: Verlustreiche Stagnation an der Frontlinie

von Christian Mölling, András Rácz
18.02.2023 | 06:47 Uhr
Russland verzeichnet nur geringe Gebietsgewinne in der Ukraine und bereitet eine größere Luftkampagne vor. Russland ist offenbar entschlossen, Bachmut einzunehmen.
Bachmut ist schwer umkämpft - die ukrainische Regierung ordnete die Evakuierung der noch verbliebenen Zivilisten an.Quelle: Reuters, Iryna Rybakova
Russland fliegt wieder Angriffe in der ganzen Ukraine und hat sich dafür eine besondere Taktik einfallen lassen. Beim Stellungskampf setzt Russland auf den besseren Munitionsvorrat, verzeichnet aber gleichzeitig die größeren Verluste. Außerdem spielt in dieser und der nächsten Woche - knapp ein Jahr nach Beginn des Krieges - die ukrainische Stadt Bachmut eine besondere symbolische Rolle.

Stellungskämpfe und hohe russische Verluste

In dieser Woche konnte die russische Offensive nur geringfügig an Boden gewinnen. Sowohl an der Grenze zwischen Luhansk und Charkiw als auch im Donbass kam es weitgehend zu Stellungskämpfen.
Die russischen Streitkräfte haben wiederholt versucht, ukrainische Stellungen zu durchbrechen. Dabei setzten sie auf die Strategie der "menschlichen Welle", was wahrscheinlich auf den Mangel an Panzern und gepanzerten Kampffahrzeugen zurückzuführen ist. Dieses Vorgehen führt zu extrem hohen Verlusten unter den Angreifern.
Ein Jahr Krieg in der Ukraine - Chronologie der Entwicklungen:
Unterdessen ist die russische Artillerie der ukrainischen weiterhin überlegen. Russland ist in der Lage, drei bis fünf Mal mehr Munition pro Tag zu feuern. Ähnlich wie in den vergangenen Wochen gehen die meisten ukrainischen Verluste auf das Konto der russischen Artillerie.

Russland bereitet offenbar Luftkampagne vor

Ein möglicherweise neues Element der russischen Taktik ist die Tatsache, dass Moskau in der Nähe der ukrainischen Grenze sowohl eine große Zahl Flugzeuge als auch Hubschrauber aufstellt. Dies könnte darauf hindeuten, dass Russland sich auf eine massive, konzentrierte Luftkampagne vorbereitet, um die ukrainische Luftabwehr zu überwältigen und so den Weg für eine effizientere Luftunterstützung der russischen Truppen zu ebnen.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies in den kommenden Tagen geschieht, da das Wetter immer schlechter wird. Es wird eine Woche mit starkem Schneefall und kalten Temperaturen vorhergesagt, was sowohl die russische Bodenoffensive als auch die Luftoperationen verlangsamen dürfte.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.

Der Kampf um Bachmut als Symbol

Berichten zufolge beabsichtigt Russland, Bachmut bis zum 24. Februar einzunehmen, also bis zum ersten Jahrestag des Großangriffs auf die Ukraine. Natürlich weiß auch Kiew von dieser Absicht und ist nicht bereit, Wladimir Putin diesen Erfolg zu überlassen. Daher halten die ukrainischen Streitkräfte Bachmut noch immer, auch wenn sich ihre Lage allmählich verschlechtert. Die Stadt ist noch nicht vollständig eingekesselt, aber die russischen Streitkräfte sind in der Lage, die beiden wichtigen Nachschubwege in die Stadt ständig unter Feuer zu halten.
Die Lage in Bachmut in der Ostukraine ist dramatisch - Kiew hat Zivilisten dort zur Flucht aufgerufen:
Der einzige verbleibende Weg in die Stadt ist eine kleinere Landstraße, die jedoch ebenfalls in Reichweite der russischen Mörser liegt, sodass der Nachschub und der Abtransport der Verwundeten immer schwieriger wird. Dennoch sind die ukrainischen Streitkräfte entschlossen, die Stadt noch eine Weile zu halten, zumindest bis zum 24. Februar. Danach wird die Verteidigung der Ruinen des ehemaligen Bachmut jedoch weitgehend an politischer Bedeutung verlieren. Sobald die Position unhaltbar ist, wird sich das ukrainische Militär geordnet aus der Stadt zurückziehen, um einen möglichst großen Teil der Kampfkraft zu erhalten und eine Einkreisung zu vermeiden.
Am 17. Februar ordnete die ukrainische Regierung die sofortige Evakuierung der noch verbliebenen Zivilisten aus Bachmut an. Dies deutet darauf hin, dass die Kämpfe bald das Stadtzentrum erreichen könnten, wo die wenigen tausend verbliebenen Zivilisten Schutz gefunden haben.
Russlands Krieg gegen die Ukraine bestimmt die Münchner Sicherheitskonferenz:

Neue Taktik bei Raketenangriffen

Am 16. Februar startete Russland einen weiteren verheerenden Drohnen- und Raketenangriff auf die ukrainische Infrastruktur. Nach mehreren Monaten wurde auch wieder die westukrainische Stadt Lemberg getroffen. Die russischen Angriffe enthielten zwei neue taktische Elemente: Erstens wurden die Marschflugkörper nachts abgefeuert, was es der ukrainischen Luftabwehr erschwert, sie abzuwehren.
Zweitens setzte Russland eine Reihe von mit Aluminiumblechen bespannten Täuschungsballons ein, die angeblich die ukrainischen Luftabwehrradare ablenken und verwirren sollten. Da es sich hierbei um eine günstige, aber den Berichten zufolge effiziente Methode handelt, wird Moskau sie wahrscheinlich auch in Zukunft weiter einsetzen.

Das auslandsjournal spezial berichtet über die Geschehnisse vom 24. Februar 2022, als die russische Armee ihren Nachbarn, die Ukraine, überfiel.

15.02.2023

Iran unterstützt Aufbau einer russischen Drohnenfabrik

Berichten zufolge haben Russland und der Iran ihre Zusammenarbeit bei der Errichtung einer Produktionsstätte für Drohnen in Russland intensiviert. Trotz ehrgeiziger Erklärungen ist es allerdings unwahrscheinlich, dass die neue Anlage vor 2024 in der Lage sein wird, Drohnen in nennenswerter Zahl zu produzieren. Sobald sie jedoch in Betrieb geht, wird Russland in der Lage sein, günstig primitive aber zerstörerische iranische Selbstmorddrohnen in Serie zu produzieren.
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