: Schwere Missbrauchsfälle im Erzbistum Berlin
von Markus Gross
03.07.2023 | 19:36 UhrSchläge, Vergewaltigungen, Demütigungen: Erneut werden Missbrauchstaten innerhalb der katholischen Kirche aufgedeckt. Im Erzbistum Berlin habe es in den 1960er Jahren ein regelrechtes Missbrauchsnetzwerk gegeben.
Die katholische Kirche bestätigt gegenüber dem ZDF die Geschehnisse: Die Schilderungen der Betroffenen seien plausibel, "das Erzbistum geht davon aus, dass in den 1960er-Jahren Priester und Ordensschwestern in Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf gemeinsam sexuellen Missbrauch an Kindern planten und durchführten".
Die Beschuldigten kannten sich untereinander und vernetzten sich.
Ein Missbrauchsopfer aus Bayern fordert von der katholischen Kirche 350.000 Euro Schmerzensgeld. Einen Teil davon auch vom inzwischen verstorbenen Papst. Der Prozess beginnt heute.
20.06.2023 | 03:18 minOrganisiertes Missbrauchsnetzwerk in West-Berlin
Ein heute 69-Jähriger, der sieben Jahre alt war, als sein Martyrium begann, schildert es dem Magazin "Der Spiegel" so:
Ich wurde 40 bis 50 mal missbraucht, alles so harte Sachen.
Jahrelang habe er geschwiegen, seinen Missbrauchsfall vor zwei Jahren aber dem Erzbistum Berlin anonym mitgeteilt.
Jetzt kommen weitere Details ans Licht: Mindestens sechs Priester stehen unter dem Verdacht, Minderjährige an Grundschulen im damaligen West-Berlin misshandelt, gedemütigt und sexuell missbraucht zu haben. Es habe ein organisiertes Netzwerk gegeben, an dem auch mindestens sechs Ordensschwestern beteiligt gewesen sein sollen.
Opfer: Wir Kinder haben vor Schmerzen geweint
Das damalige Opfer, Schüler an der Grundschule St. Ludwig, erinnert sich an Gruppen-Vergewaltigungen nach dem Zeigen von Pornos in einem Lichtspielhaus. Wie Puppen hätten mehrere Männer Jungen und Mädchen über die Stuhllehnen im Kinosaal geworfen, sie brutal geschlagen und auf verschiedene Weisen vergewaltigt.
Das Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schmerzensgeld an einen ehemaligen Messdiener zahlen, der in den 1970er-Jahren von einem Priester missbraucht wurde.
13.06.2023 | 01:39 min"Nach dem Kino bekamen wir Kinder ein Eis spendiert. Im Cafe Kranzler am Kurfürstendamm war immer ein Tisch reserviert", erinnert sich der Betroffene. Allerdings hätten sie nur dagesessen und vor Schmerzen geweint.
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Übergriffe: Auch Ordensschwestern beteiligt
Der mutmaßliche Haupttäter, ein Gemeindepfarrer und Religionslehrer, sei berüchtigt für seinen Jähzorn und seine Unberechenbarkeit gewesen. Auch Ordensschwestern hätten sich an den sexuellen Übergriffen beteiligt.
Laut Erzbistum Berlin gehören sie den "Armen Schulschwestern", "Unserer Lieben Frau" und den "Schwestern der heiligen Elisabeth" an.
Erstmals hat ein Missbrauchsbetroffener in Deutschland Schmerzensgeld von der katholischen Kirche gefordert.
13.06.2023 | 03:24 minVerstorbener Kardinal Meisner zog Hauptbeschuldigten von Posten ab
Die Berliner Fälle stehen auch in Verbindung mit dem verstorbenen Kardinal Joachim Meisner, der in seiner Amtszeit den hauptbeschuldigten Gemeindepfarrer abzog und als Krankenseelsorger einsetzte. Ob Meisner von dessen mutmaßlichem brutalen Vorgehen wusste und möglicherweise vertuscht hat, ist bislang nicht geklärt.
Dem Erzbistum sind die Namen der beschuldigten Priester und Ordensschwestern bekannt. Der Hauptbeschuldigte sei inzwischen verstorben. Die beiden noch lebenden Beschuldigten hochbetagt. Sie werden nun mit den Vorwürfen konfrontiert.
Missbrauch in der katholischen Kirche
Sexueller Missbrauch in der Kirche rückte in Deutschland durch Enthüllungen am Berliner Canisius-Kolleg im Jahr 2010 in den Fokus der Öffentlichkeit. Missbrauchsfälle wurden in der Folge an allen Bistümern sowie zahlreichen Orden aufgedeckt.
Die Deutsche Bischofskonferenz legte Anfang 2011 ein "Verfahren zu Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde". Immer wieder wurde betont, dass es sich dabei um freiwillige Leistungen handelt, ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht.
Katholische Kirche: Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen
Für die katholische Kirche ist das Kapitel Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen. Von weiteren Zeugen und Betroffenen erhofft sie sich noch mehr Erkenntnisse: "Wir verstehen, dass viele Betroffene sich nicht der schrecklichen Vergangenheit öffnen möchten", erklärt die Interventionsbeauftragte des Erzbistums Berlin, Birte Schneider.
"Wir sind dankbar, wenn sie dies tun. Damit wir ihnen Hilfsangebote machen, ihr Leid - auch finanziell - anerkennen können."