: Nach Hochwasser: Wie die Natur gewinnt

von Svenja Bergerhoff, Hannover
09.03.2024 | 16:41 Uhr
Das Hochwasser zum Jahreswechsel hat in Niedersachsen deutliche Spuren hinterlassen. Doch es gibt auch einen großen Gewinner: die Natur.

Es war das schlimmste Hochwasser seit Jahrzehnten in Niedersachsen. Das wahre Ausmaß zeigte sich erst Wochen später. Besonders den Ort Lilienthal hat es hart getroffen. Wie kann Hochwasserschutz in Zukunft besser gelingen?

09.03.2024 | 04:02 min
Lilienthal bei Bremen erlebte ein besonders schweres Hochwasser. Kritisch wurde für die kleine Gemeinde eine Kombination aus durch Regen prall gefüllten Flüssen und einer Sturmflut an der Küste, die verhinderte, dass das Wasser aus den Flüssen abfließen konnte.

Das Hochwasser in Zahlen

  • Circa drei Wochen dauerte das Weihnachtshochwasser in Niedersachsen
  • 1,4 Millionen Sandsäcke wurden ausgegeben
  • Fast zwölf Kilometer Deich wurden aufgebaut
  • Rund 120.000 registrierte Helfer vor Ort
  • Land stellt bis zu 2.500 Euro Soforthilfe pro Hochwassergeschädigten

Lilienthal: Wälle mit Sandsäcken bleiben vorerst

Die Spuren, die die Situation rund um den Jahreswechsel in Lilienthal hinterlassen hat, sind immer noch zu sehen. Es türmen sich die Sandsäcke. Sie bleiben liegen, noch bis zum Ende der Hochwasser-Saison Mitte/Ende März.
Wir haben noch so viel Wasser, was in den Flächen steht, sodass jeder Tropfen, der von oben runterkommt, dazu führt, dass die Pegel steigen und es doch noch mal zu einer Situationsverschärfung kommen kann.
Kim Fürwentsches, Bürgermeister Lilienthal
Alles in allem sei man aber mit einem blauen Auge davon gekommen, meint Lilienthals Bürgermeister Kim Fürwentsches.
Jetzt überlegt die Gemeinde, wie gerade der tiefer gelegene Ortskern zukünftig besser geschützt werden kann. Mit baulichen Maßnahmen zum Beispiel - aber auch Hochwasserpartnerschaften mit anderen Gemeinden für den gemeinsamen Schutz in der Region sind im Gespräch.

2023 war nicht nur das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn, sondern auch das sechstnasseste. Meteorologin Christa Orben erklärt in 3D, wie es den Böden damit erging.

29.12.2023 | 00:40 min

Kaum Interesse an Soforthilfen nach Hochwasser

Insgesamt scheinen die Schäden durch das Hochwasser geringer auszufallen als befürchtet, heißt es aus dem niedersächsischen Umweltministerium. Das zumindest wird aus dem mäßigen Interesse an den Hochwasser-Soforthilfen des Landes abgeleitet. Ende Februar waren gerade mal 500 Anträge auf Soforthilfen eingegangen.

Nasser Jahresstart: Niedersachsens Wälder und Böden erholt

Reihenweise positive Folgen des nassen Jahresstarts finden sich dagegen in der Natur. So meldet das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: Die extreme Dürre in Deutschland ist vorbei. Die Böden hätten sich erholt. Ähnliches melden die Niedersächsischen Landesforsten aus den Wäldern:
Derzeit sind die Bodenwasserspeicher so weit gefüllt, wie sie es seit dem Winter 2017/2018 nicht mehr waren.
Dr. Klaus Merker, Präsident der Niedersächsischen Landesforsten

Gifhorn: Großes Moor profitiert

Eines der sicher beeindruckendsten Beispiele, bei dem die Erholung der Natur sichtbar wird, ist das Große Moor bei Gifhorn. Schon seit 30 Jahren arbeitet man an der Wiedervernässung. Lange Jahre aber war es dort staubtrocken, der Fortschritt war mühsam. Im Jahr 2022 brach im Moor sogar ein Feuer aus.
Das Hochwasser und der insgesamt sehr nasse Start in 2024 haben dem Moor nun sichtlich gutgetan.
Wir haben durch die extremen Niederschläge im Grunde auf einen Schlag erreicht, was für Jahre prognostiziert war.
Walter Wimmer, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz

An Regenphasen hat es in Deutschland in den vergangenen Monaten nicht gemangelt. Das bedeutet laut Forschenden: gesättigte Böden.

