: USA prüfen, die Sonne zu verdunkeln

von Oliver Klein
04.07.2023 | 14:39 Uhr
Um die Erderwärmung zu stoppen, prüft die US-Regierung, wie die Sonne mit Aerosolen in der Atmosphäre abgedunkelt werden kann. Klimaforscher warnen: Die Folgen seien unabsehbar.
Können Aerosole in der Atmosphäre helfen, den Klimawandel aufzuhalten? Das prüft die US-Regierung (Archivfoto).Quelle: Reuters
Es klingt wie die verrückte Idee des Schurken aus einem Bond-Film: Mit Aerosolen in der Atmosphäre - oder sogar einem gigantischen Sonnenschirm im All - die Sonne abdunkeln und so die Klimakrise bekämpfen. Aber die US-Regierung meint das ernst: Sie veröffentlichte einen Forschungsplan, in dem die Möglichkeiten von "Solar Geo-Engineering" ausgelotet werden.
Das Weiße Haus betont zwar, die grundsätzliche Klimapolitik der USA werde dadurch nicht verändert und es gebe derzeit "keine Pläne zur Einrichtung eines umfassenden Forschungsprogramms, das sich auf die Veränderung der Sonnenstrahlung konzentriert." Aber dass sich die US-Regierung überhaupt mit dem Thema befasst, ist bemerkenswert:
Der Bericht skizziert verschiedene Optionen für einen Versuch, die Erwärmung des Planeten zu verlangsamen, indem die Sonnenstrahlen reduziert werden - "Solar Radiation Modification" nennt sich das, kurz SRM. Vorteile und Risiken sollen gegeneinander abgewogen werden, heißt es.
SRM bietet die Möglichkeit, den Planeten innerhalb weniger Jahre erheblich abzukühlen.
Aus dem Bericht der US-Regierung
Sonnenschirm im All, Wolken und Boden aufhellen, Aerosole ausbringen: Diese vier Ansätze für SRM führt das Weiße Haus in seinem Bericht auf.

Vier verschiedene Ansätze für SRM

Im Bericht der US-Regierung werden vier verschiedene Ansätze für SRM genannt:
Aerosole in der Atmosphäre: Sulfatpartikel in der Stratosphäre, ausgebracht durch Spezialflugzeuge, könnten einen Teil der Sonnenstrahlen von der Erde wegreflektieren - ein Effekt, den man auch nach großen Vulkanausbrüchen beobachten kann. Beispiel: Nach dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991 wurde es auf der Erde spürbar kühler.
Aufhellung und Produktion von Wolken: "Marine Cloud Brightening" heißt das Zauberwort - Wolken über den Ozeanen sollen aufgehellt werden, indem Spezialschiffe beispielsweise Meerwasser-Tröpfchen in den Himmel sprühen. Hellere Wolken reflektieren mehr Sonnenstrahlen ins All zurück. Ähnliche Ansätze umfassen auch die Produktion von zusätzlichen Wolken.

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Erdoberfläche aufhellen: Der sogenannte Albedo-Effekt lässt sich auch auf der Erde nutzen - hellere Flächen, beispielsweise helle Hausdächer, reflektieren mehr Sonnenstrahlen zurück in den Weltraum als dunkle Flächen.
Sonnenschirme im Weltraum: Zwischen Sonne und Erde werden riesige Sonnensegel platziert, die dauerhaft für eine partielle Sonnenfinsternis sorgen. Gilt bis heute eher als Science-Fiction, kurz und mittelfristig dürfte dieser Ansatz kaum umgesetzt werden.
Der Forschungsplan der US-Regierung befasst sich deshalb nur mit atmosphärischen Ansätzen ausführlicher, also mit dem Ausbringen von Aerosolen und der Wolkenbeeinflussung. Denn beide Techniken seien vergleichsweise schnell umsetzbar, haben aber die größeren unmittelbaren Auswirkungen, wie es heißt.

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Maßnahmen würden Milliarden verschlingen - hunderte Jahre lang

Kosten, Aufwand und Risiken für ein solches Geo-Engineering seien enorm, warnen Experten. Die globale Durchschnittstemperatur ließe sich laut Max-Planck-Gesellschaft zwar auch ohne CO2-Reduzierung auf dem Niveau von 2020 halten - aber nur, wenn jedes Jahr fünf- bis achtmal so viel Schwefeldioxid in die Atmosphäre geblasen würde wie beim Ausbruch des Pinatubo.
Eine Studie aus den USA beziffert die Kosten für solche Maßnahmen auf etwa 18 Milliarden US-Dollar - pro Jahr und pro Grad Abkühlung. Das sei heller Wahnsinn, schimpft Klimaexperte Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel: "Schon die Tatsache, dass sie das über hunderte Jahre oder länger weitermachen müssten - denn das CO2 verschwindet ja nur ganz langsam wieder aus der Atmosphäre. So lange müssten Sie jedes Jahr Milliarden von Dollar einsetzen, um Partikel in die Atmosphäre zu bringen", so Latif. Das habe nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.

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Hinter solchen Ansätzen stecke vor allem die Lobby der fossilen Energiewirtschaft, die in den USA viel Macht habe, sagt der Klimaforscher.
Ich bin alarmiert - man bereitet jetzt schon das Scheitern des Klimaschutzes vor. Nach dem Motto: 'Uns fällt schon was ein, wenn das nicht klappt.'
Mojib Latif, Klimaforscher

Experten warnen vor unkalkulierbaren Folgen

Dazu komme: "Es ist gar nicht klar, wie das ohne Nebenwirkungen funktionieren kann - es ist vielleicht noch schlimmer, als gar nichts zu tun." Denn die möglichen Folgen solcher Eingriffe sind unkalkulierbar, das Klimasystem der Erde zu komplex, warnen Experten.
Ähnlich sieht das auch die Klimaforscherin Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Auf Anfrage von ZDFheute befürwortet sie zwar grundsätzlich die Forschung an SRM. "Das Ziel sollte es sein, die Zusammenhänge besser zu verstehen, zum Beispiel die Auswirkungen auf das Klima und auch die Bildung und Verteilung der Schwefel-Aerosole", so Niemeier. Aber:
Eine Anwendung von SRM sollte auf keinen Fall das Ziel der Forschung sein.
Ulrike Niemeier, MPI für Meteorologie in Hamburg
Denn die Nebenwirkungen sind voraussichtlich heftig: Der Monsun und große Luftstömungen in der Atmosphäre würden sich ändern, weltweit gäbe es weniger Niederschläge, erklärt Niemeier. Grundsätzlich sei Strahlungsmanagement nur ein Herumdoktern an den Symptomen. Um den Klimawandel zu stoppen, gebe es nur einen Weg, so Niemeier: den CO2-Ausstoß so schnell wie möglich verringern.

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