FAQ

: Warum milde Winter trotzdem eisig sein können

von Lukas Wagner
03.12.2022 | 15:49 Uhr
Die DWD-Prognose eines milden Winters macht in der Energiekrise Hoffnung. Doch wie entsteht eine solche Vorhersage? Wie sicher ist sie wirklich? Warum kann es dennoch eisig werden?
Obwohl die Klimaprognosen einen milden Winter vorhersagen, können trotzdem eisige Temperaturen auftreten. (Symbolbild)Quelle: dpa
Wegen der Energiekrise wird aktuell mit bangen Blicken auf die Wetterprognosen für die Wintermonate geschaut. Die Prognosen deuten auf einen milden Winter und damit auf Entwarnung hin. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagt für die drei Wintermonate Dezember, Januar und Februar eine Durchschnittstemperatur von zwei Grad vorher. ZDF-Wetter-Expertin Katja Horneffer erklärt dazu:
Das wäre ein deutlich milderer Winter als wir ihn im vieljährigen klimatologischen Mittel der Jahre 1991 bis 2020 hatten.
Katja Horneffer, Diplom-Meteorologin und ZDF-Wetter-Expertin
Doch wie entstehen Prognosen zu ganzen Jahreszeiten überhaupt? Bleibt bei einem milden Winter Eiseskälte aus? Und bedeutet die "milde" Prognose tatsächlich Entwarnung bei der Energieversorgung? Ein Überblick.

Wie kalt der Winter wird, ist in Zeiten der Energiekrise eine der häufigsten Fragen. Meteorologin Katja Horneffer erklärt, welche Rolle der Polarwirbel dabei spielt.

02.12.2022 | 00:42 min

Wie entstehen Wetterprognosen für ganze Jahreszeiten?

Wie auch bei den Wetterprognosen für die nächsten Stunden und Tage liegen laut Horneffer auch den saisonalen Klimaprognosen numerische Modelle zugrunde, die auf den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Atmosphäre beruhen - sowie Parameter wie Luftdruck, Temperatur, Wind und Feuchtigkeit betreffen.
Zusätzlich dazu werden bei der Jahreszeitenvorhersage aber auch der Ozean und die Landoberfläche berücksichtigt. Der DWD schränkt gegenüber ZDFheute aber ein, dass "saisonale Klimavorhersage generell mit Unsicherheiten verbunden ist". Um die Aussagekraft zu erhöhen, berechnet man die Vorhersagen deshalb mithilfe mehrerer Modellläufe.

Wie sicher sind die Vorhersagen für den kommenden Winter wirklich?

Die DWD-Prognosen würden im Wesentlichen mit den Erkenntnissen anderer europäischer Wetterdienste wie dem britischen "Met Office" und "Météo France" übereinstimmen, erklärt Horneffer. Zudem bewertet der DWD seine Vorhersage für die aktuellen Wintermonate selbst mit der bestmöglichen Kategorie "relativ gut".
Zu ähnlichen Ergebnissen komme auch die amerikanische Wetterbehörde, die in Europa eher höhere Temperaturen als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 prognostiziert habe.
Und dennoch: Es ist nur eine Prognose.
Katja Horneffer, Diplom-Meteorologin und ZDF-Wetter-Expertin

Warum kann ein milder Winter trotzdem sehr kalt sein?

Auch wenn zum Beispiel die ersten beiden Wintermonate sehr mild ausfallen und der Februar eiskalt wird, kann am Ende ein milder Winter in die Statistik eingehen, erklärt Meteorologin Horneffer.
Ein eiskalter Februar kann zwei deutlich zu milde Vormonate eben nicht ausgleichen.
Katja Horneffer, Diplom-Meteorologin und ZDF-Wetter-Expertin
Selbst bei vorhergesagten wärmeren Bedingungen für drei Monate können einzelne Tage oder Wochen deutlich kälter sein, erklärt ein DWD-Sprecher. Das gelte auch für Witterungsvorhersagen einzelner Wochen.
ZDFheute Infografik
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Wie waren die Temperaturen in den letzten Wintern?

Die Werte der vergangenen Winter in Deutschland (siehe Grafik unten) zeigen, dass die Durchschnittstemperaturen in den letzten elf kalten Jahreszeiten nicht mehr unter die Null-Grad-Marke gefallen sind. Seit Beginn der DWD-Aufzeichnungen für das Jahr 1882 gab es demnach keinen so langen Zeitraum, in dem die Wintermittelwerte am Stück über dem Gefrierpunkt blieben.
Im Minusgrad-Bereich lag das Wintermittel zuletzt im Jahr 2011 bzw. in den Wintermonaten Dezember bis Februar 2010/11 - damals war der Winter im Durchschnitt -0,6 Grad kalt.
ZDFheute Infografik
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Gefühlt wird es in den letzten Jahren erst am Winter-Ende eisig - stimmt das?

Dass sich der "eigentliche Winter" mit eisigen Temperaturen in den vergangenen Jahren immer weiter nach hinten verschoben hat, bestätigt Wetter-Expertin Horneffer.
So treten in den letzten Jahrzehnten die wirklich kalten Perioden eines Winters häufiger im Hochwinter auf, also zwischen Mitte Januar und Ende Februar.
Katja Horneffer, Diplom-Meteorologin und ZDF-Wetter-Expertin
Zu beobachten sei zudem, dass die Winter grundsätzlich kürzer und wärmer werden. "Die Vegetationsperiode verlängert sich, es bleibt im Herbst länger warm", so Horneffer.
Wenn es in der jüngeren Vergangenheit einmal sehr kalt geworden sei, haben diese Extrem-Phasen nur kurz angehalten. Als Beispiele nennt die Experten die späten Wintermonate der Jahre 2018, 2021 und 2022. Einen richtigen langen und trüben Winter, der bis Ende März anhielt, habe es zuletzt 2013 gegeben.
ZDFheute Infografik
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Welchen Einfluss haben die Temperaturen auf den Gasverbrauch?

Die Bundesnetzagentur erklärt auf ZDFheute-Anfrage, dass der "Gasverbrauch insbesondere von Haushalten" im Winter durch die Außentemperaturen wesentlich geprägt werde.
Ein milder Winter, wie er durch den Deutschen Wetterdienst prognostiziert wird, hilft natürlich, den Verbrauch zu reduzieren.
Bundesnetzagentur
Trotzdem könnten milde Temperaturen Einsparungen nicht ersetzen, diese seien "unabhängig von den erwarteten Wintertemperaturen notwendig".
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Aus einer Auswertung der Daten des Zeitraums 2018 bis 2021 lasse sich ableiten, "dass eine im Mittel um ein Grad niedrigere Temperatur einen um etwa 13 Terawattstunden (TWh) höheren Gasverbrauch" in den drei Wintermonaten zur Folge habe, teilt die Bundesnetzagentur mit.
Zum Vergleich: Die deutschen Gasspeicher können maximal 255 TWh lagern - der Verbrauch hierzulande lag in den Monaten Januar und Februar der vergangenen Jahre im Schnitt bei 243.
Wetter-Grafiken: Andreas Hottmann

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