: "In vielen Bereichen ein Umdenken erkennbar"

von Katharina Schuster
03.07.2022 | 14:48 Uhr
Vor einem Jahr wurde das EU-weite Einwegplastikverbot eingeführt. Zwei Experten sehen Erfolge, aber äußern auch Kritik am ökologischen Nutzen. Ein Überblick.
Heute vor einem Jahr trat das Einweg-Plastik-Verbot der EU in Kraft. Ein Aus für Plastik-Strohhalme, Styropor-Becher oder Einweg-Besteck. In Deutschland ist zudem seit 2022 die Ausgabe von Plastik-Einkaufstüten im Handel verboten.
Lager-Bestände durften zunächst noch aufgebraucht werden. Doch dann mussten sich die Betriebe umstellen. Für Henning Wilts vom Institut für Klima, Umwelt und Energie in Wuppertal war das Verbot ein erster wichtiger Schritt:
Das EU-Einwegplastik-Verbot war ein sehr klares Signal, dass das Konzept der Wegwerf-Produkte aus Plastik in dieser Form nicht länger akzeptiert werden konnte, weil es massive Umweltbelastungen mit sich bringt – sowohl mit Blick auf die Verschmutzung der Umwelt als auch auf die CO2-Emissionen in der Herstellung dieser Produkte.
Dr. Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft

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Wilts: Industrie sucht nach Einwegplastik-Alternativen

Die Industrie habe verstanden, dass die Europäische Kommission "auch zu massiven Markteingriffen in Form von Produktverboten bereit ist und dies auch von der Bevölkerung mitgetragen wird", stellt Wilts fest.
Dementsprechend sei "in vielen Bereichen tatsächlich ein Umdenken erkennbar".
Die Industrie sucht intensiv nach Alternativen zu Einwegplastik, weil das so von den Kund*innen eingefordert wird.
Dr. Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft
Über die verbotenen Produkte hinaus habe die Einwegplastik-Richtlinie also auch eine intensive Debatte darüber angestoßen, wo der Einsatz von Kunststoff tatsächlich sinnvoll ist.
Schon jetzt wurden die Einwegplastikprodukte häufig durch Produkte aus Naturmaterialien ersetzt, wie beispielsweise:
  • Trinkhalme aus Bambus
  • Besteck aus Holz
  • Teller aus Pappe
  • Trinkhalme aus Metall
Ab 2025 soll es eine Sonderabgabe auf Einwegplastik geben - das Geld soll Kommunen zugutekommen:

Problem: Was ist sinnvoll und was ist Greenwashing?

Die Kehrseite des Verbots sei laut Wilts, dass Verbraucher*innen dabei auch vermeintlich umweltfreundliche Alternativen angeboten werden, die mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus der Produkte kein Stück besser abschneiden.
Gerade im Verpackungsbereich gibt es zunehmend Kombinationen aus Papier und Pappe mit Kunststoffen, die auf den ersten Blick ökologisch erscheinen, das Recycling der Verpackung aber massiv erschweren.
Dr. Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft
Hier sei der Gesetzgeber gefordert, für mehr Transparenz zu sorgen und die Verbraucher*innen bei ihren Konsumentscheidungen zu unterstützen: "Was ist wirklich sinnvoll und was ist reines Greenwashing?"
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Auf europäischer Ebene sollte daher auch dringend diskutiert werden, nicht nur Einwegprodukte aus Plastik in den Blick zu nehmen, sondern insgesamt klare Anreize für den Ausstieg aus der Wegwerf-Gesellschaft zu setzen, so Wilts.
Beim Verbot einzelner Produkte sollte dabei auch immer mitbedacht werden, auf welche Alternativprodukte der Markt vermutlich ausweichen wird.
Notwendig wäre daher die umfassende Beteiligung der Industrie an den konkreten Umweltkosten, die ihre Produkte verursachen – von Zigarettenkippen bis hin zu Textilien, die leider auch immer stärker als Einwegprodukt genutzt werden.
Dr. Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft

Wie ökologisch sinnvoll ist das Einwegplastik-Verbot?

David Laner vom Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen an der Uni Kassel sieht den ökologischen Nutzen des Verbots kritisch. Es führe dazu, dass Verbraucher*innen im Jahr 0,4 Kilogramm weniger Einweg-Plastikmüll erzeugen. "Das entspricht im Vergleich etwa 1,6 Prozent der jährlichen Kunststoffverpackungs-Abfallmenge aus Privathaushalten", stellt Laner fest.
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Auch zum Ziel der Reduktion von Kunststoffeinträgen in die Meere kann das Einwegkunststoff-Verbot seiner Ansicht nach nur einen geringen Beitrag leisten:
Global gesehen führt das Verbot in der EU laut einer Studie zu einer Abnahme von weniger als 0,06 Prozent.
David Laner, Fachbereich Bauingenieurwesen
Grund dafür sei, dass Kunststoffabfälle aus der EU heutzutage aufgrund der geordneten Entsorgung und Verwertung in der Regel nicht im Meer landen und die größten Kunststoffeinträge in anderen Teilen der Welt stattfinden.
Trotzdem habe das Verbot die öffentliche Aufmerksamkeit geschärft. Die Diskussion sollte allerdings nicht nur beschränkt auf Kunststoffe, sondern generell für Einwegprodukte geführt werden, um in Sinne der Kreislaufwirtschaft Abfälle zu vermeiden, so Laner.

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