27.02.2024 | 01:23 min
Von Trockenheit ist keine Spur mehr, auf den ersten Blick gleicht das Moorgebiet eher einer Seenlandschaft. Über Rohrsysteme wird das Wasser in verschiedene Polder geleitet. Das Ziel ist, die Nässe nun so lange wie möglich auf der Fläche zu halten.

Moor schützt Umland vor Hochwasser

Neben dem Naturschutzaspekt hilft die Wiedervernässung des Moors aber auch beim Hochwasserschutz. Über die verschiedenen Kanalsysteme wird das Wasser im Wiedervernässungsgebiet gehalten, anstatt komplett über Kanäle und Flüsse in Richtung der nächsten Ortschaft zu fließen.

Viele Deiche sind nicht auf dem neuesten Stand der Technik und müssen deshalb bei jedem neuen Hochwasser aufwändig gesichert werden - der Sanierungsstau ist groß.

11.01.2024 | 02:30 min
Den ersten Härtetest hat das System rund um das Hochwasser vor gut zwei Monaten bestanden, alle Polder haben dem Druck der Wassermassen standgehalten. "All das Wasser, was wir jetzt noch im Gebiet haben, hat nicht am Hochwassergeschehen außerhalb teilgenommen", stellt Walter Wimmer vom Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zufrieden fest.
Vor unserer Maßnahme ist das Wasser durch die Entwässerungsgräben und Kanäle aus dem Moor rausgelaufen und hat im Zweifelsfall die Flüsse, in die es gelaufen ist, weiter ansteigen lassen.
Walter Wimmer, Betriebsstellenleiter Süd, NLWKN

Hochwasservorhersage soll weiter verbessert werden

Ein Grund dafür, dass trotz der immensen Wassermassen vergleichsweise wenig passiert ist, sind die rechtzeitigen Warnungen. Auch wenn es dieses Mal gut funktioniert hat, will man noch besser werden.
An der Technischen Universität Braunschweig sammelt Hannes Müller-Thomy Bildmaterial des Hochwassers. Jeder ist aufgerufen, seine Fotos oder Videos einzusenden. Der Grund für diese Sammlung: Die gewonnenen Daten sollen die Hochwasservorhersage verbessern.
Wie Hochwasserereignisse in Zukunft sein werden, also wie hoch das Wasser steht, das können wir besser prognostizieren und dementsprechend auch die Deiche oder Hochwasserschutzwände konstruieren oder aufsetzen.
Hannes Müller-Thomy, Technische Universität Braunschweig
Die Universität arbeitet daher eng mit der Hochwasservorhersagezentrale in Niedersachsen zusammen. Meldungen basierend auf dem bald verbesserten Modell der TU Braunschweig könnten also zukünftig als Warnungen auf das Smartphone der Bürger kommen.

Auf Niedersachsens Äckern ist es schon seit Monaten zu nass. Pfützen und Matsch haben auch der Winterernte schon geschadet. So können viele Landwirte ihre Felder nicht für die Sommersaat vorbereiten.

22.02.2024 | 01:42 min

Fazit: Niedersachsen hat Hochwasser gut überstanden

Auch wenn das Hochwasser zum Jahreswechsel ein Kraftakt für Betroffene und Helfer war und die Folgen auf nassen Äckern immer noch sichtbar sind, so hat es Niedersachsen doch gut überstanden. Vor allem die Natur hat von dem vielen Wasser massiv profitiert.
Svenja Bergerhoff ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Niedersachsen.

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