: Wölfe abschießen, um Weidetiere zu schützen?

von Philipp Dietrich
02.05.2024 | 15:28 Uhr
Wölfe jagen, um Weidetiere zu schützen - wie sinnvoll ist das? Während eine Nabu-Vertreterin "Herdenschutz" durch Zäune befürwortet, fordert ein Bauernvertreter mehr Abschüsse.

Sollte man Wölfe jagen, um Weidetiere zu schützen? Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband und Marie Neuwald vom Naturschutzbund (Nabu) diskutieren.

02.05.2024 | 11:25 min
Weidende Tiere prägen die deutsche Landwirtschaft. Seit knapp zwanzig Jahren ist auch der Wolf zurück auf der Fläche. Es bleibt die Aufgabe des Menschen, blutige Konflikte zwischen Wild- und Weidetier zu verhindern.
Aber wie? Darüber diskutierten im moma duell Steffen Pingen, Fachbereichsleiter Umwelt beim Deutschen Bauernverband, und Marie Neuwald, Referentin für Wolf und Weidetiere beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Tag des Wolfes - "Tag des gerissenen Schafes"?

Der in dieser Woche begangene Tag des Wolfes ist für Pingen aus Sicht "der Weidetierhalter eher ein Tag des gerissenen Schafes". In drastischen Bildern schildert er die Angst der Landwirte vor Wolfsübergriffen. Morgens auf die Weide zu kommen, und dort ihre gerissenen Schafe liegen zu sehen, und "nicht nur tote Schafe", sondern "Schafe, die noch nicht tot sind, mit offenen Bäuchen".

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Auch der Naturschutz möchte keine "gerissenen Tiere auf der Weide haben", entgegnet Marie Neuwald. Sie kenne viele Beispiele, wo Landwirte gelernt haben, "mit Wölfen zu leben, nebeneinander, ohne Bejagung."

Zäune als Lösung für den Schutz von Weidetieren?

Die vom Naturschutzbund vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen hält Bauernvertreter Pingen für nicht ausreichend, "die funktionieren nicht", es gebe "keine sicheren Zäune, die gibt es nur im Zoo und wir wollen keinen Hochsicherheitstrakt in der Landschaft haben." Er führt einen Fall im ostfriesischen Aurich an, wo ein "Nabu-zertifizierter Zaun 1,50 Meter hoch, mit mehreren 1.000 Volt, vom Wolf überwunden wurde", dort seien zehn Schafe gerissen worden.
Der Zaun sei vor über zwei Jahren vom Nabu mitgebaut worden, sagt dagegen Neuwald:
Für die Kontrolle des Zaunes und die Instandhaltung ist aber der Weidetierhalter zuständig.
Marie Neuwald, Referentin für Wolf und Weidetiere beim Nabu
Und da habe es Stellen gegeben, die undicht geworden seien. Hier widerspricht Pingen vehement. Das verlagere die Verantwortung zu sehr auf die Weidetierhalter.
Das ist kein Umgang mit Weidetierhaltern, das wird keine Akzeptanz finden, sondern es wird nur gemeinsam mit einer Regulierung gehen.
Steffen Pingen, Fachbereichsleiter Umwelt beim Deutschen Bauernverband
Damit ist der Abschuss von Wölfen gemeint. Die Landwirtschaft wolle "den Wolf nicht ausrotten", aber regulieren: "Die Wölfe müssen lernen, dass der Mensch eine Gefahr für sie darstellt. Erst dann werden sie Respekt haben."

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Schrecken Abschüsse andere Wölfe ab?

Hier sieht die Nabu-Vertreterin einen Denkfehler, denn durch Bejagung lernten die Wölfe "Respekt vor Menschen, aber nicht vor Weidetieren, die ohne Menschen auf der Weide stehen." Für sie ist es eine politische Debatte, ob der Wolf bejagt werde oder nicht, ob es eine Quote geben soll oder nicht. Für den Schutz der Weidetiere bringe das wenig, denn durch Bejagung lerne der Wolf eben "nicht, Abstand zu Weidetieren zu halten". Sie sieht in "Herdenschutzzäunen das Mittel der Wahl."
Die Effektivität von Zäunen sei ein "Märchen", es sei "doch klar, wenn Wölfe merken, das sind intelligente Tiere, dass aus ihrem Rudel nach einem Besuch auf einer Weide ein Teil weniger nach Hause kommt, dann werden sie Abstand halten", sagt Pingen und plädiert hier für den Abschuss als Lerneffekt.

Reichen die bisherigen Regelungen aus?

Einig sind sich die beiden darin, dass eine funktionierende Lösung gefunden werden müsse, besonders nach Übergriffen durch den Wolf. Dem Bauernverband reicht die von Bund und Ländern gefundene Regelung zum Schnellabschuss innerhalb von 21 Tagen nach dem Riss nicht aus. Sie fordern darüber hinaus, "im Zweifel auch ein ganzes Rudel zu entnehmen, einen Einstieg in ein Bestandsmanagement".
Der Wolf sei nicht mehr gefährdet und der Schutzstatus könne angesenkt werden. Sein Platz sei auch nicht überall in Deutschland, sondern eher auf "Truppenübungsplätze oder Nationalparks" und nicht in "dicht besiedelten Gebieten", sagt Steffen Pingen.

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Auch Marie Neuwald ist dafür, "dass Wölfe, die wirklich Herdenschutz überwinden, die Probleme machen, dass die dann zielsicher entnommen werden" - und "dass es klare Verantwortungen in den Bundesländern gibt".
Eine "Bestandsregulierung zum Beispiel über Quoten" lehnt sie jedoch klar ab, denn das würde "die Weidetierhaltung nicht in ihrem Schutz entlasten". Die beste gemeinsame Maßnahme von Landwirtschaft und Naturschutz bleibt für Neuwald der "Herdenschutz".

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