. Noch sei es nicht zu spät, sei der Kipppunkt nicht erreicht, glaubt er, aber die Abholzung müsse sofort stoppen.

Für die gesamte Erde ist er von einzigartiger Bedeutung.

10.08.2023 | 01:44 min

Abholzung unter neuer Regierung rückläufig

Zwar ist die Entwaldung seit dem Amtsantritt von Präsident Lula da Silva zum Jahresbeginn deutlich zurückgegangen. Aber vom erklärten Ziel, der Null-Abholzung, ist Brasilien weit entfernt. In diesen Tagen steht die Millionenstadt Manaus immer wieder im dichten Rauch der umliegenden Waldbrände. Eine Folge der Trockenheit, aber auch von illegalen Brandrodungen.
Unmittelbarer ist das Leid der Menschen, die rund um Manaus leben. Die meisten Dörfer sind ausschließlich per Boot angebunden. Jetzt sind große Gebiete nur noch in stundenlangen Fußmärschen durch ausgetrocknete Flussbetten zu erreichen. Tausende Kinder können nicht zur Schule gehen, weil die Schulboote nicht mehr fahren.

Mehr als die Hälfte des Amazonas-Regenwaldes liegt in Brasilien - Präsident Lula geht anders als Vorgänger Bolsonaro gegen die Abholzung vor. Nun beraten acht Amazonas-Staaten.

08.08.2023 | 02:53 min

Menschen fehlt Lebensgrundlage

In diesem ausgetrockneten Flussbett, in dem die sonst schwimmenden Häuser und Boote nun wie fallen gelassenes Spielzeug auf der Erde stehen, ist auch Waldemar Ferreira unterwegs. Der muskulöse 74-Jährige arbeitet an seinem Brunnen, den er mitten im Flussbett graben muss, um an Wasser zu kommen. So etwas habe er noch nie erlebt, sagt er mit einem resignierten Schmunzeln. Er ist überzeugt, je weiter der Amazonaswald abgeholzt wird, desto schwieriger wird es. Die Dürre würde jedes Mal zunehmen.
Letztes Jahr war es schon ganz schön trocken, dieses Jahr ist es noch härter. Und wer weiß, was nächstes Jahr ist, da könnte es dann sogar noch schlimmer werden.
Waldemar Ferreira, Fischer
Waldemar lebt vom Fischfang. Doch im Moment kann er seine Netze nicht gebrauchen. Er hat sie verliehen, an die Kinder des Dorfes. Die haben die Netze in ihre selbst gebauten Fußballtore gehängt. Dort, wo sonst Boote fahren, schießen sie jetzt Tore. Bis das Wasser wiederkommt.

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